Veranstaltungstipps Interview

Steffen Rüth
Mit seinem Mix aus Swing, Pop und Soul hat der kanadische Superstar Michael Bublé mehr als 60 Millionen Tonträger weltweit verkauft. Foto: Evaan Kheraj

Leberkrebs-Diagnose beim eigenen Sohn: Michael Bublé hat harte Zeiten hinter sich. Jetzt meldet er sich mit dem neuen Album "Love" zurück.

 
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Sie haben Ihr neues Album "Love" genannt. Warum?

Michael Bublé auf Tour

Der Sänger kommt mit seinem neuen Album nach Deutschland und tritt am 9. November um 20 Uhr in der Arena in Leipzig sowie am 10. November um 20 Uhr in der Olympiahalle in München auf. Karten gibt es in unserem Ticketshop.


Ich habe mich schwergetan mit dem Titel. Wir haben eine schreckliche Zeit hinter uns, und wenn das Schlimmste vorbei ist, spürst du, wie langsam deine alte Persönlichkeit wieder zu Vorschein kommt. Irgendwann bekam ich wieder ein Gefühl dafür, wer ich bin, was mir meine Arbeit bedeutet, wie sehr ich doch an diesem ganzen Leben hier hänge. Und mitten in all diesen Überlegungen sagte mir jemand, dass "Love" einfach der allumfassende, passgenaue Begriff für meine Gefühle sei.

Ist "Love" ein Konzeptalbum?

Ja. Dieses Wort ist magisch, es hat so unendlich viele Bedeutungen. Die Liebe ist nicht immer romantisch, sie kann auch verletzend, gewalttätig und hasserfüllt sein, von Eifersucht geprägt, tragisch. Über "When I Fall In Love" sagen alle: "Was für ein romantischer Song." Ja, ist es, aber zugleich ist das ein sehr einsamer Song. Ein Song, in dem ich als Erzähler nach sechs Drinks in der Bar hocke und davon träume, die Frau zu finden, die ich lieben kann. In "I Only Have Eyes For You" dagegen dreht sich alles um die körperliche Anziehungskraft am Beginn einer Beziehung. Du bist so auf diesen anderen Menschen fixiert, dass du außer seiner oder ihrer Schönheit rein gar nichts mehr wahrnimmst. Das ist ein tolles Gefühl, aber wir wissen, es ist nie von Dauer.

Ist "Love" Ihr bislang reifstes und erwachsenstes Album?

Nach allem, was ich durchgemacht habe - ja, ganz klar. Wie könnte es überhaupt anders sein? Ich habe alle meine Ängste, meinen Schmerz und meine Dankbarkeit genommen, geschrieben, arrangiert, bin einfach dorthin zurückgegangen, wo ich mich über all die Jahre am sichersten fühlte. Ich bin so stolz auf "Love", ich meine, ich habe nie besser gesungen, und ich bin als Künstler nun komplett.

Inwiefern komplett?

Ich bin fähig, in diese geschundenen Charaktere innerhalb der Songs hineinzuwandern und ihre Emotionen zu verstehen. Ich hatte früher so viel Freude, so viel Glück in meinem Leben, doch jetzt habe ich Zugang bekommen zu einem Ausmaß von Schmerz und Verzweiflung, welches ich nie auch nur annähernd gekannt hätte. Aber ich würde mir so sehr wünschen, dass "Love" ein Scheißalbum wäre und die vergangenen zwei Jahre nie passiert wären. Ich würde alles geben, um diese Erlebnisse rückgängig zu machen. Ich kann das nicht so richtig gut erklären, ich habe Schwierigkeiten, über all dies zu sprechen.

Sie müssen nicht.

Was würde ich mir wünschen, wieder so leichtherzig und unbeschwert zu sein wie früher. Aber so werde ich nie wieder sein. Nie wieder. Und das ist in Ordnung, weil Mensch sein eben nicht nur "alles super" bedeutet. Sondern auch das glatte Gegenteil davon sein kann.

Sie haben nach der Krebsdiagnose Ihres Sohnes die Karriere auf unbestimmte Zeit unterbrochen. Wie haben Ihre Erfahrungen Ihren Blick auf Michael Bublé, den Sänger und Superstar, verändert?

Das Verrückte ist: Mir ging es schon vorher nicht gut. Als ich vor gut zwei Jahren mein Album "Nobody But Me" rausbrachte, war die ganze Lust, die Freude am Singen und Michael-Bublé-sein verschwunden. Die Lockerheit war weg, ich hatte null Spaß, wurde immer verbissener.

Weswegen?

Ich hatte Angst, dass mir die Karriere davonflutscht. Dass es abwärts geht. Meine künstlerischen Entscheidungen fußten auf Furcht, nicht auf Lässigkeit und Selbstvertrauen. Ich dachte, Mist, ich bin nicht mehr so angesagt, was ist, wenn ich immer weniger Alben verkaufe, wollen die Leute mich noch sehen. Und ich las wie ein Irrer die Kritiken im Internet, ich nahm auf einmal total wichtig, was alle anderen dachten. Im Nachhinein bin ich überzeugt, dass ich auf dem Weg war in Richtung Burn-out und Zusammenbruch. Und dann kam Noahs Diagnose.

Plötzlich hatten Sie mit zwei lebensverändernden Krisen zu tun?

Nein. In dem Augenblick, als ich von Luisana erfuhr, dass unser Großer Krebs hat, wurde ich in eine andere Dimension geschleudert. Meine eigene Krise platzte wie eine Seifenblase. Mit absoluter Klarheit dachte ich: "Worüber machst du dir eigentlich Sorgen, du Arschloch?" Darüber, was die Leute im Internet schreiben? Wie viele Konzerttickets du pro Tag verkaufst? Ob du auf Platz zwei oder auf Platz vier in den Charts stehst? Ich schämte mich. Ich entschied, niemals wieder die sozialen Medien zu nutzen, nichts zu schreiben und nichts zu lesen. Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, Halloween 2016.

Haben Sie sich Ihren Optimismus während der Behandlung Ihres Sohnes bewahren können?

Nein, das habe ich nicht. Nein. Wir haben die Hölle erlebt. Dein Leben verändert sich unwiderruflich, wenn du mit deiner eigenen Sterblichkeit oder der Sterblichkeit eines Menschen konfrontiert wirst, den du über alles auf der Welt liebst. Meine Familie bedeutet mir alles, diese Angst aushalten zu müssen, es zerreißt dich. Ich bin nicht mehr derselbe Mensch, und das ist okay so.

Haben Sie "Forever Now" für Ihre Frau geschrieben?

Ja. Aber der Song geht über uns beide hinaus. Schlussendlich ist es ein Lied über die Zeit. Unsere Zeit auf Erden ist endlich. Niemand weiß, wann sie für ihn endet. Während wir hier sind, während wir leben, lasst uns die schönste Zeit haben, die wir haben können. Lasst uns einander lieben. Alles andere ist Zeitverschwendung.

Noah ist fünf, Elias ist zwei. Welche väterliche Leidenschaft haben die Jungs geerbt?

Bei Elias sind wir uns noch nicht sicher, und Noah? Der hat gerade seinen ersten Song geschrieben. Im Auto sang er plötzlich los, irgendwas mit "Daddy stinkt". Und er spielt super gerne Klavier.

Das Gespräch führte Steffen Rüth

Das ganze Interview findet sich unter

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