Eigener Inhalt Ein Tropfen Zukunft

Wolfgang Plank
 Quelle: Unbekannt

Die Bundesregierung will ein bisschen mehr Wasserstoff, doch Details sind nach wie vor heftig umstritten

 
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Es klingt wie die Wunder-Formel, mit der sich alle Sorgen um den Ausgleich von Mobilität und Umwelt ganz einfach in Dampf auflösen: Im Überfluss vorhandener Wasserstoff erzeugt durch eine simple chemische Reaktion mit dem Sauerstoff der Luft saubere Energie, treibt einen Elektromotor und damit ein Auto und hinterlässt draußen nichts als ein paar Tröpfchen harmloses H2O. Zapfen lässt sich das pfiffige Treibgas wie gewohnt an Tankstellen, das Ganze dauert nicht länger als das Befüllen mit Sprit, und eine Ladung reicht für 500 bis 600 Kilometer. Kein Vergleich mit einem E-Auto, das gefühlt alle paar Häuserecken an die Dose muss und womöglich schneller stromlos wird, als man die nächste Ladesäule findet.

Dummerweise ist der Wasserstoff-Antrieb mindestens ein klein wenig komplizierter. Und der Treibstoff leider auch. Zwar ist er tatsächlich schier unbegrenzt vorhanden, weil er das am meisten verbreitete Element des Universums ist. Nur findet man ihn auf der Erde nicht in reiner Form, sondern immer gebunden. In Wasser zum Beispiel oder auch in Erdgas. Das Problem besteht darin, ihn zu separieren. Ein aufwändiger Prozess, bei dem derzeit noch fast die Hälfte der eingesetzten Energie verloren geht.

"Grüner" Wasserstoff wird dabei CO2-frei mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Quellen durch Elektrolyse hergestellt, "blauer" Wasserstoff hingegen etwa auf der Basis von Erdgas produziert. Das dabei entstehende Abgas muss unterirdisch gespeichert werden. Rein gar nichts würde es der Umwelt schließlich helfen, das hilfreiche H2 mit schädlichem CO2 an anderer Stelle zu erkaufen. Zumal sich bei der Rückumwandlung per Brennstoffzelle und E-Motor die Energiemenge noch einmal halbiert, so dass am Rad letztlich ein Wirkungsgrad von 25 bis 35 Prozent ankommt.

Nur Vorteile hat also auch der Wasserstoff-Antrieb nicht, aber mit Professorin Veronika Grimm bekommt die Idee eine mächtige Fürsprecherin. Die neue Energie-Expertin im Rat der Wirtschaftsweisen findet: Ohne speicher- und transportierbare Energieträger werde es Europa nicht gelingen, bis 2050 klimaneutral zu werden. Es gebe daher gute Gründe, die Wasserstoff-Technologie voranzutreiben. Gerade in Deutschland. Entscheidend sei dabei der Aufbau der notwendigen Infrastruktur – auch zur Ankurbelung der Wirtschaft nach der Corona-Krise.

Ob es so kommt, wie die Volkswirtschaftlerin an der Uni Erlangen-Nürnberg empfiehlt, ist fraglich. In der großen Koalition jedenfalls gibt es beim Thema nach wie vor massiven Streit. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek fordert ausdrücklich die Konzentration auf grünen Wasserstoff. Alle anderen Verfahren seien kein wirksamer Beitrag zum Klimaschutz. Aus dem Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier, CDU wie Karliczek, heißt es hingegen lapidar, die Pläne seien nicht zu realisieren.

Im offiziellen Regierungsentwurf klingen beide Seiten diplomatischer. Es sei das "Ziel der Bundesregierung, grünen Wasserstoff zu nutzen und für diesen einen zügigen Markthochlauf zu unterstützen", heißt es da. Aber eben auch: "Aufgrund der engen Einbindung Deutschlands in die europäische Energieversorgungsinfrastruktur" werde blauer Wasserstoff in Deutschland ebenfalls eine Rolle spielen und, "wenn verfügbar, übergangsweise genutzt werden". Nachteil der Kompromissformel: Das Thema flog jüngst – mal wieder – von der Tagesordnung des Kabinetts.

Dennoch setzen Befürworter des Wasserstoffs – auch außerhalb Europas – große Hoffnungen in die sechsmonatige deutsche EU-Ratspräsidentschaft, die am 1. Juli beginnt. Von Nordafrika bis in den Mittleren Osten hinein wünschen sich die Unterstützer grünen Wasserstoffs, dass die Corona-Hilfsprogramme der EU diese Art von Energie begünstigen. Marokko und Saudi-Arabien haben sich bereits als künftige Lieferanten ins Spiel gebracht.

Der Wirtschaftswissenschaftler Ferdinand Dudenhöffer sieht die Lage nicht ganz so euphorisch. Infrastruktur-Investitionen seien zwar wichtig und auch wünschenswert, dauerten aber wegen langwieriger Ausschreibungen und fehlenden Personals viel zu lange, um unmittelbar nach Corona schnelle Hilfe zu bringen.

An eine breite Wasserstoff-Welle glaubt der oft auch "Autopapst" genannte Professor deshalb nicht. "Die Zukunft individueller Mobilität ist das reine Elektroauto", prophezeit Dudenhöffer. Wasserstoff sei noch für lange Zeit zu aufwändig und zu teuer. Für schwere Lkw indes eigne sich die Brennstoffzelle hervorragend. Der Einsatzbereich sei wesentlich gleichmäßiger, der Mehrpreis für die Technik lasse sich bei den ohnehin schon teuren Zugmaschinen besser unterbringen – und die Infrastruktur könnte entlang der wichtigsten Routen schneller und gezielter aufgebaut werden als in der Fläche.

So oder so entscheidet am Ende das Geld. Und davon ist nach Corona weniger da als vorher. Die Zukunft kommt wohl eher tröpfchenweise.