Wunsiedel trauert Karl-Willi Beck gestorben

Nach langer schwerer Krankheit ist der Wunsiedler Altbürgermeister am Sonntag gestorben. Er wurde 68 Jahre alt.

 
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Nein, irgendwie kann man es nicht glauben. Dieser Mann, der in guten Tagen wie eine Urgewalt Menschen begeistern und mitreißen konnte und der selbst zuletzt im Rollstuhl sitzend noch immer Optimismus ausgestrahlt hat, soll gestorben sein?

Leider ist es traurige Gewissheit. Am Sonntag starb der Wunsiedler Altbürgermeister Karl-Willi Beck. Von 2002 bis 2020 war er Bürgermeister der „Festspiel- und Energiestadt“ Wunsiedel. Dieser von Beck geprägte Begriff hat längst weit über die Stadtgrenzen hinaus in den allgemeinen Sprachgebrauch Eingang gefunden. Der „Charly“, wie ihn seine engen Weggefährten liebevoll nannten, hat die Entwicklung Wunsiedels maßgeblich geprägt.

Noch vor wenigen Wochen, am 13. September, war Beck bei der Eröffnung der Wasserstoffproduktion im Energiepark anwesend. Im Gespräch mit unserer Zeitung sagte er, dass es für ihn eine riesige Freude und auch ein wenig Genugtuung sei, zu sehen, wie sehr sich der Weg, konsequent auf erneuerbare Energien zu setzen, als richtig erwiesen habe. „Es hätte auch anders kommen können. Aber ich habe immer unerschütterlich an den Erfolg geglaubt. Und wenn man so sehr überzeugt ist, dann gelingt es auch“, äußerte er in seinem wahrscheinlich letzten Interview. Es ist tröstlich, dass er trotz der schweren Krankheit, die ihn bereits in den letzten Jahren seiner Amtszeit ereilt hatte, noch sehen konnte, wie sehr er mit dem „Wunsiedler Weg der Energiezukunft“ recht behalten sollte. Genau dies bestätigte ihm an dem Tag übrigens auch Ministerpräsident Markus Söder. Es war eine bezeichnende Begegnung. Beinahe väterlich legte Beck seine Hand auf die des forschen Ministerpräsidenten und lächelte diesen in der Gewissheit an, dann doch auf das richtige Pferd gesetzt zu haben.

Eine einmalige Allianz

Kampf gegen Rechts

Beck als einen Visionär zu bezeichnen, ist nicht übertrieben. Vieles, für das er stand, war richtungsweisend für die Stadt. Gerade vor dem bevorstehenden Volkstrauertag mit dem unseligen Aufmarsch der Rechtsradikalen zeigt sich dies deutlich. „Hinschauen, nicht wegsehen“, pflegte er stets angesichts der Neonaziumtriebe zu sagen. Anfang des Jahrhunderts waren die Extremisten drauf und dran, Wunsiedel für sich zu vereinnahmen. Das ist den rechten Kräften gründlich missglückt. Auch und gerade wegen Beck, der eine seinerzeit einmalige Allianz aus Kommunalpolitik, Kirchen, Gewerkschaften und weiteren gesellschaftlichen Gruppierungen schmiedete, die Jahr für Jahr eindrucksvoll beweist, dass Wunsiedel bunt, nicht braun ist. Bayern-, ja bundesweit bekannt wurde der damals noch junge Kommunalpolitiker Beck, als er im August 2004 in der Jean-Paul-Straße vor der Fichtelgebirgshalle eine Sitzblockade anführte und damit den Marsch der Neonazis stoppte. Ein CSU-Bürgermeister, der sich auf die Straße setzt, zivilen Ungehorsam leistet und sich von Polizisten wegtragen lässt? Seinerzeit waren viele baff ob des unkonventionellen Stadtoberhauptes dieser kleinen, aber so bedeutsamen Stadt.

Schon zu Beginn eine Katastrophe

In fest gefügte Bahnen wollte sich Beck nie zwängen lassen. Bei ihm hatte Wunsiedel stets Vorrang. Ja er brannte wie kein anderer für die Stadt, wie etwa die künstlerische Leiterin der Luisenburg-Festspiele, Birgit Simmler, unserer Zeitung sagte. Für Wunsiedel wollte Beck stets das Beste, auch wenn er – und das gehört auch zur Wahrheit – bei den Finanzen übers Ziel hinausschoss und seine Amtszeit mit einer Rekordverschuldung beendete. Auf der anderen Seite sind in der Ära Beck enorme Sachwerte geschaffen worden.

Bereits kurz nach seinem Amtsantritt 2002 muss Beck miterleben, wie die Innenstadt nach heftigen Wolkenbrüchen unter Wasser seht. Wie er nach seinem Ausscheiden aus dem Amt erzählte, haben ihn die Gespräche mit den Bewohnern und Geschäftsleuten der Maximilianstraße, die von einem Tag auf den anderen buchstäblich vor dem Nichts standen, tief beeindruckt. Schnell beginnt er damals zusammen mit dem Stadtrat, zunächst den Betroffenen finanziell zu helfen und sogleich die sogenannte Hochwasserfreilegung zu konzipieren. Dank der viele Millionen teuren Investition gibt es heute in der Maximilianstraße oder am Alten Markt keine Überflutungen mehr. Auch dies eine weitsichtige Investition.

Schönster Beruf der Welt

„Bürgermeister – das ist der schönste Beruf der Welt.“ Dies sagte Beck häufig – und er meinte es so. Wunsiedel war für ihn eine Herzensangelegenheit, für die er all seine Kraft und Zeit aufwendete. Es klingt abgedroschen, aber bei dem Ehepaar Beck ist es tatsächlich so gewesen: Karl-Willis Ehefrau Ingrid hat ihrem Mann stets den Rücken für die Politik freigehalten. Und so packte Beck an, häufig bis weit nach Mitternacht, allein in seinem Büro im Rathaus sitzend. Unermüdlich trieb er zum Beispiel die Sanierung der Jean-Paul-Schule voran. Dank dieser genießen die Grund- und Mittelschüler heute beste Bedingungen für den Unterricht und für einen erfolgreichen Start ins weitere Schul- beziehungsweise Berufsleben. Oder aber die Luisenburg. Die Sanierung des Theaters war ein weiteres Herzensprojekt von Beck. Das architektonisch eindrucksvolle Schauspielhaus ist für das Kreativteam ein Traum. Viele Schauspieler kommen gerade wegen der Kombination aus Naturkulisse, hervorragenden Arbeitsmöglichkeiten und den anspruchsvollen Stücken seit Jahren immer wieder gerne nach Wunsiedel.

All die Leistungen Becks aufzuzählen, ist unmöglich. Eine der größten ist sicherlich, von Anfang an auf die Zusammenarbeit mit SWW-Chef Marco Krasser zu setzen. Beide bildeten 18 Jahre lang ein kongeniales Tandem. Krasser verfolgte von Anfang an die Strategie, Wunsiedel und das SWW-Gebiet dezentral aus regenerativen Quellen zu versorgen – eine Idee, von der Beck hundertprozentig überzeugt war. Während der SWW-Chef die technischen Lösungen konzipierte, setzte der Rathaus-Chef diese politisch durch. Obwohl anfangs belächelt, ließ sich Beck nie von dem Kurs abbringen. Von der Leistung der beiden werden noch Generationen von Wunsiedlern profitieren – und nicht nur die. Ohne den Wunsiedler Weg wäre das von Ministerpräsident Söder versprochene Future-Energy-Lab nicht denkbar, in dem Wissenschaftler forschen und andere Kommunen beraten sollen. Dass der Altbürgermeister vor Kurzem mit der Inbetriebnahme des größten Elektrolyseurs zur Wasserstoffproduktion in Bayern erleben konnte, wie jetzt die Ernte seiner und Krassers Vision eingefahren wird, ist tröstlich. Bei diesem Termin vor wenigen Wochen sagte er in dem Gespräch mit unserer Zeitung hinter vorgehaltener Hand und mit einem verschmitzten Lächeln, dass es schon schön wäre, wenn sich auch auf so manchem Hügel des Fichtelgebirges ein Windrad drehen würde. Viel gäbe es noch aufzuzählen, was Beck zunächst „in der Pipeline“ hatte und später verwirklichte. Unter anderem das Mehrgenerationenhaus, der Bahnhofspark und der neu gestaltete Katharinenberg tragen Becks Handschrift.

Auch beim Feiern ein Großer

Immer fair im Umgang

Trotz seiner beinahe extremen Leidenschaft für die Arbeit ist Beck immer ein Mensch geblieben, der zwischen Dienst und Privatleben unterscheiden konnte. Und zu feiern verstand! Unvergessen sein Fest zum 60. Geburtstag in Sinatengrün. „Charlys Leute“ von seinem Lieblingsinterpreten Peter Maffay dröhnte aus dem Lautsprecher. „Da kommen sie, das sind Charlys Leute. Und sie kommen heute endlich wieder in die Stadt. Hey, aufgepasst, das sind Charlys Leute. Und bei uns ist heute wieder einmal schwer was los.“ Dieser Songtext ist dem anderen Beck, dem leidenschaftlichen Lebensliebhaber, auf den Leib geschrieben gewesen. Erst vor wenigen Wochen erzählte ein politischer Widersacher Becks, wie oft und heftig er im Gremium mit Beck gestritten habe. „Aber eines war ebenso klar: Uns ging es um die Sache. Wir konnten genausogut miteinander ein Bier trinken und uns prima unterhalten.“

Zuletzt ahnte Beck, dass er nicht mehr viel Zeit haben würde. In den wenigen öffentlichen Auftritten ließ er sich nichts anmerken. Einmal sagte er, dass er alles geordnet habe und mit sich im Reinen sei. Ihm bleibe nichts anderes übrig, als jeden Tag so zu nehmen, wie er komme. Leider waren ihm nur noch wenige wirklich gute Tage vergönnt.

Als dann am Montagmorgen die Nachricht von seinem Tod eintrifft, macht sie tief betroffen. Beck hat in seinem Leben Bleibendes geleistet. Wunsiedel und die Region haben ihm viel zu verdanken. Die Menschen, die ihn näher kannten, die werden den Charly nie vergessen. Vielleicht summen sie manchmal im Gedanken an Karl-Willi Beck die Maffay-Melodie und singen ganz leise: „Ja, wir sind Charlys Leute.“

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