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Wolfgang Plank

Porsche blickt auf 70 Jahre Sportwagen-Geschichte. Vom 356 Nr. 1 Roadster bis zum 919 Hybrid Evo.

 
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Im Grunde hat sich nichts Wesentliches getan in den vergangenen 70 Jahren. Noch heute verbaut die Firma bei ihren Sportwagen Boxermotoren im Heck. So wie damals, als Ferry Porsche in einem Kärntener Sägewerk den 356 Nr. 1 Roadster ertüftelte. Der Wagen war der erste, der unter dem später so ruhmreichen Namen auf den Markt kam. Wenn auch in der Fremde. Erst 1950 kehrte das Unternehmen an den Firmensitz in Stuttgart-Zuffenhausen zurück.

Damals ahnte noch keiner, welch erfolgreichen Weg die Marke nehmen würde. Und dass Porsche fortan diejenigen sein sollten, die es auf Rennstrecken in aller Welt zu schlagen gilt. Heute, zahllose Siege später, weiß man es. Man? Jeder.

Überschaubare 35 PS entlockte Ferry Porsche den 1200 Kubikzentimetern seiner ersten Konstruktion. Aber es war nur der Anfang. Schnell wuchsen Hubraum, Leistung – und später auch die Zahl der Zylinder. Im Jahr 1963 arbeitete der gegenläufige Flachmann erstmals mit sechs Brennräumen und 130 PS. Gute zehn Jahre später setzte er – zwischenzeitlich zwangsbeatmet – 300 PS aus 3,3 Litern frei, 1996 in der Version 959 waren es bereits 450 aus nur mehr 2,9 Litern. Das Geschoss galt als schnellstes straßenzugelassenes Serienauto weltweit.

Ein Jahr später dann der Schock für viele Enthusiasten: Nach dem Boxster stellte auch der erste 911 Carrera seine Kühlung von Luft auf Wasser um. Es sollte fortan so bleiben. Im Jahr 2006 schließlich kam der erste Turbo-Benziner mit verstellbaren Schaufeln. Eine Technik, die 480 PS aus 3,6 Litern bescherte. Und jede Menge Erfahrung. Erste Tests mit Diesel-Ladern endeten nach drei Minuten in Zerfall. Standfest wurden die Teile erst, als die NASA eine Freigabe für Material erteilte, das im Space-Shuttle verbaut war.

Und was ist heute? Aktuell schafft der 911 GT2 RS mit 700 Turbo-PS die Nordschleife in 6:47,3 – der 520 PS starke Sauger 911 GT3 RS ist dort nur neun Sekunden langsamer. Doch das alles ist nichts gegen die Fabelzeit von 5:19,55, in der der gewaltigste aller Porsche den Nürburgring umrundete: der 919 Hybrid Evo. Von einigen Restriktionen des offiziellen Reglements befreit, bringt es der Le-Mans-Gesamtsieger der Jahre 2015 bis 2017 bei nur 849 Kilo Gewicht auf die geballte Wucht von 1160 PS aus Strom und Sprit. Mit der Kraft der zwei Herzen stieg die Tachonadel bei der Rekordfahrt auf Tempo 369,4 – im Schnitt der 20,6 Kilometer waren es 233,8. Am Ende lag die alte Bestmarke in Trümmern. Unterboten um mehr als 50 Sekunden.

Die Kompromisslosigkeit des 919 Hybrid Evo wird wohl am besten daran deutlich, dass der Nordschleifen-Rekord zuvor 35 Jahre und 31 Tage lang Bestand hatte. Der 1985 in Spa-Francorchamps tödlich verunglückte Stefan Bellof hatte ihn am 28. Mai 1983 im Training zum 1000-Kilometer-Rennen aufgestellt – mit einem "nur" 620 PS starken Rothmans-Porsche 956 C.

Natürlich wuchs nie immer nur die Leistung allein. Auch das Fahrwerk musste Schritt halten, um die Kraft auf den Asphalt zu bringen. Lange Zeit besorgten das Torsionsstäbe, erst seit 1989 verwendet Porsche an der Vorderachse Federbeine mit Schraubenfedern. Hinten wurde über die Jahre aus Schräglenker-Konstruktionen eine Mehrlenker-Achse in Leichtbau. In Echtzeit vernetzt mit allen möglichen Sensoren.

Auch in Sachen Bremsen ist der Anspruch eindeutig. Immer Best in Class. Keine Frage: Wer schnell an Fahrt gewinnt, muss auch schnell wieder verzögern. Der aktuelle 911er schafft den Stillstand aus Tempo 100 mit warmen Scheiben nach 31,5 Metern. Da darf man dann auch mal guten Gewissens ein bisschen flotter unterwegs sein.

Selbstverständlich wird zum Geburtstag gefeiert. Vor kurzem beim "Festival of Speed" im englischen Goodwood, ab 27. September folgt die "Rennsport Reunion" in Kalifornien, und den Abschluss am 13. Oktober bildet die "Sound Nacht" – erstmals in der Porsche Arena in Stuttgart.

Ach ja: Ein Geschenk gibt es selbstverständlich auch. Selbst gemacht. In Gestalt des 911 Speedster Concept. Gestalterischer Brückenschlag vom 356 "Nr. 1" Roadster in die Gegenwart. Charakteristisch heute wie damals: der kurze Scheibenrahmen, Navi und Radio sucht man ebenso vergebens wie eine Klimaanlage. Dafür gibt es jede Menge Kohlefaser am Chassis, Schalensitze aus Carbon und Felgen mit Zentralverschluss. Der Antrieb mit über 500 PS entstammt im Prinzip dem GT3. Es geht um pures Fahren, alles andere wäre Schnickschnack.

Und wenn sich Porsche-Fans etwas wünschen dürfen, dann vielleicht, dass dieser Speedster genau so auch tatsächlich gebaut wird. Schließlich sind es nur mehr zehn Jahre bis zum 80.