Den Namen des Windelträgers der Größe 0 habe ich schon wieder vergessen. Irgendetwas Exotisches, glaube ich. Da müsste ich noch einmal nachschauen. Ein Steckbrief mit Foto, Name, Gewicht, Größe und Geburtsdatum von ihm ist auf eine Karte gedruckt, die seine Mutter neulich in unseren Briefkasten steckte, nachdem wir ein kleines Willkommensgeschenk über die Straße gereicht hatten. Ich freue mich über das Dankeschön. Momentan steht die Karte auf unserem Klavier. Irgendwann, spätestens wenn die nächste ins Haus flattert oder der Klavierdeckel unter einem Wust von Papieren verschwindet, wird sie wohl in der Schublade unserer Esszimmerkommode landen, wo ich die anderen sammle: Dankeskarten von Kommunionkindern, Abc-Schützen und frisch gebackenen Eltern. Die meisten mit Fotos und selbst gestaltet. Ich bin mir sicher: Inzwischen haben einige dieser abgebildeten Dreikäsehochs Schuhgröße 46 und einen Bart. Andere hingegen tragen wahrscheinlich Bauchnabel-Piercings und Jeans, die hauptsächlich aus Löchern bestehen. Eigentlich müsste ich mich längst einmal ans Aussortieren machen. Tue ich aber nicht. Schuld daran ist meine Freundin. Seit elf Jahren hängt an der Pinnwand in ihrer Küche das Baby-Konterfei meiner Ältesten. Gleich daneben prangt die Geburtsanzeige meiner Jüngsten. Immer wenn mein Blick auf diese zwei bereits ziemlich lädierten Karten fällt, erinnere ich mich an die ersten Wochen mit dem neuen Familienmitglied. An den Stolz und die Dankbarkeit, das alles gut geklappt hat. Und mir wird klar, was ich für ein Glück habe, dass es Menschen gibt, die das alles mit uns teilten. Und die uns heute, nach so vielen Jahren, immer noch einen Platz in ihrem Leben einräumen. Nein, ich werde auch in Zukunft unsere Schublade nicht ausmisten. Zumindest solange nicht, bis unser jüngster Nachbar in die Schule kommt. Und dann bekomme ich ja hoffentlich eine neue Karte von ihm.