2022 ist die Ausgangslage zudem ganz anders als bei der Entwicklung der ersten Covid-19-Impfstoffe. Dann dürfte ein großer Teil der Erdbewohner durch Impfung oder natürliche Infektion Antikörper gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 haben. Man müsse prüfen, ob Auffrischimpfungen in geringerer Dosierung ausreichten, sagt Cramer. „Das würde auch bei der Verträglichkeit noch bessere Ergebnisse erzielen.“ Ein Schwerpunkt von Cepi sei es auch, einen Impfstoff zu finden, der umfassend vor Sars-Cov-2 und weiteren sogenannten Betacoronaviren gleichzeitig schützt.
Die nächste Pandemie kommt
Denn allen ist klar: die nächste Pandemie kommt bestimmt, vermutlich mit einem anderen Atemwegsvirus. „Wir denken viel darüber nach, was die nächste pandemische Bedrohung sein könnte“, sagt Hamilton Bennett, beim US-Corona-Impfstoffhersteller Moderna Direktorin für Impfstoffzugang. Die WHO führt eine Liste mit rund einem Dutzend Krankheitserregern, die bedrohlich werden könnten.
Moderna erforsche die Eigenschaften fast aller dieser Virenfamilien und führe schon Studien durch. „Wenn innerhalb der Familie dann ein gefährlicher Virenstamm auftaucht, können wir sehr schnell sein“, sagt Bennett der dpa. Dann könne in 100 Tagen oder sogar weniger ein einsatzbereiter Impfstoff fertig sein. Die 100 Tage sind auch das Ziel von Cepi, und die G7-Staaten unterstützen es.
Neues Verfahren
Möglich sei das dank der bei einigen Covid-19-Impfstoffen erstmals eingesetzten mRNA-Technologie, sagt Bennett. Die nutzt auch das Mainzer Unternehmen Biontech. Bei der Impfung erhalten Körperzellen den nach kurzer Zeit wieder verfallenden Bauplan für einen kleinen Bestandteil des Virus. Dieses sogenannte Spike-Protein produzieren die Zellen dann selbst, woraufhin das Immunsystem Antikörper gegen den Krankheitserreger bildet. Im Falle eines anderen Virus würde ein anderer Bauplan verwendet, das Verfahren bliebe aber gleich, so Bennett.
Wenn Regulierungsbehörden das Verfahren an sich als sicher anerkennen und sich bei neuen Pathogenen nur der Bauplan ändere, seien keine langwierigen Studien mehr nötig, sagte Bennett. Derzeit prüfen etwa Moderna und Biontech, ob der Bauplan in ihren Impfstoffen wegen der neu aufgetauchten Variante Omikron geändert werden muss. Es wäre das erste Mal seit dem Start der Impfkampagnen mit mRNA-Impfstoffen vor rund einem Jahr, dass die beiden Vakzine wegen einer sich ausbreitenden neuen Corona-Variante für die Massenimpfungen geändert werden müssten.
Wendepunkt im Impfgeschäft
Als erstes Land der Welt hatte Großbritannien im Dezember 2020 dem Impfstoff von Biontech eine Notfallzulassung erteilt. Die Impfkampagne des Landes startete am 8. Dezember 2020 mit einer 90 Jahre alten Frau.
Auch Cramer hält Vakzine mit der mRNA-Technologie für einen Wendepunkt im Impfgeschäft. „Es ist spektakulär, was die leisten können“, sagt er. „Sie können sehr schnell angepasst werden, sollten neue Varianten auftreten. Ich glaube, da steckt noch extrem viel Potenzial drin.“