Wunsiedel Region für Atommüllager ungeeignet

Aus Sicht der Wissenschaft gibt es im Granit zu viele Klüfte. Allerdings liegt die Entscheidung über den Standort in den Händen der Politik.

 
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Ein Endlager für Atommüll ist nach Ansicht von Wissenschaftlern im Fichtelgebirge ungeeignet. Quelle: Unbekannt

Wunsiedel - Der Blick richtet sich in die Zukunft. Nicht auf kommendes Jahr, nicht auf das nächste Jahrzehnt. Für einen Zeitraum von einer Million Jahren sollen die Wissenschaftler und Ingenieure planen. So lange soll nach dem Willen der Bundesregierung der Atommüll aus den deutschen Kernkraftwerken sicher im Boden verwahrt bleiben. Mindestens.

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Nach wie vor ist auch das Fichtelgebirge bei der Suche nach einem Endlager im Gespräch. Ob die Entscheider die Region letztlich ernsthaft in Betracht ziehen, ist derzeit völlig offen. Nach Ansicht von Dr. Andreas Peterek, dem Leiter des Geoparks Bayern-Böhmen, und von Fachingenieur Thomas Röckel taugt der Granit im Fichtelgebirge nicht für die dauerhafte Aufnahme des Atommülls. Dies haben die beiden Experten am Freitag den Mitgliedern des Kreistags erläutert.

Die Suche nach einem Endlager ist kompliziert und in mehrere Stufen unterteilt. Im September hat die eigens gegründete Bundesgesellschaft für Endlagerung mit ihrer Arbeit begonnen und streicht in einem Ausschlussverfahren alle Gebiete, die von vornherein nicht infrage kommen. "Dabei handelt es sich um Regionen, in denen Bergbau betrieben wurde, die erdbebengefährdet sind, in denen Vulkanismus geherrscht hat oder deren Boden schlicht nicht die erforderliche Beschaffenheit hat", erklärte Peterek. Gebiete, in denen Granit, Ton oder Salzstöcke mindestens 300 Meter in die Erde reichen, bleiben im Rennen. Das Fichtelgebirge, gerne auch als granitenes Hufeisen bezeichnet, ist hier schon mal dabei. Der einstige Bergbau mit alten Stollen wie Christa bei Großwendern, Werra bei Weißenstadt oder Gleißinger Fels bei Fichtelberg, spielt wohl keine Rolle. Ausschlusskriterien erfüllen sie nicht - wegen ihres geringen Ausmaßes.

Interessanter wird es beim Vulkanismus. Vor 20 Millionen Jahren ist es in der Region im wahrsten Sinne des Wortes heiß hergegangen. Der Betrachtungszeitraum der Bundesgesellschaft für Endlagerung reicht allerdings nur eine Million Jahre zurück. Doch auch in dieser Zeit war zumindest der Eisenbühl bei Neualbenreuth aktiv. Erst seit einigen Jahren ist bekannt, dass sich der Vulkan vor rund 300 000 Jahren zum letzten Mal geregt hat.

Auch die Fränkische Linie muss laut Peterek bei der Suche nach einem Endlager betrachtet werden. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Verwerfungslinie, die die gesamte Erdkruste bis in eine Tiefe von über 30 Kilometer durchsetzt. Deren Auswirkungen seien noch etwa zehn Kilometer westlich von Marktredwitz zu spüren. "Da bleibt schon mal nicht mehr sehr viel Fläche für ein Atommüllendlager übrig", sagte Peterek. Er verglich die Region mit einem Laib Brot, der aufgeht und dessen Kruste oben bricht. "Und hier zirkuliert natürlich überall das Wasser in den unterirdischen Gesteinsschichten."

Insgesamt muss in einer Region für das Endlager ein "ungestörter" Boden auf einer Fläche von vier Quadratkilometer vorhanden sein. Ob es den im Fichtelgebirge gibt, ist fraglich. Dies zumindest ist die Ansicht von Thomas Röckel, einem Spezialisten für Felsmechanik und Tiefbohrungen. Unter anderem hat er die Bohrung für die Therme in Weißenstadt geplant und betreut. "Dabei handelt es sich um die bisher tiefste Granitbohrung in Deutschland." Es sei auch Thermen-Betreiber Stephan Gesell zu verdanken, dass die Daten über das Projekt der Wissenschaft zur Verfügung stehen. Wie Röckel sagte, ist der Bohrer in Weißenstadt bis in eine Tiefe von 1850 Meter in das Granitgestein eingedrungen. "Und wir haben überall eine starke Wasserführung festgestellt." Zur Untersuchung des Bohrloches haben die Ingenieure mehrere Verfahren angewandt. "Zum Teil gibt es Stellen, die sind wie Kies." Ein ähnlich brüchiger Granitboden ist laut Röckel bei Bohrungen für ein Geothermieprojekt in den 70er-Jahren bei Falkenberg festgestellt worden.

Für die Wissenschaftler steht fest, dass das Fichtelgebirge für ein Atommüll-Endlager absolut ungeeignet ist. "Und allein aus diesem Grund raten wir der Region dazu, sich dem Auswahlverfahren zu stellen. Wir haben im Grunde alle wissenschaftliche Daten, die in die Analyse eingehen werden. Aus unserer Sicht sprechen fast alle gegen ein Endlager", sagte Peterek.

Die beiden Experten glauben, dass das Fichtelgebirge schon nach der ersten Phase ausscheidet. Hier werten die Mitarbeiter der eigens gegründeten Bundesgesellschaft für Endlagerung ausschließlich vorhandene Daten aus. In Phase zwei gibt es Probebohrungen und in Phase drei, wenn nur noch zwei Standorte übrig bleiben, entscheiden die anhand von Versuchsbergwerken ermittelten Untersuchungen.

Unabhängig von der Ansicht der Wissenschaftler gibt Thomas Röckel zu bedenken, "dass es da auch noch die politischen Argumente geben wird". Letztlich werde die Politik entscheiden. "Und eben deshalb ist es sinnvoll, wenn sich das Fichtelgebirge einer wissenschaftlichen Untersuchung offensiv stellt." Denn wer sich verweigere, der werde womöglich trotzdem bis zum Ende als möglicher Standort im Topf bleiben.