Jetzt lacht sie wieder. Régine Liardet ist hier zur Welt gekommen, hat mit fünf Jahren zum ersten Mal ihrem Vater bei der Ernte geholfen und später gemeinsam mit ihrem Sohn den elterlichen Lavendel-Hof übernommen. Sie führt ihn bis heute, hat auch im Frühling geöffnet, verkauft in ihrem Hofladen Lavendelseife, Duftöle, Parfum – und, anders geht es zur Zeit nicht, getrocknete Lavendelsträuße. Weil Lila einfach dazugehört.
Mindestens sechs Wochen ist die Vegetation hier im Süden jener in Deutschland normalerweise voraus. Die vielen Mitarbeiter von Bernard Voisin sind deshalb bereits im April im Hochbetrieb aktiv – auch ohne Lavendel. Der Mann ist einer der größten Arbeitgeber der Region. Für ihn sind mehr als 19 Millionen Beschäftigte im Einsatz, die meisten davon Saisonkräfte. Sozusagen.
Voisin ist "Chef" von über 320 Stöcken mit jeweils gut 60 000 Bienen. Er ist Imker und verkauft den Geschmack der Provence im Glas – herrlich duftenden Lavendel-Honig im Sommer. Und jetzt den Rapshonig. Seine Bienen sind nun in den Feldern und auch auf den Kirschplantagen bei Saint-Saturnin-les-Apts unterwegs, tanzen durch die Kelche, bis die Sonne im Westen hinter den Hügeln verschwindet.
Morgens hängt derweil oft noch Nebel in den Pinien hinter den Häusern und taucht die Nachbargebäude in geisterhaftes Licht. Von irgendwoher bellt ein Hund, kühl ist es noch, es duftet nach Pinien und Kräutern, ein bisschen nach Halsbonbon. Sobald sich dieser Vorhang zu lichten beginnt, setzt regelmäßig auch das Vogelkonzert ein – und keine halbe Stunde später ist keine Spur mehr von diesem Schleier. Wieder klettert das Thermometer auf 22 Grad, wieder ist der Himmel sattblau, wieder leuchten alle Farben.
Es ist dieses besonders intensive Licht, das seit jeher Künstler zum Malen in diese Region gelockt hat – im Frühling und im Herbst mehr noch als im Sommer. Erst van Gogh weiter südlich nach Arles, dann Cézanne immer wieder an den Mont Ventoux mitten in der Provence, schließlich Pablo Picasso. Der hat sich vor fast sechzig Jahren das trutzige Schloss von Vauvenargues bei Aix-en-Provence gekauft, dort sein Atelier eingerichtet, einfach aus dem Fenster geschaut, sich mit dem Licht und den Farben aufgeladen – und dann gemalt. Weil er nie zuvor so viele Landschaftsbilder in so kurzer Zeit vollendet hat, sprechen Kunsthistoriker über seine Zeit mitten in der Provence als "Picassos grüne Periode". Vor dem Portal des Schlosses ist er bestattet.
Wie unterdessen der Frühling hier schmeckt? Nicht nur nach Honig, auch nach dem ersten frischen Gemüse der Saison, nach knackigem Salat aus der Region, nach Radieschen und Tomaten, nach selbstgemachtem Käse direkt vom Bauernhof. Und nach einem Gläschen Rosé auf einer Restaurant-Terrasse mit Weitblick über diese irgendwie archaische Landschaft, all diese in die Gegend gesprenkelten Dörfer, denen noch niemand eine Fabrik neben die Dorfkirche gepropft und ein Hochhaus vor die Ortsmauer gepflanzt hat.
Die Provence – gerade hier im Luberon – ist noch so stimmig, so unverdorben. Und was zerstört war wie das Dorf Gordes, ist wieder aufgebaut. Es macht Spaß, über die Märkte zu bummeln, in kleinen Geschäften Zutaten einzukaufen. Und am Ende schmeckt die Provence nach allem, was das Rezeptbuch an herzhafter Landküche mit mediterranem Einschlag hergibt – ob am Herd des Ferienhauses oder im Lokal.
Und wenn man später zu Hause eines dieser mitgebrachten Honiggläser aufschraubt und probiert, dann ist das Provence-Gefühl auf einen Schlag wieder da. Was tun, wenn der Honig alle ist? Wieder hinfahren. Am besten im Frühling.
Fotos: Helge Sobik