Veranstaltungstipps Doro Pesch: "Metal-Fans sind sehr loyal"

Das Gespräch führte Olaf Neumann
 Foto: Veranstalter

Sie ist die deutsche Schwermetall-Göttin: Doro Pesch. Die Sängerin und Songschreiberin feiert ihre 35-jährige Karriere mit eiihrem 20. Studioalbum und einer Welt-Tournee.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Ihr 20. Studioalbum und erstes Doppelalbum heißt „Forever Warriors, Forever United“. Wofür kämpfen Sie seit 35 Jahren?
Für die guten alten Werte: Gemeinschaft, Zusammenhalt, Freundschaft, Verbundenheit, selbst wenn man nicht dieselbe Sprache spricht. Metalfans haben das Herz am rechten Fleck. Ich vertraue ihnen seit 35 Jahren mein Leben an, damit bin ich immer gut gefahren. Für mich als Musiker ist es wichtig, das ganze Paket zu haben: eine schöne Album-Box, die mit viel Liebe gemacht ist. Etwas, das man sich zuhause an die Wand hängen kann. In manchen Ländern gibt es gar keine CDs mehr.

Metal ist heute die große konservative Kraft der Musikbranche.
Absolut. Metal-Fans sind sehr loyal, das ist einmalig.

Welche musikalischen Mittel sind im Kampf erlaubt, welche nicht?
Alles mit Liebe ist erlaubt! Bei mir kommt alles aus dem Bauch und aus der Seele. Das Herz entscheidet, wo die Reise hin geht. Jeder Song ist mit Liebe gemacht, deshalb nehme ich immer weltweit auf. Wenn ich das Gefühl habe, ein Song wird von einem besonderen Tontechniker besser verstanden, dann bin ich da. Ich arbeite sehr gerne mit Andreas Bruhn, dem Ex-Gitarristen der Sisters Of Mercy zusammen.

Wie kam es zu dem ungewöhnlichen Song „If I Can’t Have You – No One Will“?
Es ist ein brachiales Duett mit Johan Hegg von Amon Amarth und eine obsessive Liebesgeschichte. Sehr leidenschaftlich! Johann hat eine tolle tiefe Stimme. Letztes Jahr wurde meine Platte „Triumph And Agony“ 30. Aus dem Grund habe ich meinen alten Gitarristen Tommy Bolan angerufen, um das Jubiläum fett zu feiern. In einem Hotelzimmer in Norwegen haben wir dann bis um sieben Uhr morgens gejammt, dabei ist „If I Can’t Have You – No One Will“ herausgekommen. In dem Hotel waren hoffentlich nur Bands! Und wenn da noch ein paar normale Gäste waren, sind die mit Sicherheit von uns geweckt worden. Aber der Song hat wirklich schöne Melodien und wer Musikfan ist, hat sich daran sicher erfreut. Das Demo habe ich Johan Hegg geschickt, der dann die Hälfte des Textes beigetragen hat.

Warum macht Sie schnelle, harte und laute Musik glücklich?
Ich muss sagen, ich stehe auf beide Extreme: total harte Power-Musik und sehr melodische, gefühlvolle Klänge. Ich wollte schon mit drei Jahren Sängerin werden; meine erste Band hatte ich mit 15. Später gründete ich Warlock, das war die Zeit, wo Metal groß wurde. Am Anfang wusste ich gar nicht, dass das unsere Musik Metal ist. Wir haben einfach das gemacht, was wir machen wollten: nämlich uns mit voller Power und viel Emotionen auszutoben. Als Teenager kann es einem nicht heavy genug sein. Irgendwann wurde das als Metal bezeichnet. Heute muss ich immer eine Melodie und einen schönen Text haben. Die besten Ideen bekomme ich immer kurz vorm Einschlafen, wenn der Geist ganz offen ist. Ich spüre sofort, wenn etwas Magie hat. Dann vibriert der ganze Körper und ich kriege Herzklopfen.

Das Motörhead-Cover „Lost In The Ozone“ und Ihr eigener Song „Living Life To The Fullest“ sind Ihrem verstorbenen Freund Lemmy Kilmister gewidmet. Wie erinnern Sie ihn?
Die ganze Platte ist Lemmy gewidmet! Ich war todtraurig und bin zu seiner Beerdigung nach Los Angeles geflogen. Da kam mir die Idee zu „Living Life To The Fullest“. Ich wollte den Song sofort aufnehmen, um mit Lemmy verbunden zu bleiben.

Wie war Lemmys Beerdigung?
Er liegt gegenüber von Ronny James Dio. Die Beerdigung war sehr traurig, aber schön gemacht. Es wurde auch Whiskey ausgeschenkt! Anschließend gingen alle ins Rainbow, wo sie sich in den Armen lagen. Das Rainbow war Lemmys Lieblingsclub. Er hat dort immer gesessen und gequatscht. Lemmy war mein bester Freund im Musikzirkus. Er war ein ganz sensibler und hat mir viel geholfen. Raue Schale, weicher Kern.

Inwiefern hat er Ihnen geholfen?
Es war eine spezielle, sehr traurige Situation. 2000 ist mein Vater gestorben, und einen Tag später rief Lemmy bei mir an. Ich wollte eigentlich gar nicht rangehen, weil ich völlig am Ende war. Aber dann erzählte ich ihm, was los war. Er meinte, ich solle nach LA kommen und mit ihm zusammen Songs schreiben. Das habe ich ein paar Wochen später auch getan. Heraus gekommen sind meine ersten Duette. Lemmy hat sich sehr bemüht, mir gegenüber die richtigen Worte zu finden und mir wieder Hoffnung gegeben. Es war eine ganz heftige Situation.

Im Gegensatz zu Lemmy trinken und rauchen Sie nicht und essen auch kein Fleisch.
Lemmy hat gern getrunken, und ich habe ihn immer durch LA gefahren. Da darf man ja in der Öffentlichkeit nicht trinken. Ich musste ihm immer Bescheid sagen, wenn die Luft rein war. Dann hat er seine braune Plastiktüte hervorgeholt und schön am Whiskey genippt. Ich war immer clean, ich bringe jetzt noch meine Band nach Hause. Lemmy und ich haben uns auch so super verstanden. Wenn man sich im Herzen mag, braucht man keinen Alkohol. Obwohl: Als ich ihn in einem Pub in England das allererste Mal traf, habe ich seinen Whiskey mit Cola nicht abgelehnt. Aber im Allgemeinen trinke ich nicht.

Hat die Dauer Ihrer Karriere etwas mit Ihrer Diszipliniertheit zu tun?
Ich hatte nie die Ambition, Drogen zu nehmen, weil ich einmal ziemlich krank war. Bevor ich meine erste Band hatte, habe ich ein Jahr um mein Leben gerungen. Da habe ich gemerkt, wie lebenswert das Leben ist. Als Teenager will man ja alles ausprobieren, aber das hatte sich bei mir ziemlich schnell erledigt. Ich habe mir damals geschworen, wenn ich jemals lebend aus dem Krankenhaus rauskomme, mache ich etwas Schönes. Zwei Wochen später hatte ich meine erste Band. Seitdem habe ich nicht einen Tag ohne Musik verbracht. Auf Tour zu gehen ist zwar kein Zuckerschlecken, aber es war immer mein Traum.

50 Jahre sind vergangen, seitdem die Band Steppenwolf die Worte „Heavy Metal“ in dem Song „Born To Be Wild“ zum ersten Mal intonierte. Wie ist es um diese Musik heute bestellt?
Super! In den 90ern hatte Metal eine heftige Durststrecke, weil der Grunge aufkam. Seit 2000 ist er weltweit wieder auf dem Vormarsch. Die Konzerte sind meistens knackig voll und Festivals wie Wacken sind in der Regel ausverkauft. Ich war schon sehr oft da. Ich war jetzt das erste Mal in Sibirien, da waren 20.000 Leute aus ganz Russland, die alle Songs mitgesungen haben, sogar die deutschsprachigen. Die Russen stehen besonders auf die deutschen Songs wie „Herzblut“ und „Für immer“.

Haben Sie Ihre Wohnung in New York noch?
Ja. Ich habe auch noch eine kleine Wohnung in Florida und eine in Düsseldorf. Aber meistens bin ich auf Tour und lebe aus dem Koffer.

Haben Sie die ganzen Andenken aus Ihrer 35-jährigen Karriere auf Ihre drei Wohnungen verteilt?
Ich habe in New York zweimal einen tropischen Wirbelsturm erlebt: Hurricane Irene und Hurricane Sandy. Zweimal war meine Wohnung überflutet, das Wasser stand anderthalb Meter hoch. Klamotten, Waschmaschine oder Kühlschrank sind mir ja egal, aber alle Fotos und Briefe waren weg. In der Gegend gab es früher nie Überschwemmungen. Wenn ich auf Tour bin, merke ich, wie das Weltklima sich verändert hat. Wir erleben immer mehr Hurrikane, Überflutungen, Schneestürme und Hitzewellen.

Wie politisch darf Metal sein?
Auf der neuen Platte sind auch ein paar politische Songs. „Résistance“ zum Beispiel schrieb ich, als die US-Wahl in vollem Gange war. Ich dachte, da drehen jetzt alle durch. Schon 1989 habe ich „Beyoned The Trees“ geschrieben, ein Umwelt-Song in der Art von „Mein Freund, der Baum“ von Alexandra. In meine Texte fließen immer persönliche und politische Dinge mit ein, aber auch Fan-Schicksale. Bei mir hat alles eine positive Message. Das unterscheidet sich wesentlich von den 80er Jahren. Als Teenager sieht man die Welt mit anderen Augen. Der Arbeitstitel der Platte war „Empowered United“. Bei Andreas Bruhn in Hamburg fing sie an, so richtig zu rollen. Nach zwei Jahren hatten wir über 40 Songs zusammen, und es wäre schade gewesen, nur zwölf oder 13 herauszupicken. Es sind auch eine sehr spezielle Titel drauf.

Wie kam es zu der italienischen Nummer „Caruso“?
Ich habe schon immer gern in anderen Sprachen gesungen. „Caruso“ wurde von Lucio Dalla geschrieben und von meinem Lieblingsopernsänger Luciano Pavarotti gesungen. Mein Vater war ein großer Fan von klassischer Musik. Ich habe dann meinen italienischen Gitarristen Luca Princiotta gebeten, mich zu coachen, damit ich alles korrekt ausspreche. Er hat es seiner Mutter vorgespielt, die sofort anfing zu weinen, weil es ihr so ans Herz ging. Da dachte ich: Der Song kommt auf jeden Fall drauf!

Wie haben Sie die klassische Heavy-Metal-Zeit Mitte der 1980er Jahre in Erinnerung, als Schwermetaller noch als Bürgerschrecke galten?
Auf die normalen Leute wirkten die langen Haare, die Kutten, die Nieten und die vielen Patches damals sehr krass, aber heutzutage ist das ein gewohntes Bild. Alle sind tätowiert und gepierct und jeder hat schon mal etwas von Wacken gehört. Es hat sich herauskristallisiert, dass die Metaller ein gutes Herz haben. Da passiert nie was. Das haben inzwischen alle gecheckt. Ein Kapitän sagte nach einer Metal-Kreuzfahrt mal zu mir, er hätte noch nie so ein sauberes Schiff gesehen. Die Metaller hätten alles schön hinter sich aufgeräumt und die Betten gemacht. Er meinte, wenn Kegelclubs kämen, ginge immer das halbe Schiff zu Bruch, aber bei Metallern müsse man keine Angst haben.

Doro Pesch auf Tour

Die Rocksängerin geht mit ihrer Band auf „Forever Warriors – Forever United European Tour 2019“ und gastiert am 23. März um 20 Uhr im Löwensaal in Nürnberg. Karten gibt es in unserem Ticketshop.