Anders als vor 16 Jahren, als insgesamt 350 000 Zuschauer die Schanzen und Loipen säumten, polarisiert das Sport-Großevent in diesem Winter. Während viele Bewohner in dem Alpenort seit Monaten im Lockdown verharren, soll nun eine weltweite Sportveranstaltung mit 4500 Gästen aus 62 Ländern steigen? Hotelier Jürnjakob Reisigl hat dafür kein Verständnis und forderte gar eine kurzfristige Absage. "Diese WM passt nicht in diese Zeit. Das ist doch pervers, wenn alles stillsteht und wir hier ein Fest des Sports feiern wollen", sagte er der "Allgäuer Zeitung".
Reisigls drastische Forderung blieb zwar eine Einzelwortmeldung. Aber wie ernst das Thema ist, zeigt auch die stetige Verschärfung des Hygienekonzepts bis kurz vor WM-Beginn. Der Rhythmus der ohnehin engmaschigen Testungen wurde für alle Beteiligten noch einmal deutlich verdichtet, auch das Hotelpersonal soll während der zwei Wettkampfwochen regelmäßig getestet werden.
Stimmungsvolle Erinnerungen an ein Wintermärchen oder einen WM-Wahnsinn werden diesmal aber kaum bleiben. Es werden keine Trachten- oder Schützenvereine zu zünftiger Volksmusik durch den Markt ziehen und stolz die Flaggen aller Gäste präsentieren. Stattdessen sollen die Bewohner, die trotz der örtlichen Nähe alle Wettbewerbe nur im Fernsehen bestaunen können, ihre Fenster dekorieren. Was bedeutet die erzwungene Tristesse für künftige Sportevents in Oberstdorf?
Der frühere Skisprung-Bundestrainer Werner Schuster, der selbst aus der Gegend stammt, ist skeptisch. "Die Stimmung im Ort wird sich natürlich nicht verbessern. Es gibt ja auch Kritiker, es fehlen wichtige Einnahmen. Die Freude nach einem weiteren Sportfest könnte zurückgehen. Das ist sehr, sehr unglücklich", sagte Schuster. Die Organisatoren spielen mit dem Gedanken, sich für die WM 2027 direkt wieder zu bewerben und dann das Sportfestival einfach nachzuholen. Oberstdorf und der DSV hoffen, dass es dann einen Bonus für die Ausrichtung der Geister-WM gäbe.
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