Eigener Inhalt Strom abwärts

Wolfgang Plank

In Sachen Internet hat die Bundeskanzlerin ihre Kenntnisarmut längst offenbart. Was nicht eben beruhigt in diesen Zeiten. Nun allerdings sieht es so aus, als wäre ein mindestens ebenso wichtiges Thema noch viel neuer für sie als Neuland: das Auto. Oder allgemein: die Mobilität.

 
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Was aus dem Diesel werden soll – dafür hat Angela Merkel offenkundig keine Idee. Jedenfalls keine, die sie dem Volk mitteilen wollte. Stattdessen hat sie ihr Wort gebrochen, wonach es mit ihr keine Maut geben werde, und dieser Tage so ganz nebenbei und fast unbemerkt ihr nächstes Versprechen einkassiert. Eine Million Elektroautos bis 2020? "So, wie es im Moment aussieht, werden wir dieses Ziel nicht erreichen", erklärte sie lapidar. Stecker raus. Nächstes Thema.

War also nichts mit dem großen Strom-Schlag der noch größeren Koalition. Seit gut einem Jahr gibt es die Elektro-Prämie und bewirkt hat sie – genau: nichts. Satte 1,2 Milliarden Euro liegen im Fördertopf. Abgerufen jedoch haben Käufer bislang noch nicht einmal 60 Millionen. Mehr Desinteresse an staatlicher Förderung war selten.

Wirklich verlockend ist das Angebot ja tatsächlich nicht. Weil die Hersteller sich hälftig an der Prämie beteiligen müssen, sparen sie den Betrag nicht selten bei anderen Auto-Rabatten wieder ein. Bleiben unterm Strich also oft nur mickrige 2000 Euro vom Staat – in Frankreich kann man das Fünffache einstreichen, wenn man zum E-Auto-Kauf noch seinen betagten Diesel verschrotten lässt.

Bereits geflossen allerdings sind knapp fünf Milliarden Euro Steuergeld für den allgemeinen Auf- und Ausbau von Elektromobilität. Kassiert haben vor allem die Hersteller. Doch im Gegenzug gibt es noch immer keine wirklich günstigen Elektroautos. Das Resultat: Gerade mal 60 000 Stromer rollen auf den Straßen der Republik. Selbst wenn man die Plug-in-Hybriden mitrechnet, sind es noch nicht einmal 150 000. Bislang war das Ganze ein gigantisch teurer Flop. Und was nun weiter?

Womöglich sollten sie sich in Berlin drauf besinnen, dass politische Ziele sich nicht immer erkaufen lassen, und manchmal ein kleines bisschen Psychologie mehr helfen kann als sehr viel Geld. Gerade der Umstieg auf das Elektroauto ist eben sehr viel mehr als Plus und Minus.

Mittlerweile beschreiben diverse Studien das Phänomen der "Reichweiten-Angst" – all diese diffusen Bedenken, die uns beim E-Mobil so plagen: dass man nur begrenzte Strecken fahren kann; dass die Batterie irgendwo im Nirgendwo plötzlich leer sein könnte; vor allem aber, dass das Aufladen so furchtbar lange dauert. Fazit der Forscher: Selbst die beste Aufklärung hilft wenig. Erst wenn man ein Elektroauto tatsächlich gefahren und auch geladen hat, schwinden die typischen Vorbehalte.

Am meisten brächte eine funktionierende Infrastruktur die Idee voran. Doch die ist nun mal nicht Pflicht der Autobauer. Um das normale Tankstellen-Netz brauchen sie sich schließlich auch nicht zu kümmern. Ein vernünftiger Plan sähe so aus: Die Hersteller sorgen für erschwingliche Autos – Staat und Energieversorger für bezahlbaren Strom. Man muss es halt wollen.

Ein Blick über die Grenzen zeigt, dass das geht. Norwegen, Niederlande, Frankreich, Großbritannien – überall gibt es mehr Ladestationen als ausgerechnet in dem Land, das die Merkel-Regierung zum Leitmarkt für Elektromobilität ausgerufen hat. Geht der Ausbau des Netzes ähnlich schleppend weiter, gibt es bis 2020 noch nicht einmal ein Fünftel der 70 000 Säulen, die Politik und Industrie vor Jahren schon als Zielwert ausgegeben haben.

Denn längst nicht jeder kann zuhause laden wie es die Werbefilmchen ausmalen, weil er in der Nähe seiner Wohnung noch nicht einmal einen Parkplatz findet. Und wer allabendlich die Kabeltrommel aus dem dritten Stock abrollen soll, dem ist so schnell auch kein E-Mobil schmackhaft zu machen.

Wie üblich hierzulande, kommt dann noch die Bürokratie dazu. Der bei japanischen Herstellern und auch sonst auf der Welt höchst gebräuchliche Chademo-Stecker zählt in Deutschland nicht einmal zum Mindeststandard. Hier wie in Europa stöpselt man Strom mit Mennekes, auch Typ 2 genannt. Das macht die Sache nicht einfacher. Zumal das ständige Hantieren mit Kabeln und Adaptern nervt. Erst recht bei schlechtem Wetter und im Winter. Und bis wir hier dereinst kommod über Induktionsplatten fahren können, wird vermutlich längst der Wasserstoff-Antrieb in Mode sein.

Bildunterschrift: Skeptischer Blick: Bundeskanzlerin Angela Merkel beäugt zusammen mit EnBW-Chef Frank Mastiaux den Stecker einer Ladestation.