Eigener Inhalt Karren im Dreck

Wolfgang Plank
 Quelle: Unbekannt

Die deutsche Politik dreht sich im eigenen Dilemma. Der Diesel ist keine Lösung - und kein Diesel auch nicht.

 
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Da mag der Weltklimarat der Vereinten Nationen noch so sehr Alarm schlagen, der Nobelpreis an Denker zu ökologischem Wirtschaften gehen – in Deutschland bleibt die einstige Prima-Klima-Kanzlerin beim Umwelt-Requiem. Die Schwüre von Paris? Gebrochen. Die Vorreiterrolle in Europa? Vergessen. Was schert schon der Treibhaus-Effekt, wenn angeblich Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen?

Selbstverständlich gibt sich die große Koalition über die Maßen betroffen. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) forderte, das Potenzial der Wissenschaft müsse stärker ausgeschöpft werden; von Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth war zu hören, weniger Erderwärmung müsse "handlungstreibend" sein. Und Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ließ sich gar mit der Forderung vernehmen, beim Klimaschutz dürfe keine Zeit mehr verloren werden.

"Ach was!", möchte man mit Loriot sagen. Und warum passiert dann eigentlich das genaue Gegenteil? Gerade erst hat Frau Schulze ihre Forderung wieder einkassiert, den CO2-Ausstoß von Neuwagen in den kommenden zwölf Jahren um 45 Prozent zu verringern. Realistisch seien dann irgendwie doch nur 30 Prozent. In Brüssel hievten Europas Umweltminister die Marke dann auf 35 Prozent. Sauberere Luft scheint in Deutschland gerade nicht besonders angesagt.

Genau genommen drücken sich Politik, Industrie und Gesellschaft seit Jahrzehnten vor einer echten Debatte. So als hätte Mobilität kein bisschen damit zu tun, wie bei uns Arbeit organisiert wird. Im gerade erschienenen Glücksatlas kann man davon lesen. Eine der zentralen Fragen ist, ob künftige Regierungen tatenlos immer noch mehr Jobs Richtung Stadt strömen lassen wollen – und in der Folge immer noch mehr Pendler? Berlin aber antwortet nicht.

Zu ihrem Leidwesen aber hat die Politik das Geschehen nicht mehr gänzlich in der Hand. Immer mehr Gerichte richten Hochverdichter-Bannkreise in Innenstädten der Republik ein. Mittlerweile sogar am Regierungssitz. Und selbstverständlich ist jetzt plötzlich nicht mehr nur der Auspuff am Dampfen…

Dass ein durchaus zwielichtiger Abmahnverein wie die Deutsche Umwelthilfe den Regierungen in Bund und Ländern eine juristische Schlappe nach der anderen beibringt, hat einen simplen Grund: Geschäftsführer Jürgen Resch nimmt die Mächtigen einfach beim Wort. Vor den Verwaltungsgerichten rächt sich nun, dass Merkel und Co. an Sonntagen gerne die Klimarettung beschwören – und unter der Woche keinen Handstrich dafür tun.

Einen Plan in Sachen Mobilität nämlich vermag man in Berlin nicht zu erkennen. Weder was den Verkehrsstrom angeht noch den Strom für den Verkehr – oder was womöglich alternativ in den Brennräumen der Zukunft oxidieren soll.

Und so dreht sich die GroKo im eigenen Dilemma. Wem eine gute CO2-Bilanz am Herzen liegt, der kann den Diesel nicht einfach ins Museum stellen. Es sei denn, man setzte massenweise Benziner unter Strom. Doch beim Merkel’schen Versprechen von einer Million E-Autos ist schon mal die Sicherung rausgeflogen. Von der Augenwischerei des noch immer Braunkohle-lastigen Strom-Mixes noch gar nicht zu reden.

Wer aber auf den Selbstzünder setzt, wird – zumindest kurzfristig – des Stickoxid-Problems nicht Herr. Und reihenweise Innenstädte zu sperren kostet auf Sicht Wählerstimmen wie Ministerposten. In Treue fest zum Hochverdichter zu stehen, ist also politisch keine Vision. Wirtschaftlich aber auch nicht. Den Ausstieg so lange wie irgend möglich hinauszuzögern, ist ökonomisch kurzsinnig. Auch wenn in Deutschland womöglich die derzeit besten Selbstzünder gebaut werden.

In dem Film "Das Geld anderer Leute" wirbt der Spekulant Larry vor den Aktionären einer Drahtfabrik leidenschaftlich dafür, lieber in moderne Glasfaser zu investieren als in die veraltete Technik von Kupferkabeln. Da empören sich die Anteilseigner und verweisen auf ihre Spitzenposition am Markt. "Es hat auch mal Dutzende Unternehmen gegeben, die Kutscherpeitschen produziert haben", sagt Larry da gelassen. "Und ich wette, die letzte Firma auf dem Markt ist diejenige gewesen, die die besten Peitschen hergestellt hat, die es jemals gab."

So könnte es mit den deutschen Dieselmotoren auch kommen.