Wunsiedel freut sich über zehn Millionen Euro Wunsiedel gelingt Befreiungsschlag

Dank einer geschickten Umschuldung hat die Stadt Wunsiedel mehr Geld in der Kasse. Foto: dpa//Stefan Sauer

Die Finanzlage der Stadt hat sich über Nacht deutlich gebessert. Eine geschickte Umschuldung spült mehrere Millionen Euro in die Kasse.

 
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Wunsiedel - „Man nehme ...“ Wenn es ein einfaches Rezept gäbe, würde die Stadt Wunsiedel schon lange mit einem genehmigten Haushalt arbeiten. Doch es gibt weder das Rezept noch einen genehmigten Haushalt. Seit Donnerstag, 9.48 Uhr, ist die Lage der bekanntlich sehr hoch verschuldeten Stadt aber nicht mehr ganz so trüb. Bürgermeister Nicolas Lahovnik spricht gar von einem „historischen Tag“ und einem „Befreiungsschlag“ für Wunsiedel. Er und der Geschäftsführer des Kommunalunternehmens Wun-Infra-struktur, Marco Krasser, haben einen Vertrag unterschrieben, der auf einen Schlag zehn Millionen Euro in die Wunsiedler Stadtkasse spült. Dadurch kann die Stadt ihren Sollfehlbetrag im Haushalt in Höhe von 6,5 Millionen Euro ausgleichen.

Für Otto-Normal-Wunsiedler klingt das ziemlich abstrakt. In der Praxis bedeutet dies jedoch, dass Wunsiedel nicht mehr auf den Sankt Nimmerleinstag warten muss, bis die Stadt wieder einen genehmigten Haushalt erhält, sondern nach Einschätzung von Bürgermeister Lahovnik vielleicht schon in drei bis fünf Jahren damit rechnen kann. Dies würde wiederum bedeuten, dass der Stadtrat weit mehr gestalten könnte als bisher. Wie mehrmals berichtet, muss sich die Stadt Wunsiedel seit 2013 – so lange hat sie keinen genehmigten Haushalt – auf die gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtaufgaben beschränken.

Über Nacht zehn Millionen Euro mehr in der Kasse

Doch woher kommen über Nacht zehn Millionen Euro? Und was ist eigentlich ein Sollfehlbetrag? Der Sollfehlbetrag ist ein Knackpunkt, wenn es um einen kommunalen Haushalt geht. Weist der Haushalt einen Fehlbetrag aus, so ist laut Fachliteratur per Definition auf Kosten künftiger Generationen gewirtschaftet worden. Dies deshalb, weil mehr Ressourcen verbraucht (Aufwendungen) als Ressourcen erwirtschaftet wurden (Erträge). Um ein solches Leben auf Kosten künftiger Generationen zu vermeiden, fordert das Haushaltsrecht den Haushaltsausgleich in Erträgen und Aufwendungen. Das heißt, Fehlbeträge sollen vermieden werden.

Dies hat Wunsiedel jetzt geschafft, und dies, ohne dafür einen Kredit aufgenommen zu haben. Schon vor drei Monaten haben Nicolas Lahovnik, Marco Krasser, der Finanzprokurist des KU Infrastruktur, Ulrich Pieringer, und Kämmerer Udo Kilgert, alle Darlehensverträge im „Konzern Wunsiedel“ (das sind die Stadt und die Kommunalunternehmen) unter die Lupe genommen. Unter anderem fanden sie ein Darlehen über zehn Millionen Euro, den die Stadt vor Jahren dem KU Infrastruktur gewährt hatte und dessen Laufzeit bis 2048 festgeschrieben war. Wie Krasser erläutert, waren die Zinsen dafür ziemlich üppig.

Finanzexperte spürt extrem niedrigen Zinssatz auf

An dieser Stelle kommt Ulrich Pieringer ins Spiel. Der Finanzprokurist des KU Infrastruktur hat die allgemeine Kapitalmarktsituation im Blick und erwischte genau den Zeitpunkt, an dem das Zinsniveau extrem niedrig war. „ So eine Situation ist für private Sparer eher von Nachteil, da sie so gut wie keine Zinsen erhalten. Für Darlehnsnehmer ist es aber ein gewaltiger Vorteil“, erläutert Pieringer. Der Finanzprokurist verhandelte mit mehreren potenziellen Finanzinvestoren. Eine „namhafte deutsche Bank“ (den Namen wollte keiner der Beteiligten nennen) hat zugegriffen und das Darlehen zu einem „sensationell günstigen“ Zinssatz abgelöst.

Das heißt, dass die Stadt und das KU Infrastruktur ihren Darlehensvertrag aufgelöst haben. Wunsiedel stehen dadurch auf einen Schlag wieder zehn Millionen Euro freie Mittel zur Verfügung. „Mit diesem Geld tilgen wir unter anderem sofort den Fehlbetrag“, sagt Lahovnik. Das KU Infrastruktur profitierte ebenfalls: Es hat nun einen neuen Darlehensvertrag mit einer Bank zu einem um 2,6 Prozent niedrigeren Zinssatz abgeschlossen. Umgerechnet auf die Laufzeit bis 2048 spart das Kommunalunternehmen drei Millionen Euro. Kein Wunder, dass KU-Geschäftsführer Krasser seinen Finanzexperten für dessen Kreativität in höchsten Tönen lobt.

Wunsiedel in einer Liga mit München, Nürnberg und Regensburg

„Normalerweise sind derartige Geschäfte mit großen Finanzinvestoren in Städten in der Größenordnung von München, Nürnberg oder Regensburg üblich“, sagt Pieringer. Große Banken oder Versicherungen investieren gerne in kommunale Infrastruktur und reichern dadurch ihr Portfolio mit einem eher konservativen, sicheren Wert an. „Wunsiedel spielt dank des KU Wun-Infra-struktur mit all ihren innovativen Energieprojekten nicht in der Liga einer 10 000-Einwohnerstadt, sondern in der Oberliga mit. Zehn Millionen Euro sind für die großen Finanzunternehmen eigentlich Peanuts, aber wir waren für sie offenbar sehr interessant“, sagt der Bürgermeister.

Krasser und Lahovnik sprechen nicht nur von einem Meilenstein für die Finanzlage, sondern von einer „Win-Win-Win-Situation“. Gewinner seien demnach die Stadt, die bei ihrer Haushaltsdauermisere endlich Licht am Ende des Tunnels sieht, das KU Infrastruktur, das Zinszahlungen spart, und die Bürger, denen die bessere Finanzlage langfristig zugute kommt.

„Noch gibt es aber reichlich Arbeit“, sagt Kämmerer Udo Kilgert. So müsse im Verwaltungshaushalt viel Geld eingespart werden. Gelingt dies, verlässt Wunsiedel womöglich schon bald die hinteren Ränge der bayerischen Kommunen, wenn es um die Schuldenbelastung geht. Das wäre dann wahrhaft eine epochale Entwicklung.

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