Eigener Inhalt Die Ananas wurde vom Thron gestoßen

Keine Sorge, die hier piksen garantiert nicht: Warum ein Kaktus derzeit nirgends fehlen sollte, man aber im Notfall nicht auf ihn setzen kann

 
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Vergessen Sie die Ananas. Einige Jahre lang hat die tropische Frucht zwar als Modeprint oder Dekostück die Szene-Magazine gefüllt. Seit der vorigen Sommersaison jedoch haben Kenner nur noch ein müdes Lächeln für sie übrig. Die Ananas wurde vom Thron gestoßen. Und zwar von einem Gewächs, das lange Zeit als Inbegriff deutscher Spießigkeit galt: dem Kaktus.

Spätestens seit der Konsumgütermesse Ambiente Mitte Februar in Frankfurt am Main ist klar, dass man an Kakteen in der nächsten Zeit nicht mehr vorbei kommen wird. Allerdings nicht nur in Gestalt widerstandsfähiger Wüstenpflanzen, die auf dem Fensterbrett einen Platz finden. Es gibt Kakteen als Porzellanfiguren, Vasen in Kakteenform, fotorealistische Kakteen-Drucke auf Kissen und Tapeten oder sogar Kakteen-Leuchten. Und auch die Modemacher setzen auf Stacheln und verpassen Shirts und Co. einen Kaktus-Print.

Die neue erwachte Kakteen-Liebe erwächst dabei aus einem noch größeren Trend: dem Comeback der Grünpflanzen. 107 Euro gibt jeder Deutsche im Durchschnitt jährlich für Blumen und Zierpflanzen aus. Das entspricht einem Umsatzzuwachs der Branche von zwei Prozent auf 8,7 Milliarden Euro jährlich. Besonders gefragt sind neben Kräutern und Gehölzen dabei auch wieder Zimmerpflanzen.

Mit einem Mythos muss an dieser Stelle jedoch noch aufgeräumt werden: Wer meint, so ein Kaktus könnte im Notfall auch zum Durstlöscher werden, hat zu viele Westernfilme geschaut. Dass man in seinem Inneren kühles Nass findet, gehört nämlich ins Reich der Legenden. Außer einem dickflüssigen Gel, das an Duschgel erinnert und nicht verzehrt werden darf, hat ein aufgeschnittener Kaktus nichts zu bieten.

So! ist das also:
Vermutlich war es Christoph Columbus, der die ersten Kakteen mit nach Europa brachte. Bis die Pflanze auch in der Alten Welt kultiviert werden konnte, dauerte es allerdings noch bis ins 17. Jahrhundert. Brauchte sie doch Orangerien und Gewächshäuser zum Gedeihen. Sammler und Expeditionsteilnehmer führten im 19. Jahrhundert weitere Exemplare ein. Bei der legendären Weltausstellung 1889 in Paris wurde der Greisenhaupt-Kaktus zum Star und erregte ähnlich viel Aufsehen wie der neu erbaute Eiffelturm. Die in Mexiko beheimatete Pflanze wurde daraufhin so exzessiv gesammelt, dass die mexikanische Regierung die Ausfuhr verbieten musste.

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