Eigener Inhalt Und ewig grüßt das Tempolimit . . .

Wolfgang Plank
 Foto: Jens Büttner/zb/dpa

Es wird einsam um Andreas Scheuer. Das liegt selbstverständlich an seinem Versagen bei der Ausländer-Maut und an seinem Gestümper in Sachen Bußgeldkatalog - doch nun steht der Bundesverkehrsminister (CSU) sogar bei der grenzenlosen Freifahrt nahezu alleine.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Sein eigener Parteichef schließt ein Limit auf Autobahnen nicht mehr kategorisch aus. Zwar sei er kein Befürworter wie die Grünen, sagt Markus Söder, ein ideologischer Gegner aber auch nicht. "Tempobegrenzung kann an vielen Stellen helfen."

Seit Jahrzehnten ist das Thema eine Glaubensfrage. Befürworter bemühen Umweltschutz, Verkehrssicherheit – und die Tatsache, dass der Rest Europas längst nicht mehr Vollgas fahren darf. Die Gegner geben zu Protokoll, dass sich abseits der Autobahnen viel mehr Unfälle ereigneten, der Effekt fürs Klima bloß marginal sei, der Zeitverlust aber riesig – und überhaupt drohe dem Land ohne freie Fahrt der technologische Untergang.

Dabei sind alle vernünftigen Argumente bei den Limitierern. Natürlich stößt ein Auto bei flotter Fahrt mehr Abgase aus als bei langsamer, klar steigt mit der Schnelligkeit das Unfallrisiko – und dass es auf Landstraßen häufiger kracht, könnte womöglich auch am dort herrschenden Gegenverkehr liegen. Die Begrenzung freier Fahrt ist daher so logisch wie Tabakverzicht, mindestens weitgehende Abstinenz, ausgewogene Ernährung und Sport in Maßen.

Offizielle Zahlen liefern schlagende Argumente: Zwar ist die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland weiter rückläufig. Doch mit 963 von 3046 Opfern starb 2019 fast ein Drittel wegen überhöhter Geschwindigkeit. Dazu kamen noch 53 687 Verletzte. Und ja: Bei schlechtem Wetter kann auch ein Tempo unter dem zulässigen Limit zu schnell sein. Berechnungen des Umweltbundesamts ergeben zudem, dass ein Tempolimit von 130 rund 1,9 Millionen Tonnen CO2 einsparen würde – sofort und ohne Mehrkosten. Bei Tempo 100 wären es sogar 5,4 Millionen Tonnen.

Den gerne zitierten freien Bürger ist die freie Fahrt offenbar gar nicht so wichtig. Bei einer Umfrage des Deutschen Anwaltvereins sprachen sich 56 Prozent für ein Tempolimit aus. Sogar der ADAC ist wegen der gespaltenen Haltung seiner 21 Millionen Mitglieder mittlerweile vom kategorischen Nein abgerückt. Das ist zwar nicht mutig, aber ehrlicher als das Geeiere der SPD. Die hätte irgendwie gerne ein Tempolimit, lehnte aus Koalitionsräson aber kürzlich einen Vorstoß der Grünen ab – nur um Tage später wissen zu lassen, 130 wäre eigentlich höchst vernünftig…

Für die Partei mit der Sonnenblume ist die Sache hingegen eindeutig. Sie will flächendeckende Tempolimits. Und zwar so schnell wie möglich. "Das ist wahrscheinlich die erste Maßnahme einer neuen Regierung, wenn die Grünen dabei sind", hat Parteichef Robert Habeck jüngst erklärt. "Es gibt kein Recht auf Rasen in Deutschland." Christian Hochfeld erwartet noch einen weiteren Effekt. Der Chef der Denkfabrik Agora Verkehrswende glaubt, bei einem Tempolimit würden die Autos für den deutschen Markt langfristig nicht mehr so groß und leistungsstark gebaut.

So oder so ist weniger Geschwindigkeit auf deutschen Autobahnen nur mehr eine Frage der Zeit. Mit jedem zusätzlichen Elektroauto nämlich nähern wir uns dem Wert von 130 – oder sogar weniger. Man blicke nur auf all die teuren Teslas auf der rechten Spur. Für Andreas Scheuer dürfte auch das "gegen jeden Menschenverstand" sein.