Eigener Inhalt Sau. Schnell.

Wolfgang Plank

Nach drei Siegen in der Königsklasse dominiert Porsche in Le Mans bei den GT-Fahrzeugen. Schwein muss man haben . . .

 
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Im Grunde müssen sie bei Porsche nichts beweisen. Drei Mal in Folge sind sie hier in der Königsklasse an den Start gegangen, drei Mal haben sie gewonnen. Schon ein einziger Sieg in Le Mans macht unsterblich. Danach sind sie abgetreten. Ungeschlagen. Auf dem Höhepunkt des Erfolges. Ganz indes mochten sie die Jagd an einer der Kultstätten des Rennsports nicht lassen und schickten dieses Jahr vier Werks-Autos in die GT-Klasse. Dort, wo es keine Prototypen gibt, keine Hybrid-Technik, keinen Allradantrieb.

Auch hier ist die Liste der Porsche-Erfolge lang. Und weil die Stuttgarter in diesem Jahr 70 geworden sind, haben sie mal nicht nach vorne geschaut, sondern zurück. Zumindest in Sachen Farbgebung. Zu den beiden 911 RSR im klassischen Weiß mit Rot und Schwarz gesellten sich zwei historisch gefärbte Modelle. Eines in der Rothmans-Lackierung aus den 1980er-Jahren – das andere als Hommage an die Sau von 1971.

Bis dato hatte es derlei nicht gegeben: Designer Anatole Lapine ließ seinerzeit einen Porsche 917 rosa lackieren und Schweineteile wie Hals, Wamme oder Rückenspeck stricheln. Applaus und Kopfschütteln brachte die Idee damals – nur leider kein Glück. Reinhold Joest und Willi Kauhsen schieden mit dem Wagen aus.

Fast 50 Jahre später sieht die Sache anders aus. Dass die Porsches im Qualifying dominieren würden, hatte auch die Konkurrenz erwartet. Doch Le Mans dauert lang. 13,6 Kilometer mit 21 Wendungen hat eine Runde. An die 350 davon sind bei den GT-Autos zu absolvieren. Je nach Rennverlauf. Im Schnitt mit knapp 200. Auch in der Nacht. Schon bald hat die Startnummer 92 den Rüssel da, wo er hingehört: vorne. Für etwas anderes ist Porsche nicht angereist. In Le Mans zählt nur der Sieg. Keiner kommt zum Circuit de Sarthe für Platz zwei.

Auch unter dem Lack ist der 510 PS starke Porsche ein Kunstwerk. Mit nur einem Ziel: den kostbaren Sprit in den sechs Boxer-Brennräumen so effizient wie möglich zu verbrennen. Eine Tankfüllung reicht für 14 Runden, ein Satz Reifen für 28. Klingt in der Theorie ziemlich simpel.

In der Praxis laufen Dutzende Szenarien auf Computern. Eine Minute im Schnitt dauert ein Tankstopp, das Wechseln der Räder knapp eine halbe zusätzlich. Auch die Fahrer müssen sich abwechseln. Der Tausch kostet ebenfalls Zeit. Das alles will taktisch klug sortiert sein.

Auf der anderen Seite der Leitplanken wollen mehr als eine Viertelmillion Zuschauer vor allem spannende Kämpfe sehen. Davor die traditionelle Parade der Autos. Großer Pitwalk. Feiner Zwirn trifft feuerfesten Overall. Die einen machen in Honneurs, die anderen haben einen Job zu erledigen. Es gilt Autos über zwei Zeiger-Umläufe zu bringen. Und über Streckenabschnitte von Weltruhm – Tertre rouge, Hunaudieres, Mulsanne. Immer am Limit. Bloß nicht darüber.

Vor allem muss die Technik mitspielen. Ein kaputtes Cent-Teil kann Träume zerstören. 2016 stoppte ein geschmolzener Stecker den weit in Führung liegenden Toyota. Drei Minuten und 40 Sekunden vor dem Ziel. "To finish first – first you have to finish", besagt nicht ohne Grund die älteste Weisheit der Zunft. Um Erster im Ziel zu sein, muss man erst mal im Ziel sein.

Das ist auch Porsche nicht durchweg vergönnt. Probleme mit der Radaufhängung werfen den ersten Werks-911er komplett aus dem Rennen, bei Anbruch der Nacht erwischt es den zweiten. Ein Defekt an der Elektronik. Die Reparatur in der Box dauert fast eine halbe Stunde, während die anderen Runde um Runde drehen.

Und wie. Selbst Ohrstöpsel können den Motoren-Donner kaum dämpfen. Es gibt für die Kulisse nur ein Wort: infernalisch. Nur dass es kein Lärm ist. So klingt Technik ohne Kompromisse. Porsche brüllt, Ford dröhnt. Die Corvettes erinnern an fahrende Presslufthämmer, und die Ferraris hören sich an, als schneide eine Kreissäge in ein Stück Hartholz.

Irgendwann festigt Porsche die Doppelführung. Doch von Entspannung keine Spur: Reifenschaden, Dreher, Safety-Car-Phase – stets kann der mühsam erkämpfte Vorsprung wieder weg sein oder noch schlimmer: das Auto kaputt.

Am Ende holt Toyota den ersehnten Sieg. Die Japaner sind der LMP1-Klasse mit den Prototypen treu geblieben. Als einziges Werks-Team. Ob sie auch 2019 antreten ist offen. Wer will schon gegen sich selbst
fahren?

In der GT-Klasse macht das Schwein das Rennen. Mit 344 Runden. Ein bisschen schmutzig um den rosa Rüssel, aber eben sauschnell. Eine Runde dahinter das Schwester-Auto. Der Doppelsieg bei den Profis vergrößert den Vorsprung in der Langstrecken-WM – und auch bei den Amateuren siegt am Ende ein 911 RSR.

Die Freude bei den Stuttgartern ist groß – aber kurz. Praktisch mit der Zieldurchfahrt beginnen die Vorbereitungen für die 87. Auflage des Klassikers. Nach Le Mans ist eben vor Le Mans…