Eigener Inhalt Alfa-Strahl

Wolfgang Plank

"Spiel nicht mit dem Feuer", haben sie schon bei der Giulia Quadrifoglio geraten. Und dass man sich nicht in eine Italienerin verlieben solle. Dabei wissen sie bei Alfa Romeo nur zu genau, dass Warnungen dieser Art schon deswegen in den Wind geschlagen werden, weil jemand sie ausspricht. Um standhaft zu bleiben, pocht Giulias großes Herz einfach zu heftig. Gewaltige 510 PS liefert der variabel geladene 2,9-Liter-V6. Oder einfacher gesagt: Vortrieb immer und überall.

 
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Nun befeuert dieses Triebwerk auch Gehobenes. Mehr als 100 Jahre war Straße ausschließliches Terrain, dann gaben sie in Turin dem Trend zum SUV nach und nahmen den Stelvio ins Programm. Dank seiner ist nicht mehr Schluss mit Alfa, wo der Asphalt endet. Nun geht im Zeichen des Scudetto auch Schotter – wenngleich der Name eher eine Hommage ans Gegenteil ist: das Stilfser Joch. Mit knapp 2800 Metern höchster Pass Italiens: 48 Kehren von Prad im Vinschgau bis hoch zum Sattel – und noch einmal 40 hinunter nach Bormio. Eine einzigartige Strecke, bei der nicht nur Alfisti feuchte Augen bekommen.

Als "Quadrifoglio" wird der Stelvio so etwas wie der ultimative Steil-Pass in die Spitze. Weil er nun noch mehr zuallererst ein Alfa ist und erst danach ein SUV. Stolzer Träger des traditionellen Kleeblattes, das seit den 1960er-Jahren die besonders Sportlichen der Marke ziert. Und er hat sich des Gütesiegels bereits als würdig erwiesen. Mit 7.51,7 Minuten umrundete er die 20,8 Kilometer lange Nürburgring-Nordschleife schneller
als jedes andere SUV zuvor. Selbst die leichtfüßige Giulia war da nur knapp 20 Sekunden schneller.

Die Zeit kommt nicht von ungefähr. In nur 3,9 Sekunden schafft es der Top-Stelvio auf Landstraßen-Tempo, weiter bis 283 – und dank bissiger und vor allem standfester Bremsen auch schnell wieder zurück. Doch Freude am Flottfahren kommt nicht allein aus Kraft. Sie ist zuvörderst eine Frage der Abstimmung. Und da ist den Italienern Meisterliches gelungen. Klug gewählter Radstand, nahezu ideal verteilte Masse und ein Fahrwerk, das sich bis hart an die Kompromisslosigkeit trimmen lässt, bescheren dem 4,70 Meter langen Geländegänger eine beeindruckende Balance.

Alles auch eine Frage des Gewichts. Für Motorhaube, Heckklappe, Türen, Kotflügel und Teile der Radaufhängung verwendet Alfa Romeo nicht ohne Grund Aluminium, für die Kardanwelle Kohlefaser. Unterm Strich steht trotz 1,9 Tonnen purer Lenkrad-Spaß. Besonders dann, wenn man die stabilisierende Elektronik stufenweise zurückdrängt. Ganz nebenbei lässt der Stelvio dann auch deutlich sonoriger von sich hören.

Gepaart ist das Ganze mit hecklastigem Allradantrieb, Sperrdifferenzial, präziser Lenkung und einer Automatik, die für jede ihrer acht Stufen nur 150 Millisekunden Wechselzeit braucht. So sportlich kann SUV sein. Allerdings verlangt die Drachenschlange auch nach Gefühl im Gasfuß und einem gerüttelt Maß an Disziplin.

Natürlich darf man getrost nach dem Sinn fragen, einem Gefährt erst die Federbeine langzuziehen, um das so gewonnene SUV dann sportlich tiefer zu legen. Aber es sind nun mal in den seltensten Fällen vernünftige Autos, die auch das eigene Herz ein wenig höher schlagen lassen.

Immerhin: Im auch verfügbaren Spar-Modus legt der Stelvio eine seiner beiden Zylinder-Bänke vorübergehend still. Da kommt man dann wenigstens in die Nähe der neun Liter, die unter Verbrauch im Datenblatt stehen. Im Alltag aber wird es eher nichts mit einstelligen Werten. Zumal man schon mit der Gelassenheit eines piemontesischen Weinbauern gesegnet sein muss, um das in Maranello gebaute Triebwerk nicht wenigstens ab und an Richtung roten Bereich zu drehen.

Selbstverständlich kann der Stelvio auch als Quadrifoglio Spur und Abstand halten, in den toten Winkel äugen und für Fußgänger bremsen – autonomes Dahingleiten allerdings sollte man nicht erwarten. Dazu sitzen die Alfa-Ingenieure in Gedanken dann doch zu sehr auf der Fahrerseite. Was wirklich zählt, sind andere Extras. Sportsitze mit Kohlefaser-Rahmen zum Beispiel – oder Bremsscheiben aus Keramik.

So weit indes müssen die Meisten gar nicht blättern. Angesichts eines Preises von mindestens 89 000 Euro wird der Kleeblatt-Stelvio wohl auch aus finanzieller Sicht ein Traumwagen bleiben. Dabei gäbe es das schickste Detail sogar ohne Aufpreis – einen Startknopf direkt im Lenkrad. Wer da nicht mit dem Feuer spielen will, dem ist vermutlich nicht mehr zu helfen…