Eigener Inhalt Kia Rio: Die Tigernase wittert Beute

Wolfgang Plank

Kia gelingt die Designwende. Der neue Rio wirkt hochwertig. Auch in Sachen Technik schielen die Koreaner nach oben.

 
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Das hat man davon, wenn Marketing-Strategen ganze Arbeit leisten: Irgendwann war Kia in den Köpfen was mit Tigernase, billig und sieben Jahren Garantie. Und jetzt? Wollen die Koreaner Eindruck Nummer zwei ganz bewusst vergessen machen. Beim Design ist ihnen der Wandel zu Höherem längst gelungen. Und auch in Sachen Technik und Sportlichkeit schielen sie – wie die Konzernschwester Hyundai – ganz unverhohlen nach oben.

Jüngstes Beispiel: der Rio. In vierter Generation sieht Kias Kleiner breit und aggressiv aus. Kein Zweifel, da nimmt jemand Corsa, Polo und Fiesta ins Visier. Die Tigernase wittert Beute. Tempomat, Navi und beheiztes Lenkrad gibt es als Sonderausstattung – an der Auto-Basis alles nicht selbstverständlich. Sogar ein Notbrems-Assistent, der auch Fußgänger erkennt ist an Bord – ab der Version "Spirit" serienmäßig, ansonsten für 990 Euro Aufpreis.

Trotz der nur 4,07 Meter Länge geht’s geräumig und komfortabel zu. Edlen Luxus darf man zwar nicht erwarten, dafür wird im B-Segment viel zu genau kalkuliert. Dennoch wirkt der Innenraum alles andere als hartplastikbieder: aufgeräumtes Armaturenbrett, pfiffiges Cockpit, schicker Touchscreen – und vorne wie hinten ordentlich Platz. Sehr viel höher als 1,80 Meter sollte man als Hintersasse seinen Kopf allerdings nicht tragen. Eine schnittige Dachlinie fordert halt Opfer.

Ablagen gibt es reichlich, und das Gepäckabteil bietet mit 325 Litern mehr als die meisten dieser Klasse. Umgeklappt findet knapp ein Kubikmeter Platz. Die Ladekante ist ein wenig hoch, aber das ist nun mal der Tribut an ein gutes Crash-Verhalten in diesem Segment.

Neu unter der Haube ist ein Dreizylinder-Turbo, der aus einem Hubraum in Milchtüten-Umfang 100 PS drückt. Ein quirliges Aggregat, das oben herum von sich hören macht, dafür aber mit ordentlich Vortrieb und angenehm niedrigem Verbrauch überrascht. Die 4,5 Liter aus dem Datenblatt sind zwar nicht drin, mit gut einem Liter mehr indes kommt man prima aus. Wer’s noch zügiger mag – den Motor gibt es auch mit 120 PS.

Alternativ bietet Kia aus dem Vorgängermodell noch den 1,2-Liter-Sauger mit 84 PS sowie einen 1,4-Liter mit 99 PS an. Für Vielfahrer empfiehlt sich der 1,4-Liter-Diesel, der wahlweise 77 oder 90 PS leistet. Beim Basis-Benziner und im 1.0 mit 100 PS wird die Kraft über fünf knackig zu schaltende Gänge sortiert, bei allen anderen steht ein Zahnrad-Paar mehr zu Verfügung. Für den 1,4-Liter-Benziner gibt es auch eine vierstufige Automatik, 2018 soll ein Direktschaltgetriebe folgen.

Eine Ansage ist auch das Fahrwerk: Komfortabel ohne unangenehm weich zu sein, so dass der Rio auch bei schnellen Kurvenfolgen noch spurtreu der präzisen Lenkung folgt. Und weil sie bei Kia viel in die Dämmung investiert haben, bleiben Windgeräusche da, wo sie hingehören: draußen. Da ist man dann auch auf längeren Fahrten entspannt unterwegs.

Die Einstiegsversion klingt mit 11 690 Euro höchst verlockend, ist aber nur etwas für Komfort-Verächter. Wer eine Klimaanlage oder den neuen Motor schätzt, sollte ab 16 690 Euro kalkulieren. Ausgestattet mit elektrischem Glasschiebedach, Smart-Key, Alu-Pedalerie, 17-Zöllern, Navi und digitalem Radio werden dann schon mindestens 20 290 Euro fällig.

So oder so gibt es Garantie für sieben Jahre oder 150 000 Kilometer. In den ersten drei Jahren sogar ohne Begrenzung. Das ist dann wieder gewohnt Kia – und für einen Kleinen ziemlich groß.