Wunsiedler Jean-Paul-Tage 2022 Heimische Prominenz liest Jean Paul

„Gianozzo“ hat der Bayreuther Künstler Stephan Klenner-Otto in der Farbradierung dargestellt und stellt sie dem Bürgerforum Wunsiedel und dem Kultur- und Kunstverein Tröstau kostenlos als Plakat zur Verfügung. Foto:  

Zum Geburtstag des Dichters wird in sechs Lesungen ein eher unbekanntes Werk präsentiert. Aber auch kulinarisch bieten die Veranstalter einiges auf.

 
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Nach dem großen Jean-Paul-Jahr 2013, als der gesamte deutsche Sprachraum den 250. Geburtstag des wohl bekannteste Wunsiedlers gefeiert hat, ist es wieder still um den „unlesbaren Klassiker“ geworden. Zu still gerade in der Heimatstadt, nach Meinung von German Schlaug vom Bürgerforum Wunsiedel und Wolfgang Hermann vom Kunst- und Kulturverein Tröstau. Den Geburtstag des Schriftstellers am 21. März nehmen die beiden Organisatoren daher zum Anlass, die Wunsiedler Jean-Paul-Tage 2022 von Freitag, 18. März, bis Sonntag, 27. März, auszurufen. Die Idee dazu hat der Tröstauer Hermann aus Hessen mitgebracht; dort ist der Ursprung der Kampagne „Eine Stadt liest ein Buch“.

Und das Motto dieser Tage ist: „Wunsiedel liest ein Buch“ von 1801. Und zwar „Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch“, das der ehemalige Lateinlehrer am Luisenburg-Gymnasium (Lugy) Andreas Henkel in ein für sechs Lesungen geeignetes Format gebracht hat. „Das hat er großartig gemacht und an den richtigen Stellen gekürzt“, weiß Schlaug seine Vorfreude kaum zu verhehlen . „Wohl das schwärzeste Buch Jean Pauls, ganz ohne billigen Trost“, schreiben die Veranstalter in ihrer Ankündigung. Darin schickt der Dichter seinen Luftfahrer auf 14 Ballonfahrten. Der Traum sich in die Lüfte zu erheben und über alle Grenzen hinwegzufliegen, ist im Zeitalter Jean Pauls realisierbar geworden. Seit 1783 steigen Heißluft- und Wasserstoffballone auf, auch schon zur militärischen Aufklärung. Für Jean Paul ist der Ballon vor allem ein neuartiges Seh-Medium. Mit seinen Flugbildern schafft er ein imaginäres Kinoerlebnis in den Köpfen der Leser.

Giannozzo (der Name verweist auf das Dichter-Ich „Jean“) schaut von seinem Fluggerät gebannt herab auf das Treiben der Zeitgenossen. Mehrfach steht Giannozzo über Schlachtfeldern, und verzweifelte. Wut und Menschenhass übermannen ihn.„Bloß zur Lust leb ich hier oben und aus Ekel am unten!“, lässt Jean Paul seinen Protagonisten Giannozzo sagen. „Wer will, kann Bezüge zu aktuellen Ereignissen herstellen“, sagt Schlaug. Denn die Welt habe seit den Napoleonischen Kriegen nicht dazugelernt, verweist der ehemalige Kunstlehrer auf den Krieg in der Ukraine.

Prominente Lesepaten

Und als Lesepaten haben die Organisatoren Prominenz aus Politik und öffentlichem Leben gewonnen. Zunächst wandten sich Hermann und Schlaug, die sich dem Dichter der „kleinen lichten Stadt“, bereits seit Jahren widmen, an Landrat Peter Berek. Der sagte spontan zu und fungiert wie Wunsiedels Bürgermeister Nicolas Lahovnik als Schirmherr der Lean-Paul-Tage. Entsprechend startet das Programm am Freitag, 18. März, um 16 Uhr im Sitzungssaal des Landratsamtes mit der ersten Lesung. „Das Luftschiff steigt auf“ ist diese überschrieben und wird von Landrat Berek höchst selbst dargebracht. Milena Reichel am Klavier spielt Robert Schumanns „Papillons“ und in einer Welturaufführung lässt Wolfgang Hermann Gustav Mahler auf Jean Paul treffen. Eine historische Rückschau hält Andreas Henkel und Beate Roth serviert mit „Hoppelpoppel und Schnepfendreck“ Leckerbissen aus Jean Pauls Romanen.

159. Geburtstag

Den 159. Geburtstag des Dichters feiern Bürgermeister Lahovnik, Mitglieder des Stadtrates, des Dekanats und der Kantorei sowie Schüler des Luisenburg-Gymnasiums ab 11 Uhr beim Denkmal an der Stadtkirche St. Veit mit einem Geburtstagsständchen für Johann Paul Friedrich Richter, wie Jean Paul mit bürgerlichem Namen hieß. Anschließend folgt in der Gaststätte Zoiglmoos die zweite Lesung „Im Duodezfürstentum Vierreuter“, danach wird das Leibgericht Jean Pauls, die „Erpfl-Suppm“, serviert. Von 14 bis 18 Uhr führt Altlandrat Dr. Peter Seißer jeweils zur vollen Stunde durch das Geburtszimmer Jean Pauls.

Am Abend dann ein weiterer Höhepunkt: „Wie versprochen öffne ich zu den Jean-Paul-Tagen die ,Ewige Baustelle’“, sagt Inhaber German Schlaug. Zwar habe er noch keinen Pächter und die Renovierungsarbeiten seien nach wie vor in Anlehnung an den Namen der Kneipe nicht abgeschlossen. Aber einige Helfer würden dafür sorgen, dass zumindest in der Bar im oberen Teil Bier mit Preisen wie vor 22 Jahren ausgeschenkt wird.

Lesung im Wintergarten

Die dritte Lesung mit den Fahrten Drei, Vier und Fünf geht am Donnerstag, 24. März, um 19 Uhr im Wintergarten der „Ewigen Baustelle“ über die Bühne, ebenso wie die fünfte Lesung mit den Fahrten Neun bis Zwölf am Samstag, 26. März, ebenfalls um 19 Uhr.

Ein Coup mit drei besonderen Lesepaten ist den Veranstaltern am Freitag, 25. März ab 18 Uhr in der Stadtbibliothek gelungen. Mit Tabea Stephanie Amtmann (Selb), Stefan Niedermeier (Marktredwitz) und Joachim Zembsch zeichnen die Schulleiter der drei Gymnasien im Landkreis für den Vortrag der Fahrten sechs bis acht verantwortlich. Am Abend bringen dann Micha und Johannes Burger mit Dudelsack, Teufelsgeige und Gesang den Dichter in die Wunsiedler Kneipen.

Den Abschluss bildet am Sonntag, 27. März, um 11 Uhr eine Matinee in den Räumen der Jugend-Kunstschule (Juku) in der Brandenburggasse 1 mit der sechsten Lesung, in der die 13. und 14. Fahrt sowie der Absturz Thema sind. Plakate und Flyer werden in den nächsten Tagen auf die Veranstaltungen hinweisen, bei denen noch viele Überraschungen und weitere Vorleser auf möglichst viel Gehör hoffen.

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