Veranstaltungstipps David Newman: "Es ist wirklich ein einzigartiger Film"

Das Gespräch führte Olaf Neumann

„Star Wars – A New Hope“, wird auf Großleinwand gezeigt und dabei von großen Sinfonieorchestern begleitet. Wir sprachen mit deren Dirigent David Newman.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Mr. Newman, Ihr Onkel Lionel war John Williams musikalischer Direktor bei der „Star Wars“-Trilogie. Setzen Sie mit diesem Projekt eine Familientradition fort?
Lionel war Alfreds jüngerer Bruder. Ich habe auf vielen John-Williams-Soundtracks Violine gespielt von Ende der 70er bis Mitte der 80er Jahre. In der Regel probte John die Musik mit dem Orchester ein und anschließend dirigierte Lionel die Aufnahmesessions. Die zwei sind zusammen aufgewachsen und waren unzertrennlich. Ihre Büros bei 20th Century Fox lagen sich direkt gegenüber. Sie trafen sich jeden Morgen um sechs Uhr auf einen Kaffee und wer sonst noch so früh auf den Beinen war, gesellte sich zu ihnen. John war sehr diszipliniert und arbeitete täglich acht oder neun Stunden an seinen Soundtracks. Die 20th Century Fox-Musikabteilung heißt heute The Lionel Newman Building. Und im Fox-Studio gibt es die Alfred Newman Stage. Man hat sie wieder so hergerichtet wie in den 40er und 50er Jahren. Bei Fox gibt es viele Andenken an die Familie Newman.

Sie sind Sproß einer der berühmtesten Komponisten-Dynastien Hollywoods. Welche Ausbildung haben Sie genossen?
Mein Bruder Tom und ich sind 18 Monate auseinander. Als mein Vater starb, war ich 16 und schüchtern, aber Tom und ich waren da schon sehr gut ausgebildet. Bereits mit sieben erhielten wir Geigenunterricht. Von sieben bis zehn Uhr mussten wir immer unsere Hausaufgaben erledigen und anschließend wurden wir zu einem Gemeindeorchester gefahren, in dem Erwachsene und Kinder spielten. Das war eine sehr gute Lernerfahrung. Ich habe die Filmmusiken meines Vaters erst im College so richtig kennengelernt und sie mir dann Stück für Stück erarbeitet. Das Orchester, mit dem mein Vater bis in die 1950er Jahre absolut unabhängig arbeitete, hatte einen solch wunderschönen Klang, dass es kaum auszuhalten war. Das kann man nachhören in Filmklassikern wie „Vom Winde verweht“ und „Der Zauberer von Oz“.

Haben Sie Ihre Karriere einem Orchester zu verdanken?
Nein, in meinen 20ern war ich selbständiger Musiker und arbeitete viel fürs Kino und Fernsehen. Zum Beispiel spielte ich auf dem „E.T.“-Soundtrack, für den John Williams einen Oscar erhielt. Zur Vorbereitung schaute ich mir fünf Tage lang den Film an! Ich habe hunderte von Soundtracks mit eingespielt, darunter die ersten „Star Trek“-Kinofilme. Eine unglaubliche Erfahrung!

Laut dem amerikanischen Filminstitut ist „Stars Wars: A New Hope“ die beste Filmmusik aller Zeiten. Denken Sie das auch?
Naja, diese Listen... Sie gehört auf jeden Fall zu den besten Scores in Amerika. Es ist wirklich ein einzigartiger Film, und die Musik treibt die Handlung voran. Ich kenne nichts Vergleichbares. In „Stars Wars: A New Hope“ höre ich Referenzen an Wagner und Korngold. Niemand hat damals geahnt, dass diese Musik einmal so populär werden würde. John Williams‘ Leistung ist phänomenal und sicherte ihm eine bis heute gültige Vormachtstellung innerhalb seines Genres.

Wer kann John Williams das Wasser reichen?
Jerry Goldsmith war für mich ebenfalls ein Superstar. Er bekam für seine Arbeit nicht so viel Zustimmung wie John Williams und starb 2004, aber für mich war er genauso faszinierend. Diese zwei kannten sich in der klassischen Musik extrem gut aus.

Empfinden Sie es als schwierig, mit einem Weltklasseorchester zu arbeiten, das sonst nur klassische Musik spielt?
Als John Williams anfing, mit dem Boston Pops Orchestra zu arbeiten, war es für ihn ein Alptraum, weil die Musiker nicht bereit waren, seine Musik zu analysieren. Aber er boxte sich durch. Die Orchester werden immer jünger, frauenlastiger und offener. Heute gibt es nicht mehr viel Widerstand. Das „Darth Vader“-Thema ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie wichtig Rhythmus bei Filmmusik ist. Der militaristische Rhythmus unterstreicht den Charakter der Figur Darth Vader, die das Böse personifiziert.

Hat John Williams mit „Star Wars“ Pionierarbeit geleistet und ist „A New Hope“ bedeutend für die Filmgeschichte?
„Star Wars – A New Hope“ ist definitiv bedeutend für die amerikanische Filmgeschichte, aber nicht zu vergessen ist der Einfluss europäischer Musik auf John Williams. Zum Beispiel Beethovens 7. Sinfonie oder Strawinskys „Frühlingsweihe“.

Wie oft haben Sie für die Welturaufführung von „A New Hope“ mit dem New York Philharmonic Orchestra geprobt?
Zweimal. Ich weiß, dass es in Deutschland anders ist. Dort hätte ich mindestens sieben Proben bekommen. Beim Schleswig-Holstein Musik Festival waren es sogar 14. dort haben wir „West Side Story“ und „E.T.“ gespielt. Ich wurde auch schon für amerikanische Opern angefragt. Die werde ich wahrscheinlich sogar dirigieren, aber hauptberuflich schreibe ich Filmmusiken.

Für „Star Wars – A New Hope“ wurde Williams mit einem Oscar, einem Grammy und einem Golden Globe ausgezeichnet. Ist die Musik spektakulärer als der Film selbst?
Das weiß ich nicht. Meiner Ansicht nach sollten Film und Musik immer als Gemeinschaftsprojekt funktionieren. Ich finde es schwer, beides zu trennen. Wäre „Star Wars – A New Hope“ ein noch dichterer Film mit mehr Dialog geworden, wäre die Musik wahrscheinlich nicht so stark ausgefallen. Das Konzept des Films ist sehr wagnerianisch.

War John Williams von anderen Filmkomponisten beeinflusst, als er „Star Wars: A New Hope“ schrieb?
Ich glaube, ja. Kennen Sie Erich Wolfgang Korngolds Soundtracks „Robin Hood“ und „Cpt. Blood“ (dt.: Unter Piratenflagge)? Korngold war ein Rockstar in den 30er Jahren. Als er die Oper „Die tote Stadt“ schrieb, war er erst 18 und galt als der neue Strauss. John Williams ließ sich auch von alten Abenteuerfilmen und Western beeinflussen. Rückblickend erscheint uns der Erfolg von „Star Wars“ als offensichtlich, aber 1977 glaubte die 20th Century Fox nicht daran. George Lucas ist heute mehrfacher Milliardär, weil er sich von Anfang an die Merchandising- und Filmmusikrechte an „Star Wars“ gesichert und stattdessen auf eine höhere Gage verzichtet hat. Diese Rechte verkaufte er später für vier Milliarden Dollar an Disney.

Warum war „Star Wars: A New Hope“ so ein großer kommerzieller Erfolg?
An dieser Frage kann man lange herumrätseln. In der Filmbranche wird unheimlich viel Marketing betrieben, aber oft funktioniert es nicht. Manchmal sind schlechte Filme erfolgreich und gute floppen. Wenn man nur wüsste, was einen Erfolg ausmacht. Ich glaube, niemand würde sich eine Kinokarte kaufen, nur weil ein Film erfolgreich ist. Man tut es, weil man einen bestimmten Streifen liebt. Wenn man einen Film in einem Konzertsaal zeigt und den Soundrack dazu live spielt, ist das eine Möglichkeit, ein Werk aus Sicht der Musik neu zu interpretieren. Das Ganze hat etwas von einem Konzert und einem Kinoevent. Ich habe das u.a. auch mit Bernsteins „West Side Story“ gemacht. Das erste, was das Publikum sah, war das MGM-Logo mit dem Löwen. Die Leute mussten jedes Mal lachen, aber wir haben nicht verstanden, warum. Es war irgendwie ein festlicher, nostalgischer Moment. Und niemand wird bestreiten, dass es schöner ist, Live-Musik zu hören als eine Konserve. Besonders, wenn sie aus dem Jahr 1961 stammt. Und „Star Wars“ wurde 1977 aufgenommen, aber live gespielt in einem, schönen Raum, klingt diese Musik noch einmal ganz anders.

Ihr Vater hat neun Oscars gewonnen für Filme mit Marilyn Monroe, Ingrid Bergman, Henry Fonda, John Wayne, James Stewart, Burt Lancaster, Steve McQueen. Kannten Sie all diese Stars persönlich?
Nein, Vater hielt uns Kinder von seiner Arbeit fern. Ich wurde 1954 geboren und das Studiosystem begann erst 1959. Mein Vater arbeitete viel bei uns zuhause in Los Angeles. Er stand immer zwischen 10 und 11 Uhr auf und schrieb bis Mitternacht. Es war hauptsächlich unsere Mutter, die sich um unsere musikalische Ausbildung kümmerte.

Und wie arbeiten Sie selbst?
Ich habe mein eigenes Studio und meine eigene Sound-Data-Base. Die Musik nehme ich mit Orchestern in den USA, England oder Deutschland auf. An der Deutschen Oper in Berlin gibt es wundervolle Musiker. Bei den ersten 50 Filmen, für die ich Musik geschrieben habe, habe ich selbst dirigiert. Ich habe schon sehr früh angefangen, mit Notationssoftware zu arbeiten. Mit solchen Programmen können sogar Laien Musik schreiben.

Wie viel Freiheit haben Sie, sich selbst auszudrücken, wenn Sie Musik für einen großen Hollywoodfilm schreiben?
Der Begriff „sich selbst ausdrücken“ klingt in diesem Zusammenhang etwas seltsam, weil man als Filmkomponist einer Sache dient. Auf der anderen Seite ist alles, was ein Komponist tut, sich selbst auszudrücken. Aber nicht auf eine Weise, die für einen Film kontraproduktiv wäre. Das kann eine harte Lektion sein, denn zuweilen muss man sich von tollen Ideen verabschieden oder sie auf fünf Sekunden herunterkürzen. Manchmal ist es gut, wenn einem Grenzen gesetzt werden. Regisseure, die über ein unbegrenztes Budget verfügen, werden oft verrückt, weil sie so nie zu einer Entscheidung kommen.

Wie viel Zeit haben Sie in der Regel für einen Soundtrack?
Zwischen ein paar Wochen und mehreren Monaten.

Haben Hollywoodstars unter Umständen ein Mitspracherecht bei der Musik?
Nur, wenn sie auch Produzent sind. In der Regel mischen sich nur der Regisseur und der Produzent in meine Arbeit ein. Es gibt auch Fälle, bei denen der Regisseur gar nicht das Sagen hat. Das muss man aber erst einmal herausfinden. Bei einem Film bekam ich sogar Anweisungen von vier Leuten. Es ist kein Geheimnis, dass es derzeit im „Star-Wars“-Imperium Probleme gibt. Man hat drei Regisseure verschlissen. Die Geldgeber haben sehr genaue Vorstellungen von dem, was sie wollen und sind in der Regel nicht besonders offen für Innovationen.

Wie geht es weiter mit Ihnen und „Star Wars“?
Direkt nach „A New Hope/Eine neue Hoffnung“ haben wir kurz nacheinander auch „Das Imperium schlägt zurück“, „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ und „Das Erwachen der Macht“ live aufgeführt. Das war ganz schön verrückt.

Es heißt, Hollywood sei ein Haifischbecken, in dem es von Zynikern und Menschenverächtern à la Harvey Weinstein nur so wimmelt. Welches sind Ihre Erfahrungen mit der Traumfabrik?
Ich denke, jede Industrie ist rücksichtslos, nicht nur die Filmbranche. Auch an der „Wall Street“ geht es gnadenlos zu. Aber Hollywood hat einen ganz eigentümlichen Charakter. Man scheut dort die Konfrontation. Kennen Sie die Geschichte von Alex North und dem Film „2001 – Odyssee im Weltraum?“? North hatte bereits Stanley Kubricks Monumentalfilm „Spartacus“ vertont, für mich einer der besten Scores des 20. Jahrhunderts. Deshalb bekam er auch den Zuschlag für „2001“. Er schrieb also die Musik und ging nichtsahnend auf die Premiere. Dort musste Alex North feststellen, dass Stanley Kubrick seine Musik gar nicht verwendet hatte. Wenn es heißt, Hollywood sei grausam, dann sind damit solche Dinge gemeint. Schauspieler werden oft überhaupt nicht informiert, wenn sie aus einem Film herausgeschnitten wurden.

Ihr Cousin Randy Newman sollte darüber mal einen Song schreiben!
Ich liebe Randy! Er ist einzigartig, für mich ist er der singende Mark Twain des 20. Jahrhunderts. Aber er dirigiert auch sehr gerne, was gar nicht so bekannt ist. Randys Songs sind sehr nuanciert und subtil. Ich mag ganz besonders „Real emotional Girl“, weil es die Zeit, in der ich in Pacific Palisades aufgewachsen bin, perfekt beschreibt.

Star Wars in Concert

„Star Wars in Concert: Eine neue Hoffnung“ ist am 12. und 13. April um jeweils 19.30 Uhr in der Meistersingerhalle in Nürnberg zu erleben. Karten gibt es bei uns.