Gemeint gewesen wären die etwas gleicheren Passagiere: die First- oder Business-Class-Tickets haben, kleine Kinder im Schlepptau führen – oder eines dieser Vielflieger-Kärtchen in Gold, Schwarz oder Platin eignen und Vortritt haben. Eigentlich. Denn vor denen steht sicher jemand, der weder die Durchsage kapiert hat noch das Wesen von "Priority Boarding" – oder die Vorzugs-Nummer als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz am liebsten vor den Gerichtshof für Menschenrechte bringen würde. Meist bedarf es zum Fortgang des Mannes und damit der Geschichte des Zuredens einer schick uniformierten Dame.
Endlich ab an den Karten-Scanner: Feiner Zwirn zuerst, glauben die Business-Nasen, von denen mindestens einem beim Mail-Check das Smartphone samt virtueller Bordkarte abschmiert, dahinter der bunte Rest. Brav zum Flieger, drei Schritte hinein – und Stopp. Die sich wichtig Wähnenden brauchen ja ein wenig. Trolley nach oben, Jackett aus, Trolley wieder runter, weil Laptop noch drin. Trolley wieder hoch. Powerbank samt Ladekabel entpacken und anschließen. Dahinter erste Proteste – und vorne Erstaunen zwischen den Ohrhörern. Tatsächlich, die bunte Schlange will überraschenderweise auch an Bord. Wie impertinent ...
Einem ehernen Luftfahrt-Gesetz folgend, steigen immer diejenigen zuerst ein, die am Gang sitzen. Vermutlich hat das mit mangelnder Bein-Durchblutung zu tun, vor der bei Flugreisen gerne gewarnt wird. So nämlich können Thrombose-Anfällige noch einmal aufstehen, wenn erst derjenige kommt, der in der Mitte sitzt – und beide vereint, sobald zum guten Schluss auch die Dame am Fenster zu ihrem Platz will.
Noch nicht ausreichend herumgesprochen hat sich offenbar die fortlaufende Nummerierung von Sitzreihen. Kleiner Tipp: Es besteht tatsächlich keine Not, schon in Reihe drei erstmals zu prüfen, ob 31B schon erreicht ist – und in Reihe fünf zur Sicherheit nochmal. Wiewohl exaktes Vorgehen Dialoge wie diesen erspart: "Sie sitzen auf meinem Platz." "Tue ich nicht. Hier mein Ticket: A12." "Tut mir leid, hier ist 12A – A12 ist das Gate. Ihr Sitzplatz ist 26D." "Oh ..."
Bis "Boarding completed" dauert es also. Zwischenzeitlich meldet sich der Kapitän aus dem Cockpit und sagt zweierlei an. Erstens sei der Flug völlig ausgebucht, weshalb Gepäck unter den Vordersitzen verstaut werden müsse – und zweitens habe ein Fluggast zwar einen Koffer aufgegeben, sei aber leider nicht eingestiegen, weshalb die durch die Absenz riskant gewordene Fracht ausgeladen werden müsse. Und ja: Überzählige Koffer befinden sich grundsätzlich in dem Container, der zuallererst eingeladen wurde. Schließlich kommt man an den als letztes ran.
Am Ende hebt der Vogel dann tatsächlich ab – in aller Regel 30 Minuten nach dem offiziellen Termin, was die Wahrscheinlichkeit für das Erreichen des Anschluss-Fluges deutlich sinken lässt. Auch so ein Gesetz der Lüfte. Verspätung haben ausschließlich Flieger, in denen man sitzt. Maschinen, die man erreicht hätte, wäre das Gate nur drei Minuten später geschlossen worden, starten auf die Sekunde.
Kein Wunder, dass Flug und Fluch so verdammt ähnlich klingen ...