Eigener Inhalt Ab durch die Mitte . . .

Wolfgang Plank
 Quelle: Unbekannt

Vielleicht ist die Idee mit dem autonomen Fahren ja doch keine so ganz schlechte. Ganz sicher wird es für Gernlenker in absehbarer Zukunft deutlich langweiliger - andererseits wären dank kluger Technik dann all die Typen verschwunden, die man auf der Autobahn so gar nicht antreffen möchte. Raser zum Beispiel, Drängler oder gar Geisterfahrer. Die Autos würden es einfach nicht mehr zulassen.

 
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Vor allem aber würde eine Spezies ganz schnell verschwinden. Eine, die in Ärger-Umfragen ganz weit vorne rangiert – die das Auge des Gesetzes aber nur allzu selten in den Blick nimmt: notorische Mittelspur-Fahrer. Anzutreffen ganzjährig, In Rudeln jedoch zur Ferienzeit. Ihr Urlaubs-Motto: Immer mit der Ruhe und bloß nicht wechseln.

Schon zu normalen Zeiten kann einem derlei Zentralismus den Puls an den roten Bereich treiben, auf der Fahrt in die Ferien sogar noch weiter. Um wie viel entspannter und schneller käme man voran. Denn weil rechts nicht überholt werden darf, machen sie eine dreispurige Autobahn faktisch einspurig. Der Verkehr daneben und dahinter drängt notgedrungen auf die linke Spur. Damit steigt die Gefahr für Staus und Unfälle.

Dabei ist in Deutschland das Gebot rechts zu fahren, gesetzlich verankert. Und weil es von so herausragender Bedeutung ist, ziemlich weit vorne: Gleich in Paragraph zwei der Straßenverkehrsordnung. Und demjenigen, der ohne Überhol-Absicht links oder mittig fährt und dadurch schnellere Autofahrer behindert, droht sogar ein Bußgeld von 80 Euro. Nur hat man nie davon gehört, dass derlei Bescheide nur annähernd so oft verschickt würden wie solche für Tempoverstöße oder mangelnden Abstand.

Zudem scheinen Mittelspur-Fahrer vom allgemeinen Verkehrs-Gebot ausgenommen, Rücksicht gegenüber Anderen walten zu lassen. Den weitgehenden Freibrief für diesen Egoismus liefert ausgerechnet ebenfalls die Straßenverkehrsordnung. Eine typisch bürokratendeutsche Gummi-Klausel erlaubt das durchgängige Befahren der mittleren Spur unter der Voraussetzung, dass rechts zumindest "hin und wieder" ein Fahrzeug fährt. Schönen Dank auch, möchte man da verzweifelt rufen. Als ob "hin und wieder" nicht immer ein Fahrzeug fahren würde.

Gegen derlei Wolkiges ist die aktuelle Rechtsprechung fast schon präzise. Könne ein Fahrer absehen, dass er schon bald den nächsten Wagen überhole, so die gängige Auffassung, dürfe er auf der mittleren Fahrbahn bleiben. Im Klartext bedeutet das Zweierlei: Man muss nicht umgehend in jede Lücke einscheren, die sich bietet (weiß jeder). Aber eben auch: Wer ein Auto überholen will, das gerade erst am Horizont auftaucht, hat auf der mittleren Spur noch nichts verloren (will keiner je gehört haben).

Leider genießt die Mitte großen Rückhalt bei der Justiz. Autofahrer seien zum Einscheren auf die rechte Spur verpflichtet, wenn sie dort 20 Sekunden mit gleichem Tempo weiterfahren können, entschied einst das Oberlandesgericht Celle. Das aber, konkretisierte das Oberlandesgericht Düsseldorf 1989, gelte nur für Straßen mit zwei Spuren je Fahrtrichtung. Für dreispurige Straßen indes sei "die Dauer des möglichen Weiterfahrens mit gleicher Geschwindigkeit (...) erheblich größer zu bemessen".

Die Versuchung, Mittelspur-Schleicher rechts zu überholen, ist groß. Die Tat indes verboten. Es sei denn, es hätten sich Schlangen gebildet und man wäre maximal mit Tempo 60 unterwegs. Eine Ausnahme gilt, wenn sich Autobahnen bei einem Kreuz teilen. Dort ist das Überholen, das dann ja ein Vorbeifahren ist, auch auf der rechten Spur erlaubt.

Wer aber sind all die Menschen, die so gerne, vor allem aber hartnäckig in der Mitte weilen? Stark unter Verdacht: betagte Sonntagsfahrer mit Hut. Unsicher – und daher mit größtmöglicher Distanz zu Leitplanke wie Bankett unterwegs, den Tempomaten auf 129 arretiert. Kann im Einzelfall stimmen, allerdings haben Verkehrspsychologen haben einen viel einfacheren Beweggrund ausgemacht: Bequemlichkeit. Wer mehrere Spuren nutzt, muss bremsen, blinken, den Kopf wenden, und in diverse Spiegel schauen. Wer zentriert bleibt, ist schneller unterwegs als alle Lkw, ohne schnell fahren zu müssen. Und es reicht der sture Blick nach vorne.

Doch die Einstellung "Den anderen bleibt ja noch eine Spur" ist vor allem eines: blanker Egoismus. "Mittelspur-Fahrern fehle das Gesamtverständnis für das System Verkehr, weiß ADAC-Psychologe Ullrich Chiellino. "Dass sie im Prinzip zwei Spuren blockieren, begreifen die Meisten gar nicht."

Da hilft dann wirklich nur noch Gelassenheit…