Eigener Inhalt Chaos pur

Gerade einmal eine Woche ist die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nun endgültig in Kraft und schon in den ersten Stunden gab es Ärger. Was in dieser Woche alles geschah ...

 
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Die E-Mail-Flut

Es begann wenige Stunden vor dem 25. Mai. Plötzlich meldeten die Postfächer ein erhöhtes Mail-Aufkommen. Online-Shops und Unternehmen verschickten Nachrichten, in denen man per Mausklick zustimmen musste, um weiter Informationen des Absenders zu erhalten. Was man jahrelang selbst nicht auf die Reihe gekriegt hat, geschieht derzeit automatisch: Newsletter werden abgemeldet und verschwinden für immer aus dem privaten Posteingang, wenn man in das bereits geschlossene Abonnement jetzt nicht noch ein weiteres Mal einwilligt. Ein perfekter Zeitpunkt also, um im virtuellen Briefkasten mal klar Schiff zu machen.

Licht aus

Manche Blogger sind angesichts der neuen Verordnung so verunsichert, dass sie ihre Seiten offline stellen. Der Blogger Enno Park hat mehr als 200 Adressen aufgelistet, die im Zuge der DSGVO ihr Angebot erst einmal eingestellt haben. "Diese kleine Erhebung ist natürlich überhaupt nicht repräsentativ. Ich rechne mit einer Dunkelziffer mindestens um den Faktor 10." Aber auch Unternehmen kapitulieren vor dem neuen europäischen Datenschutzgesetz. Zum Beispiel die US-Nachrichten-Webseiten von LA Times (die wichtiges Zeitung Kaliforniens) oder Chicago Tribune. Zur Sicherheit haben diese ihre Angebote für den europäischen Markt auf Eis gelegt. Nutzer aus Europa erhalten beim Besuch der Internetseite einen Hinweis, dass man nicht mehr erreichbar sei, aber Lösungen suche, "um alle Leser mit unserem preisgekrönten Journalismus bedienen zu können". Ebenfalls den Dienst erheblich eingeschränkt hat in dieser Woche der chinesische Anbieter der Smart-Lampen "Yeelight". Zwar lassen sich die Lampen noch an- und ausschalten, andere Features des Angebots wurden mit dem Verweis auf die DSGVO jedoch abgeschaltet.

Verein ohne Vorstand

Nicht nur in der Online-Welt schlägt die Datenschutz-Grundverordnung hohe Wellen. Nach einem Bericht der Tagesschau hat nun auch der erste Verein mit massiven Konsequenzen der Gesetzesregelung zu kämpfen. So soll bei der Bewegungs- und Rehabilitationssportgemeinschaft Ingelheim der komplette Vorstand seine Posten aufgegeben haben. Das Gesetz sei "lachhaft", heißt es von der Vorstandschaft. Der Verein zählt mehr als 250 Mitglieder, die jetzt alle unterschreiben müssen, damit sie in Zukunft noch Post zugestellt bekommen. Jeden einzelnen "abzufahren", könnten die Vorsitzenden nicht leisten, heißt es.

Live-Stream entfällt

Im Freiburger Münster ist es üblich, ausgewählte Gottesdienste per Live-Stream in die Welt zu schicken. Doch damit ist nun erst mal Schluss. Weil von allen an der Liturgie Mitwirkenden sowie jedem einzelnen Besucher die Zustimmung zur Übertragung eingeholt werden muss, verzichtet die Kirche vorerst auf das Angebot. Auch die Messe zu Fronleichnam am Donnerstag war davon betroffen. Das DSGVO ist daran jedoch nicht alleine schuld. Vielmehr haben die katholischen und evangelischen Kirchen ein eigenes Datenschutzgesetz, das auf den Grundlagen der Datenschutz-Grundverordnung basiert. Während beim evangelischen Gesetz Livestreams als Ausnahme erlaubt sind, ist das katholische strenger.

Die Ahnungslosen

Das DSGVO beschäftigt Deutschland, doch knapp ein Fünftel der Bundesbürger hat davon noch nie etwas gehört. Das ist zumindest das Ergebnis der "Datenschutz-Studie 2018" der Unternehmensberatung Berg Lund & Company aus Hamburg. Diese hat 2000 Verbraucher zwischen 20 und 69 Jahren nach der neuen Verordnung befragt. Vor allem die Jüngeren wissen demnach gar nicht, dass es das Gesetz überhaupt gibt. Knapp 29 Prozent konnten mit dem Begriff Datenschutz-Grundverordnung gar nichts anfangen. In der Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen hat man sich mehr mit dem Thema beschäftigt. Hier sind nur 14 Prozent der Befragten ahnungslos, worum es beim DSGVO geht.

Rauschmiss beim sozialen Netzwerk

Schrecksekunde für so manchen Twitter-Nutzer. Beim Öffnen der App stellte der ein oder andere in dieser Woche fest, dass sein Account geschlossen wurde. Und zwar vom Anbieter selbst. Betroffen sind vorwiegend jene, bei denen Twitter große Zweifel am Mindestalter hat, aber auch Nutzer, die ihr Konto mit dem Gründungstag ihres Unternehmens verknüpft haben. So wie die Betreiber des Portals Netzpolitik.org. Sie mussten "die Kontaktdaten eines Erziehungsberechtigten nennen", um weiter twittern zu können. Auch die Bergsteigerin Kathy O’Dowd aus Südafrika schaute zeitweise in die Röhre. Die 50-Jährige bloggt im Namen ihrer Katze Cleo. Die ist allerdings erst zwölf Jahre alt und darf Twitter deshalb nur mit Zustimmung ihrer "Eltern" nutzen.

Die Stunde der Betrüger

Während die einen die vielen Mails in Sachen Datenschutzverordnung einfach ignorieren und somit automatisch aus sämtlichen Newsletter-Verzeichnissen fliegen, benötigen andere auch weiterhin die Info-Angebote und müssen daher auf die Nachrichten reagieren. Genau jene warnt die Polizei nun aber. Denn unter die seriösen Anbieter, die ihre aktualisierten Datenschutzbestimmungen verschicken, mischen sich jetzt auch Betrüger. Gefälschte Phishing-Mails locken auf Seiten, die Daten abziehen wollen, statt sie zu schützen. Die Polizei rät daher, eingehende E-Mails zum Thema DSGVO immer noch mit Bedacht zu lesen. Denn die Kriminellen hoffen auf Unaufmerksamkeit aufgrund der aktuellen E-Mail-Flut. Anhänge sollten ebenfalls nicht geöffnet werden, denn dass gesonderte Daten zur DSGVO verschickt werden, ist extrem unwahrscheinlich.

Eigentlich sollte mit der DSGVO für die Verbraucher alles einfacher werden. Mehr Datenschutz, mehr Rechte bei der Auskunft gespeicherter Daten. Doch dann kam alles anders. Gestandene Unternehmer mussten plötzlich ihre Erziehungsberechtigten benennen, andere haben aus Frust einfach ihre Posten im Verein geräumt. Und ein ziemlich großer Teil der Deutschen hat keinen blassen Schimmer, worum es bei der Datenschutz-Grundverordnung überhaupt geht. Aber lesen Sie selbst:

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