Sie treten im Fernsehen auf und sind Gastgeber der Kabarettsendung „Die Anstalt“, zudem wirken Sie bei der „heute-show“ mit. Sie touren derzeit aber auch mit Ihrem Kabarettprogramm „Theorie der feinen Menschen“ durch die Bundesrepublik. Welche Tätigkeit ist für Sie erfüllender?
Mir ist es im Grunde egal, wo die Bühne steht auf der ich das machen kann, was ich liebe.
Was schätzen Sie an Ihrer Tätigkeit als politischer Kabarettist am meisten?
Die Freiheit mir öffentlich Gedanken über die Welt machen zu dürfen. Und am Ende wird geklatscht. Sagen Sie mir einen Beruf, in dem das so ist.
Welche Momente frustrieren Sie?
Wenn ein Thema, das mir wichtig ist, sich nicht darstellen lassen will. Erklären Sie mal die Funktionsweise von Derivaten, ohne dass Ihnen die Zuschauer (zu Recht) davonlaufen. Oder die Berechtigung einer hohen Erbschaftssteuer. Frustrationstoleranz ist etwas Wichtiges. Das habe ich beim Bahnfahren gelernt.
Die Unterscheidung in politisches Kabarett und Comedy gibt es in dieser Form eigentlich nur in Deutschland. Länder wie Großbritannien oder die USA kennen solche Unterschiede nicht. Wäre es nicht einfacher auch mehr Comedy ins Programm zu bringen, um ein größeres Publikum zu erreichen?
Ich habe im Rahmen meiner Magisterarbeit über Kabarett damals versucht die sogenannte Comedy vom Kabarett trennscharf zu separieren. Das war unfreiwillig komisch: Es funktioniert nämlich nicht. Warum? Es wird mit demselben Handwerkszeug gearbeitet. Man könnte vielleicht eher versuchen Humor und Satire zu unterscheiden. Also: Satire attackiert ihren Gegenstand, will ihn der Lächerlichkeit preisgeben. Der Humor nimmt sein Objekt in heiterer Gelassenheit eher als gegeben hin. Der Satiriker verurteilt, der Humorist gibt Bewährung. Werner Finck hat einmal formuliert: „Humor ist eine zwischen dem Tragischen und Komischen pendelnde Stimmung, die nichts wichtig nimmt außer sich selbst.“ Ja, Sie haben Recht. Vielleicht sollte ich mal was mit Mann-Frau machen.
Welche Eigenschaften sollte man als Zuschauer beim politischen Kabarett mitbringen?
Zuhören wollen und Sitzen sollte man auch können. Das wär’s auch schon.
Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann Ihre Karriere als Kabarettist aufzugeben und in die Politik zu gehen?
Nein. Mir fehlt die notwendige Fähigkeiten Mehrheiten zu organisieren und – vielleicht wichtiger noch: Mehrheiten organisiert zu halten. Ich bin außerdem überzeugt von der Notwendigkeit von Kunst. Und damit von Künstlern. Aber ich gebe es zu, diese Gedanken könnten nicht ganz uneigennützig sein.
Als Kabarettist beschäftigen Sie sich auch mit möglichen, zukünftigen Entwicklungen der Politik. Welche Ihrer Vorhersagen sind in den vergangenen 20 Jahren eingetreten?
Ich halte mich mit Vorhersagen zurück. Sie tendieren dazu einem nachgetragen zu werden. Außer in der Wirtschaftswissenschaft. Da können Sie interessanterweise behaupten was Sie wollen. Und das Beste: wenn Sie dabei trotz mathematisch ausgeklügelster Modelle die größte Finanzkrise seit Dekaden übersehen – steigen sogar Ihre Gehälter!
Wie tagesaktuell gestalten Sie Ihr Programm „Theorie der feinen Menschen“?
Ich halte es und mich frisch.
Sie haben im Lauf Ihrer Karriere mit unterschiedlichen Kabarettisten zusammengearbeitet. Sind Kabarettisten eher Einzelgänger oder funktioniert das Teamwork doch recht gut?
Es gibt beide Extreme: KabarettistInnen sind ja auch irgendwo Menschen. Aber die gemeinsame Arbeit an einem Wahnsinn wie der „Anstalt“ schweißt schon zusammen. Sprich: nur ein Tag zum Text lernen, nur zwei Tage zum Proben – aber dann mit der noch rohen Fassung vor über zwei Millionen Menschen live auf die Bühne zu gehen. Da können Sie sich den Betriebs-Ausflug in den Klettergarten sparen!
Wie verläuft der Arbeitsprozess an einem Kabarettprogramm bei Ihnen? Wie wählen Sie Ihre Ideen aus, wie lange dauert der Schreibprozess, wie lange proben Sie?
Drei Seelen wohnen, ach!, in meiner Brust. Der Schauspieler fordert andauernd irgendwelchen großen Texte, die funkeln und funktionieren. Der Journalist sagt, er hat noch nicht genug zu dem Thema recherchiert. Der Schauspieler hält dem Journalisten immer vor mit zu viel Informationen die Pointen zu versauen. Der Autor versucht die beiden Streithähne unter einen Hut zu bringen und ist am gestresstesten von allen, denn er hat den Abgabetermin vor Augen. Er ist sich aber mit dem Journalisten trotzdem einig, dass der Schauspieler ein eitler Gockel ist, der um die Gunst des Publikums buhlend wichtige Aspekte und Abwägungen beiseitelässt. Aber wegen ihm kommen halt die Leute. Dieser Prozess ist relativ unvorhersehbar was die Länge betrifft.
Ein paar kurze Stichwort-Fragen: Merkel oder Trump?
Wofür? Zum Schach spielen? Oder um Außenpolitik zu besprechen? Dann beide!
Weißwürste und Brezn oder vegane Gerichte?
Komplexere Frage, als es auf den ersten Moment wirkt. Vor allem wenn man die Aussage auf die gesamte Menschheit übertragen möchte. Ich sage für mich persönlich: Brezn mit süßem Senf. Nur: die Welt wird man mit dieser Entscheidung wohl nicht vor dem Klimawandel retten.
Wie denken Sie, wird sich die Politik in der Zukunft entwickeln? Immerhin ist dann auch der Einsatz künstlicher Intelligenz über Mensch-Maschinen-Schnittstellen möglich.
Vorhersagen. Wie gesagt: nicht so meins.
Eine gute Fee taucht auf und erfüllt Ihnen drei Wünsche. Was wünschen Sie sich?
Dass ich nicht zu früh aufwache.
Worauf freuen Sie sich bei Ihrem Auftritt in Bayreuth am meisten?
Auf die Zuschauer.
Claus von Wagner live
Der Kabarettist zeigt sein Programm „Theorie der feinen Menschen“ am 6. Oktober um 20 Uhr im Zentrum in Bayreuth. Karten dafür gibt es im Ticketshop unserer Zeitung.