Eigener Inhalt Erhöhte Temperatur

Wolfgang Plank

Die Autobranche taumelt im Corona-Fieber - schon wird die Erderwärmung wieder nachrangig.

 
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Donald Trump wittert Verrat. Sein Heiligstes scheint in Gefahr: der Profit um jeden Preis. Also macht der US-Präsident Ernst und kippt die unter Barack Obama eingeführten Verbrauchsziele für Neufahrzeuge. Denn erstens hasst Trump kaum etwas so sehr wie seinen Vorgänger, und zweitens interessiert ihn die Umwelt den sprichwörtlichen Dreck, wenn es um die noch sprichwörtlichere Kohle geht. Da passt es nur zu gut, dass das Böse derzeit mit Co… beginnt – mag es nun Corona heißen oder CO2.

Bisher galt, dass in den USA die Hersteller den Durchschnittsverbrauch ihrer Flotte auf umgerechnet 4,32 Liter pro 100 Kilometer bis 2026 senken müssen. Um dieses Ziel zu erreichen, hätte die Effizienz der Fahrzeuge jährlich um fünf Prozent steigen müssen – zu schaffen nur mit einem hohen Anteil von Elektro- und Hybridautos. Die neuen Grenzwerte verlangen stattdessen nur mehr 1,5 Prozent pro Jahr.

Bis 2026 dürfen Autos dadurch 5,88 Liter pro 100 Kilometer verbrauchen. Das entspricht einem gemittelten CO2-Ausstoß von rund 136 Gramm pro Kilometer. In der EU liegt dieser Wert bei 95 Gramm. Laut "New York Times" verbrennen Autos auf den US-Straßen damit über ihre Lebensdauer fast 300 Milliarden Liter mehr Benzin und stoßen zusätzlich eine Milliarde Tonnen CO2 aus. Kein Wunder, dass Experten von der bislang folgenschwersten Maßnahme in Trumps hartnäckiger Anti-Klima-Politik sprechen.

Die Begründung der US-Regierung ist simpel: Technologien zum Spritsparen würden immer teurer – da müsse die Autoindustrie einfach entlastet werden. Ganz besonders in finanziell schwierigen Zeiten. Dabei wehren sich sogar viele Hersteller gegen den Vorstoß ihres Präsidenten. Sie befürchten Klagen und über Jahre währende Gerichtsverfahren – mit all den Unsicherheiten, die Zeit und Geld kosten. Doch dem Mann im Weißen Haus scheint bei seinem fieberhaften Treiben selbst das egal.

Mutterseelenallein indes ist Donald Trump nicht. Auch in der vom Virus gebeutelten EU werden Stimmen nach "Anpassungen" laut. Die Begründung beim Verband europäischer Automobilhersteller ACEA indes klingt dünn. Weil wegen Corona die Fahrzeugentwicklung ruhe und aktuell keine Tests stattfänden, könnten sich die Autobauer nicht darauf vorbereiten, "bestehende und zukünftige EU-Gesetze und -Vorschriften innerhalb der festgelegten Fristen einzuhalten".

Natürlich hat man bei ACEA die diversen Studien gelesen. Demnach drohen wegen Grenzwert-Überschreitungen 2021 mindestens zehn Herstellern EU-Strafen von zusammen 3,3 Milliarden Euro. Weder Rabatte für elektrifizierte oder besonders sparsame Autos könnten das noch nennenswert drücken, behauptet die Unternehmensberatung Deloitte.

Dieses Jahr nämlich dürfen Autobauer die schmutzigsten fünf Prozent ihrer Flotte noch aus der Berechnung streichen, ab 2021 allerdings werden dann ohne Ausnahme für jedes Gramm zu viel 95 Euro fällig – und zwar für jedes verkaufte Auto. Bis 2030 ist vereinbart, den EU-Grenzwert schrittweise von 95 auf 59 Gramm je Kilometer zu senken.

Daran wollen die deutschen Hersteller – zumindest offiziell – nicht rütteln. Für die Zeit danach allerdings hebt Verbandspräsidentin Hildegard Müller schon mal warnend den Finger. Es gehe nicht an, dass die EU-Kommission im Zuge des "Green Deal" Vorgaben ab 2030 verschärfen wolle. Vor möglichen zusätzlichen Belastungen müssten erst die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie seriös bewertet werden. Die Branche stehe schließlich vor einer Herausforderung in bisher nie gekanntem Ausmaß.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier war da bereits vorauseilend tätig gewesen. Schon im Februar hatte er gegenüber EU-Klimakommissar Frans Timmermans darauf bestanden, den Automobil-Sektor von Plänen zur Emissionssenkung komplett auszunehmen. Die bestehenden Regeln hätten bereits "jeglichen Spielraum für eine weitere Verschärfung eliminiert".

Nun fällt den Produzenten die Modellpolitik der vergangenen Jahre auf die Füße. Mitgeschubst haben die Kunden, die unbeirrt nach Hochbeinigem verlangen. Jedes vierte Auto hierzulande ist bereits ein Sports Utility Vehicle. Tendenz: weiter stark steigend. Wirklich gebraucht werden sie von den Wenigsten, weil im Regelfall zu groß, zu schwer und zu durstig. Das Dilemma: Was Gewinn abwirft, belastet die Abgas-Statistik.

Ausgerechnet in den teuren digitalen Wandel platzen nun Umsatzabstürze, Werksschließungen, Kurzarbeit – und quälende Debatten über drohende Übernahmen durch ausländische Konzerne oder Staatshilfen per Notfall-Fonds. Nicht ausgeschlossen, dass die Zahl derer, die Trumps Idee ansteckend finden, auch hier zu Lande schneller wächst als die Corona-Kurve.