Eigener Inhalt Schauen ist Silber ...

Wolfgang Plank
 Quelle: Unbekannt

Südkorea wird ein Gipfel für Sessel-Olympioniken. Dummerweise macht Sport, den andere treiben, nicht fit.

 
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Pyeongchang wird ein Fest. Ganz sicher. Auf alle Fälle eines des Wintersports. Außerhalb der Stadien, Bahnen und Loipen – wer weiß? Aber um das Drumherum zu sehen, setzt sich ja nicht die halbe Welt vor den Bildschirm. Für die Wettkämpfe hingegen sehr wohl. Und genau deshalb wird Südkorea selbstverständlich auch ein Gipfel für Sessel-Olympioniken. Gute zwei Wochen lang wird das ab kommendem Samstag so gehen: Sitzen und schauen. Riesenslalom, Biathlon, Eishockey, Skispringen, Rodeln und, und, und. Es kommt richtig dicke.

Alles in allem warten 102 Wettbewerbe in 15 Disziplinen. Vom taktischen Eis-Krimi Curling – diesmal allerdings ohne jedes deutsche Team, keine Frauen, keine Männer – bis zum kräftezehrenden Langlauf der Damen über 30 Kilometer. Was drüben jede Menge sportlichen Einsatz fordert – und hüben einen gehörigen Kampf gegen den Schlaf. Das volle Programm läuft nämlich meistens erst so ab zwei Uhr in der Früh. Weil sie in "Frieden und Gedeihen", wie der Landstrich inmitten der koreanischen Halbinsel heißt, uns halt mal acht Stunden voraus sind.

Glaubt man diversen Umfragen, schreckt das die Masse der TV-Zuschauer nicht. Bis zu 40 Prozent der Deutschen werden wegen der Spiele wohl auch unter der Woche vor der Glotze hocken. Die meisten sogar mehrere Stunden. Egal, wie unausgeschlafen man hinterher ist …

Neben zu wenig Schlaf hat die Sache noch einen ganz anderen Haken. Bedauerlicherweise macht Sport, den andere treiben, kein bisschen schlank und fit. Auch nicht, wenn man sich dabei womöglich die Seele aus dem Leib schreit. Vor allem aber nicht, wenn man parallel zum olympischen Programm zu Hause in den Disziplinen Ausdauer-Knabbern und Getränke-Mehrkampf antritt. Klüger wäre, das Spektakel mal nicht nur sportlich zu sehen, sondern auch zu nehmen. Also wenigstens ab und an mal Glotze aus, raus aus dem bequemen Sessel und los. Und wenn’s irgendwie geht, nicht nur für die Dauer der Spiele.

Zwar winkt abseits von Pyeongchang kein Medaillenruhm – dafür aber Stolz. Das erhabene Gefühl, mit eigener Kraft Herausforderndes geschafft zu haben. Vielleicht mit viel Überwindung, ganz sicher mit jeder Menge Schweiß und womöglich unter Atemnot – aber am Ende eben geschafft. Zu spüren, wie einen irgendwann der sportliche Ehrgeiz packt. Oder die heimliche Freude, sich erst in kleinen und dann immer größeren Schritten einem Ziel zu nähern, das heute noch unerreichbar scheint: eine halbe Stunde Langlauf am Stück, die Fahrt im Tiefschnee, die ausgedehnte Winterwanderung – oder die morgendliche Jogging-Runde.Was ist gegen diesen Adrenalin-Schub schon ein Vierfach-Lutz in Zeitlupe?

Dabei hätte unsereins einen entscheidenden Vorteil: Anders als Olympioniken haben wir als Gegner auf dem Weg zum Triumph doch nur uns selbst. Genauer: unsere Ausreden. Der Kampf gegen die mag zwar hart sein – zu gewinnen ist er aber nun wirklich.

"Keine Zeit" zählt schon mal nicht. Wir nehmen sie uns ja auch für andere Dinge. Übrigens kann man mit Blick auf die Mattscheibe Skigymnastik machen, im Hometrainer strampeln oder, so schon fortgeschritten, auf die Rolle gehen, auf der das Rennrad überwintert. "Zu abgespannt" ist ebenfalls nur ein Vorwand. Sobald der Körper in Bewegung kommt, verschwindet die Müdigkeit. Und wer nach der Arbeit tatsächlich zu erschöpft ist, legt sein Sportprogramm halt auf den Morgen oder die Wochenenden.

"Es nieselt" ist die schlechteste Ausrede überhaupt. Nur Weicheier kneifen bei miesem Wetter. Alle anderen haben ordentliche Kleidung. Und wenn nicht – bleiben Laufband, Ergometer, Stepper oder Rudergerät. Steht alles unter Dach. Und "zu anstrengend" geht erst recht nicht. Lieber ab und zu ein kleines bisschen Sport treiben als
dauerhaft gar keinen.