Jay, eure aktuelle Single heißt „Cloud 9“. Das ist der Ort, an dem die Glückseligkeit herrscht. Passend zu deinem momentanen Lebensgefühl?
Ja, voll und ganz. Die vergangenen Wochen haben wir uns den Arsch abgeprobt, damit die Konzerte jetzt auch wirklich geschmeidig laufen. Wir haben ein paar frische Jungs in der Band und viele neue Songs, da ist man schon ganz ordentlich nervös. Und was soll ich sagen? Ich bin ein hocherfreuter alter Knabe.

Warst Du nervös, ob die neuen Lieder gut ankommen?
Wärst Du das nicht in meiner Situation? Ich war alles andere als überzeugt, dass die Reaktionen nach sechs, sieben Jahren so phantastisch sind. Die Leute empfangen uns wieder mit offenen Armen in ihrer Mitte, das ermutigt mich sehr.

Wie skeptisch warst Du, ob Jamiroquai noch Interesse weckt?
Wirklich sehr. Ich kann den Menschen nicht verdenken, dass sie uns nicht mehr auf der Rechnung hatten. Dass sie dachten, wir wären am Ende, fertig, ausgebrannt, kaputt. Wir waren auch wirklich lange weg, das muss ich eingestehen. Aber ich lag nicht faul am Pool herum – zumindest nicht die ganze Zeit (lacht).

Der letzte Song auf „Automaton“ heißt „Carla“. Du singst „Carla – what you you done to me? You made my life complete“. Wer ist Carla?
Meine Tochter!

Ach was. Deshalb also die Pause.
Ja, Carla ist fast zwei. Der Song ist für sie. Und inzwischen hat sie sogar schon eine kleine Schwester, Talullah.

Ein Lied namens „Talullah“ gibt es auf „Automaton“ nicht. Hoffentlich macht die Kleine dir später keine Vorhaltungen.
Dazu hat sie keinen Grund, das Mädchen soll sich nicht so haben. Einen Song namens „Talullah“ gibt es bereits auf meinem Album „Dynamite“ aus dem Jahr 2005. Das habe ich also schon erledigt (lacht).

Der ewige Schwerenöter Jay Kay ist also Vater von zwei kleinen Mädchen. Wer hätte das gedacht?
Tja, so kann es gehen.Mein Leben hat sich krass verändert. Ich denke, es hat Vorteile, wenn du etwas später im Leben Vater wirst. Für mich war es genau der richtige Zeitpunkt. Ich bin ruhiger geworden, kein Vergleich mehr mit meinen wilden, verrückten, ausschweifenden Zeiten.

Drogen, Alkohol, Frauen – Du hast bekanntlich nichts ausgelassen.
Richtig, richtig. Es war extrem. Und verstehen wir uns nicht falsch: Das alte Leben hat mir auch Spaß gemacht. Aber so ein unerwachsenes Dasein, wie ich es bis tief in meine Dreißiger hinein geführt habe, lassen dir zwei kleine Mädchen daheim nicht mehr so einfach durchgehen. Ist auch gut so.
Du bist schon 2013 mit der Arbeit am Album angefangen. Hat dich die Geburt deiner ersten Tochter zusätzlich motiviert?

Total. Nach dem letzten Album „Rock Dust Light Star“, das 2010 rauskam, war ich ein bisschen leer. Ich fragte mich, wofür ich das überhaupt alles noch mache, für wen. Es gab keinen richtigen Grund mehr, mich anzustrengen, um die Welt zu touren, den Stress auf mich zu nehmen. Die Motivation war weg, ich sah keinen Sinn und keinen Fokus mehr in meinem Tun. Das alles ist jetzt wieder ganz anders, und das ist eine wirklich dramatische Veränderung.

Kannst Du deine Gefühle näher beschreiben?
Es ist schön, zu etwas und zu Menschen heimzukommen, zu denen du wirklich heimkommen möchtest. Menschen, nach denen man sich sehnt. So sehr ich meine beiden deutschen Schäferhunde auch liebe, aber sie waren ein solcher Grund dann doch nicht.

Wie kommen die Mädchen und die Hunde miteinander zurecht?
Vortrefflich. Schäferhunde und Kinder, das ist eine Super-Kombination. Ich bin sehr froh und erleichtert, dass das so gut klappt. Das ist wirklich großartig.

Handelt das Liebeslied „Cloud 9“ von der Mutter deiner Töchter? Ich weiß gar nicht, bist Du verheiratet…
…Ja, also nein, ich glaube nicht.

Okay, über deine Beziehung möchtest du also nicht sprechen. Sagst Du trotzdem, um wen es in dem Song geht?
Um die schrägen Wendungen des Lebens. Wir alle waren doch mal in einer Beziehung, die nicht sehr gut lief, und auf einmal lernen wir jemanden kennen und stellen sehr schnell fest, wie glücklich wir mit diesem Menschen sind. Auch mir ging es schon so. Ich kann mir vorstellen, es gibt so manche Ex-Freundin von mir, die den Song heimlich hört und dazu im Wohnzimmer tanzt. Und dann kommt ihr jetziger Freund, und sie machen ihn ganz schnell aus.

Bist Du aktuell glücklich?
Ziemlich glücklich, ja.

Du hättest natürlich auch in Rente gehen und es dir mit deinen Mädchen auf deinem Riesenanwesen gemütlich machen können. Wozu noch arbeiten?
Ja, das ist sicher richtig. Finanziell muss ich das hier alles nicht mehr tun. Aber Musikmachen ist wie eine Sucht, und ich bin eine Suchtpersönlichkeit durch und durch. Deshalb komme ich nicht los von der Musik, und mal ehrlich: Durch ein altes, schlossähnliches Anwesen zu stapfen und alte italienische Sportwagen zu fahren, ist auch nichts, was du für den Rest deines Lebens machen möchtest. Ich bin glücklich, dass ich die Musik und etwas zu tun habe.

Hast Du Neuerwerbungen in deinem Fuhrpark zu vermelden?
Ja. Einen Hybrid-Porsche 918 Spider. Was für ein besonderes Auto, was für ein Superauto. Ich besaß früher den allerersten Porsche, der je gebaut wurde, einen sehr alten 356, und jetzt habe ich den allerneusten. Nichts gegen meine Ferrari, in die bin ich nach wie vor verliebt, aber die springen halt oft nicht an. In den Porsche setzt du dich rein und fährst los.

Kann man nicht auch dein Album „Automaton“ mit einem Hybrid-Porsche bezeichnen? Die traditionellen Jamiroquai-Elemente, der Funk, der Soul, der Retro-Sound, sind noch da. Und doch gehst du mit der Zeit, die Platte klingt elektronischer und fetter.
Ja, der Vergleich passt absolut. Ich wollte den Stil sanft erneuern, nicht immer dasselbe machen. Einerseits bin ich nicht Madonna, die sich auf jedem Album neu erfindet. Andererseits haben wir unseren warmen, weichen Sound angereichert mit kantigerem Schlagzeugspiel, einer größeren Produktion, einem definierteren, klareren Klang.

Manche Stücke, aber auch dein neuer Look erinnern an Daft Punk. Absicht?
Daft Punk sind die Größten. Ich finde alles toll, was die beiden machen. Die Inspiration war nicht bewusst und absichtlich, aber im Unterbewusstsein habe ich mich sicherlich von Daft Punk beeinflussen lassen. Es wäre großartig, eines Tages mal was mit denen zusammen zu machen.

Auf „Automaton“ geht es inhaltlich um den Kampf zwischen Mensch und Maschine. Wann hast Du das Konzept entwickelt?
Ganz am Anfang, noch bevor ich mit dem Songschreiben anfing. Ich bin ja ein kleiner Prophet, was die Zukunft angeht, schon vor 20 Jahren habe ich mit „Virtual Insanity“ vieles prophezeit, was auch eingetreten ist. Ich mache mir Sorgen darüber, wie schnell sich die Technologie entwickelt, wie stark die dunkle Seite neuer Erfindungen ist, und dass irgendwo in einem Labor jemand sitzt, der Böses plant. Ich stelle mir vor, wie Mischwesen gezüchtet werden, halb Mensch, halb Roboter, die uns irgendwann unterjochen werden, man muss da aufpassen.

Siehst Du nicht etwas zu schwarz?
Mache ich das? Weiß nicht. Die reiche Seite der Bevölkerung denkt jetzt an Putzroboter und an Gartenroboter, nicht, dass ich etwas dagegen hätte, aber es gibt bei der biomechanischen Ingenieurskunst und dem Wissen der Genetiker sehr viel fieses Potential. Wir werden doch jetzt schon kontrolliert, verfolgt, überwacht, wir liefern uns längst der Technik aus. Puh. In den falschen Händen kann das alles sehr schnell gegen die Menschen verwendet werden.

Du wirst nun auf der ganzen Welt Konzerte geben. Worauf freust Du dich besonders?
Auf Japan und Korea. Die sind dort führend, was künstliche Intelligenz und die Modifizierung des menschlichen Körpers angeht. Mir macht das zwar Angst, aber die Zukunft, sie fasziniert mich ohne Ende. Ich habe zum Beispiel die Hoffnung, dass wir dank neugezüchteter Organe bald sehr alt werden können. Ich bin ein aktiver Mann von 47 Jahren, bin fit und gesund. Eigentlich würde ich mich in genau diesem Zustand nun gerne für immer lebend konservieren lassen. Naja, mal gucken, wie weit die Forscher sind.

Jamiroquai auf Tour
Die britische Band tritt am 16. November um 20 Uhr in der Olympiahalle in München auf. Karten gibt es in unserem Ticketshop.