Eigener Inhalt Die Hütchenspieler

Wolfgang Plank

Es ist eine Weile her, da man mit gewisser Berechtigung glauben durfte, beim Thema Auto gehe es hierzulande halbwegs mit rechten Dingen zu. Und einigermaßen mit Sinn und Verstand. Spätestens nach diversen Diesel-Gipfeln steht fest: Das Hütchenspiel hat endgültig den Rang der Staatsräson erreicht.

 
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Beinahe zehn Jahre schon existieren Grenzwerte für giftige Stickoxide. Und exakt ebenso lange werden sie in schöner Regelmäßigkeit überschritten. Interessiert hat das niemanden. Am allerwenigsten die Kanzlerin, die sich so gerne als eine des Klimas gibt. Es bedurfte schon eines Eiferers, der einem umstrittenen Abmahnverein vorsitzt, um Angela Merkel an ihre Pflicht zu erinnern, Schaden von den Lungen des deutschen Volkes zu wenden.

Noch immer ist der Diesel atemberaubend: ob seiner Leistung – und leider auch des Drecks, den er außerhalb des Prüfstandes ausstößt. Dass er das tut, hat seine Ursache in einer mindestens unheiligen Allianz aus Autobauern und politischem Spitzenpersonal, in der die einen über Jahre klug getrickst oder dreist betrogen haben und die anderen sich standhaft weigerten, auch nur ansatzweise ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen.

Statt aber wenigstens künftig die Motoren der Hersteller penibel zu kontrollieren, haben sie in Berlin beschlossen, dem Hochverdichter per Handauflegen beikommen. Mit ein paar Mausklicks und etwas Hokuspokus wird aus dem dreckigen Motor ein fast ganz sauberer. Kein Mehrverbauch, keine Minderleistung, schon gar keine kürzere Lebensdauer. Wenn das der Rudolf selig noch erlebt hätte.

Merkwürdig an der Sache ist allerdings, dass derlei niemandem eingefallen ist, bevor all die hinterlistigen Abschalteinrichtungen ersonnen wurden. Und nur, weil plötzlich Fahrverbote drohen, soll ein nebulöses Update die Rettung bringen? Womöglich glauben sie im Kanzlerinamt auch, dass man unsichtbar wird, wenn man ganz fest die Augen zudrückt.

Ein kleines bisschen Hoffnung auf rechtsstaatliche Vernunft besteht indes noch. Weil über Schlagbäume an den Zufahrten luftbelasteter Städte eben gerade keine Koalitionen befinden, noch nicht mal große, sondern unabhängige Gerichte. Und wo, wenn nicht dort, ist das Personal daran gewöhnt, allerlei Mumpitz vorgegaukelt zu bekommen. Könnte sein, unter den karmesinroten Roben zu Leipzig gewichtet man die Gesundheit der Menschen schwerer als auskömmliche Renditen der Autobauer.

In ihrer Not versucht es die geschäftsführende Regierung noch mit Geld. Eine Milliarde sollen die Kommunen bekommen. Für E-Busse, Radwege und derlei mehr. Bezahlt aus den Steuern auch derjenigen Autokäufer, die zuvor von den Herstellern millionenfach hinter die Fichte geführt wurden. Übrigens: Allein Daimler, VW und BMW haben im vergangenen Jahr fast 23 Milliarden Euro an Gewinnen eingefahren.

Ob allerdings die zugesagten 250 Millionen Euro der Hersteller fließen, ist mehr als offen. Ein Sprecher des französischen Autobauers Renault hat schon mal erklärt, der geplante Fonds sei aus Sicht des Unternehmens eine nationale Maßnahme. Es sei nicht Aufgabe eines Importeurs, sich an nationalen Förderprogrammen zur Infrastruktur zu beteiligen.

Sogar die Digitalisierung von Verkehrssystemen wird von der Politiok als Wunderwerk angepriesen. Als müsste es die nicht seit Jahren schon geben. Dummerweise konnte das nicht klappen, weil der demissionierte Bundesverkehrs-
minister aus seinem Ressort eine der größten Nichtregierungsorganisationen Deutschlands gemacht. Vier komplette Jahre für Maut, Maut und Maut. Der Rest: Fehlanzeige.

Andere geben sich derweil hoffnungsfroh. Die Chancen stünden gut, dass Diesel-Fahrverbote nicht
flächendeckend kommen, wird etwa Gerd Landsberg
zitiert, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Was allerdings denen kein bisschen hilft, die von einem punktuellen City-Bann betroffen wären. Und mehr als eine Chance ist es eben auch
nicht.

Jeder Frittenbude hätte man bei gammeligem Fett längst den Laden zugesperrt. Die Autobauer indes dürfen lustig weiter Thermofensterchen öffnen und schließen. Viel ändern dürfte sich an derlei Ungleichbehandlung so schnell nicht. Spätestens seit der einsamen Glyphosat-Rettung steht zu befürchten, dass man bei Christian
Schmidt, der im einst Dobrindt’schen Amt nun ersatzweise den Hut aufhat, auch nicht nur vernünftiges Handeln erwarten darf.