Wertkonservativer Christ
Die Zeit von der Gründung des Kaiserreichs bis zum Ersten Weltkrieg war eine vor allem von glühendem, auch fanatischem Nationalismus geprägte Epoche. Konrad Brütting, seit 1909 als Volksschullehrer und Kantor in Marktredwitz tätig, musste 1914 in den Krieg ziehen, aus dem er mit 34 Jahren zurückkehrte. Wie stand er dazu? Michael Grünwald schätzt ihn als einen „wertkonservativen Christen“ ein, der an die Monarchie glaubte. „Als Sozialdemokrat oder Kommunist wäre er gar nicht als Lehrer angestellt worden.“ Das Ende der Monarchie 1918 habe jedoch auch bedeutet, dass die evangelische Kirche plötzlich kein Oberhaupt mehr hatte, erläuterte Grünwald. „Die Demokratie erforderte ein gewaltiges Umdenken: Die Menschen waren nicht darauf vorbereitet, eine eigene Meinung zu haben oder politische Parteien zu wählen.“ Auch die Trennung von Staat und Kirche sei gewöhnungsbedürftig gewesen. Konrad Brütting nahm den Schuldienst wieder auf, ebenso den Kantorendienst. „Ein Lehrer“, schreibt er in sein Oktavheft, „ist auch Musiker und gehört an die Orgel.“ Selbstverständlich schien das nicht gewesen zu sein: In manchen Gemeinden gab es plötzlich keine Kantoren mehr; auch deshalb, so Grünwald, sei in Bayreuth die erste private Organistenschule Bayerns gegründet worden.