Veranstaltungstipps Kiefer Sutherland: "Ich fühle mich immer wie 25"

Das Gespräch führte Olaf Neumann
 Foto: Veranstalter

Die Rolle des Agenten Jack Bauer in der Thriller-Serie „24“ machte ihn zum Weltstar: Kiefer Sutherland. Der kanadische Schauspieler ist auch Sänger und geht auf Tour.

 
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Mr. Sutherland, Ihr zweites Album heißt „Reckless & Me“. Reizt Sie die Singerei mehr als die Schauspielerei?
Nein, ich liebe beide Künste. Die eine übe ich seit 35 Jahren aus, die andere seit fünf. Ich habe eine sehr genaue Vorstellung davon, was ich als Schauspieler machen will. Aber als Sänger lerne ich jeden Abend etwas dazu. Die Clubs sind immer anders, so auch die Reaktionen des Publikums. Zuweilen ist es ganz still. Das muss nicht zwangsläufig schlecht sein, es kann sogar großartig sein. Alles, was neu ist, ist für mich aufregend. Daraus versuche ich als Performer, einen Nutzen zu ziehen. Aber ich fand es auch spannend, eine dritte Staffel von „Designated Survivor“ zu drehen. Das Problem ist nur, Zeit für beides zu finden. Ich gehe jetzt auf die längste Tour meines Lebens. Ich werde insgesamt sieben Monate unterwegs sein und 200 Shows spielen.

Fühlen Sie sich überall zu Hause?
Der Bus ist mein Zuhause. Es gibt darin Betten und eine Couch und Platz für zwölf Leute. Ich liebe es, unterwegs zu sein, weil ich so eine tolle Band und Crew habe. Nach einer Show sitzen wir immer bei ein paar Drinks zusammen und sprechen über das, was gut und was nicht so gut lief. Dann gehen wir schlafen und wachen in einer anderen Stadt wieder auf, wo wir unsere Anlage ausladen und einen Soundcheck machen. Auf einer Tour macht man immer wieder dieselben Sachen.

Was gefällt Ihnen daran?
Ich mag die Leute, mit denen ich zusammen spiele. Es sind einige meiner besten Freunde.

Fühlen Sie sich auf Tour, als wären Sie noch einmal 25?
Ich fühle mich immer wie 25. Deswegen gehe ich nicht auf Tour. Ich tue das, weil meine Band für mich wie eine Familie ist. Auf Tour zu sein ist immer eine sehr spezielle Zeit. Wenn ich in Toronto über einen sehr langen Zeitraum eine neue Staffel von „Designated Survivor“ drehe, sind meine Freunde in der Regel nicht mit dabei. Deswegen fühle ich mich beim Drehen manchmal einsam. Dies ist beim Musikmachen nicht der Fall.

Haben Sie schon als Kind von einem abenteuerlichen Leben geträumt?
Was ist ein abenteuerliches Leben? Für manche ist das eine Fahrt mit der Achterbahn. Ich mag das. Ich hatte in meinem Leben immer sehr viel Glück und die Möglichkeit, den wunderbaren Beruf des Schauspielers zu erlernen. Ich konnte in dem Bereich sogar Karriere machen, was mordsmäßiges Glück war. Und in den 1990er Jahren habe ich mich dann auf die Pferdezucht und das Rodeoreiten konzentriert. Und jetzt weiß ich auch, wie man Platten aufnimmt und Konzerte spielt. Es ist ein großes Glück, dass ich so viele verschiedene Dinge ausprobieren durfte, die mich persönlich interessieren.

Im Titelsong „Reckless & Me“ erinnern Sie sich an Ihre Zeit als Rodeoreiter zurück. Eine gute Zeit?
Als ich beim Rodeo war, fand es es immer toll, von einer Veranstaltung zur nächsten zu reisen. Mitten in der Nacht verfrachtet man sein Pferd in den Anhänger, fährt zur nächsten Stadt und denkt über den nächsten Tag nach. Das waren wahrscheinlich die ruhigsten Momente meines Lebens. Während ich diesen Song schrieb, wusste ich mit der Zeit nicht mehr, ob er jetzt von meinem Pferd „Reckless“ handelt oder von den waghalsigen (reckless) Aspekten meiner eigenen Persönlichkeit. Dieses Draufgängerische ist bei mir immer da und ich versuche, es unter Kontrolle zu halten.

Wegen Trunkenheit am Steuer wurden Sie einst zu 48 Tagen Gefängnis verurteilt. Wie hat der Knast Sie verändert?
Ich saß insgesamt sogar drei Monate im Gefängnis. Der Sinn von Knast ist, dass du ihn nach Verbüßung deiner Strafe nie wieder sehen willst. Ich weiß heute, dass ich einen sehr dummen Fehler gemacht habe. Das ist kein Witz. Ich will mich auch nicht beschweren, denn der Knast hat mir dabei geholfen, zu begreifen, dass es im Leben extrem viele Möglichkeiten gibt, diese Erfahrung zu vermeiden.

Was haben Sie im Gefängnis gegen die Langeweile unternommen?
Ich habe viel gelesen und sehr viel Wäsche gewaschen, denn sie hatten mich in die Wäscherei gesteckt. Ich habe einfach versucht, die Zeit so gut wie möglich rumzukriegen. Ich habe viel darüber nachgedacht, wie ich dort überhaupt hinkommen konnte.

Sind Sie mit der Musik von Johnny Cash aufgewachsen, der auch ein Draufgänger war?
Unter anderem. Wenn Johnny Cash „A Boy Named Sue“ sang, meinte er genau das, was er sagte. „This Is How It’s Done“ von meiner neuen Platte zum Beispiel erzählt eine sehr authentische Geschichte von einem jungen Mann, der das erste Mal in seinem Leben eine Bar betritt.

Was sieht er dort?
Eine Prügelei. Tanzende Mädchen an der Bar. Für ihn ist dieser Barbesuch ein Initiationsritus. Er lässt ihn erwachsen werden.

Ein autobiografischer Song?
Definitiv. Genau so war mein erstes Mal in einer Bar. Ich erinnere mich noch sehr gut daran. Ich war 15 Jahre alt und in Begleitung eines anderen Schauspielers, mit dem ich zu der Zeit zusammengearbeitet habe. Ich mochte die Atmosphäre und die Leute in der Bar auf Anhieb. Wenn man jung ist, will man viele Erfahrungen in der Erwachsenenwelt machen. Ich mochte zum Beispiel den Geschmack von Whiskey. Es ist bis heute die einzige Sorte Alkohol, die ich trinke. All das steckt in dem Song drin.

Was fasziniert Sie am Musikmachen?
Das Geschichtenerzählen. Das ist einer der Gründe, weshalb ich mich in den Genres Americana und Country & Western bewege. Meine Geschichten sind immer sehr echt. Genau das fasziniert mich auch an der Schauspielerei.

Ist Ihr Vater, der Schauspieler Donald Sutherland, oft mit Ihnen ausgegangen?
Nein, ich bin von meiner Mutter groß gezogen worden. Meinen Vater habe ich in meiner Kindheit und Jugend nicht sehr oft gesehen. Wenn ich bei ihm war, haben wir uns manchmal Baseball-Spiele angesehen. Aber meist waren wir bei ihm zuhause, um Versäumtes nachzuholen.

War seine Plattensamlung ausschlaggebend bei Ihrer musikalischen Sozialisation?
Mein Vater hat in seinem Auto zehn Jahre lang nur ein einziges Album abgespielt: The Best of Bob Dylan. Später wechselte er zu einer Platte von Linda Ronstadt. Ich glaube, die ist heute noch in seinem Auto.

Ihre Mutter, die kanadische Schauspielerin Shirley Jean Douglas, ist in ihrer Heimat eine sehr prominente politische Aktivistin. Haben ihre Aktionen Sie politisiert?
Als ich vier oder fünf Jahre alt war, war die Bürgerrechtsbewegung in den USA noch sehr aktiv, und meine damals in Kalifornien lebende Mutter hat mich oft zu Demos mitgenommen. Sie demonstrierte gegen den Vietnamkrieg und organisierte für die linke antirassistische White Panther Party Programme für Schulkinder. Aber auch mein Großvater Thomas Douglas hat mich politisiert. Er war 16 Jahre lang Premierminister der Provinz Saskatchewan und stand weitere 20 Jahre der New Democratic Party vor. Er war für das Gesundsheitswesen in Kanada verantwortlich. Mein Großvater, mein Vater, der einer der größten kanadischen Schauspieler ist und meine Mutter haben mich als politische Person extrem geprägt.

Hätte Ihre Mutter es gern gesehen, wenn Sie in die Politik gegangen wären?
Nein. Ich glaube, sie wollte vor allem, dass ich glücklich bin. Weder mein Vater noch meine Mutter waren begeistert, als ich mich mit 15 auf und davon machte, um Schauspieler zu werden. Sie wussten, dass das kein Zuckerschlecken ist. Man muss sehr viel Glück haben, wenn man von diesem Beruf leben will. Ich hatte es, aber ich habe auch hart dafür gearbeitet. Die meisten haben nicht so viel Glück. Meine Eltern waren fantastisch, indem sie mich und meine Schwester unseren eigenen Weg finden ließen.

Warum hat Ihre Mutter Sie mit 15 Jahren gehen lassen?
Nun, Sie konnte mich nicht finden. Ich war bei verschiedenen Freunden untergekommen und fing an, in kleinen Restaurants zu arbeiten und an den Wochenenden Schauspielunterricht zu nehmen. Als Mutter bewusst wurde, dass ich wirklich Schauspieler werden wollte, bekam ich ihre volle Unterstützung.

Es gibt nur wenige, die es schaffen, sich von dem Stigma „singender Schauspieler“ zu lösen. War Ihnen das bewusst?
Das war mir sogar sehr bewusst, weshalb ich zuerst Nein zu Jude Coles Vorschlag sagte. Ich wollte auf keinen Fall ausgelacht werden. Wir sind an dem Tag in eine Bar gegangen, und nach ein paar Drinks klang Judes Idee schon viel besser. Wir haben uns dann auf fünf Songs geeinigt und ich fand es wirklich toll, wie Jude diese hat klingen lassen. Zu meiner Überraschung war die Reaktion auf meine Musik sehr wohlwollend.

Was gibt Ihnen die Musik?
Bei der Schauspielerei steht zwischen mir und dem Publikum immer eine Figur. Ich bin nicht Jack Bauer, ich stelle ihn nur dar. Wenn ich aber meine eigenen Songs spiele und dazu erzähle, warum und wie ich sie geschrieben habe, ist das ein sehr wahrhaftiger Moment. Mein erstes Konzert mit einer richtigen Band hatte ich vor fünf Jahren.

Wie haben Sie sich an dem Abend gefühlt?
Ich hatte Todesangst! Das war ja alles neu für mich. Die erste Show lief nicht so gut, wie ich es erhofft hatte, aber sie machte mich neugierig. Ich wollte herausfinden, ob ich wirklich das Zeug zu einem Performer habe. Als nächstes sind wir in einem kleinen Theater in Michigan aufgetreten. An dem Abend fing ich damit an, auf der Bühne Geschichten zu erzählen. Und plötzlich konnte ich fühlen, wie ich, die Band und das Publikum miteinander verschmolzen. Seitdem weiß ich, was ich mit meiner Musik erreichen will.

Wie lautet Ihre Philosophie als Entertainer?
Der einzige Tipp, den mir mein Vater jemals gegeben hat und der für jede Form von Kunst gilt: Lüge nicht! In einem Drehbuch steht zum Beispiel, dass die Figur weint. Aber bringt sie das, was vorher passiert ist, auch wirklich zum weinen? Gefühle müssen immer ehrlich sein, andernfalls kannst du drauf scheißen. Das gilt auch für die Musik.

Haben Sie noch immer Lampenfieber?
Ich bin immer noch sehr aufgeregt vor einem Auftritt. Als ich am Broadway ein Jahr lang in dem Stück „That Championship Season“ aufgetreten bin, war ich bei der letzten Vorstellung genauso nervös wie bei der ersten. Es ist aber kein Lampenfieber, sonst könnte ich ja gar nicht weitermachen. Ich bin nervös, weil ich immer sehr hohe Ansprüche an mich selbst habe. Das Zittern hört just in dem Moment auf, in dem ich anfange, die Gitarrensaiten anzuschlagen. Eine jauchzende Erleichterung, weil dann ganz viel Energie freigesetzt wird. Unangenehm ist es für mich in großen Städten wie Los Angeles, weil ich dort vor einer Show immer sehr viele Freunde und Bekannte treffe. Ich brauche aber meine gesamte Energie für den Auftritt.

Hilft Whiskey gegen Nervosität?
Nein. Ich habe in meinem ganzen Leben nicht einen einzigen Schluck Alkohol bei der Arbeit getrunken. Man muss sich seinen Drink verdienen. Aber erst nach der Show! Die meisten meiner Songs über Whiskey sind nicht besonders positiv. Ich gebe zu, dass ich gern mit meinen Freunden einen trinken gehe, aber ich habe betrunken auch sehr viel Mist gebaut. Ich versuche, über all diese Erfahrungen zu schreiben. „Not Enough Whiskey“ zum Beispiel ist ein sehr trauriger Song über jemand, der seine Sorgen im Alkohol zu ertränken versucht. Das funktioniert nicht! „Going Home“ oder „This Is How It’s Done“ wiederum sind positive Songs übers Trinken.

Kiefer Sutherland auf Tour

Kiefer Sutherland geht mit seinem Album „Reckless & Me“ auf Tour und gastiert am 8. Oktober um 20 Uhr im Technikum in München. Karten dafür gibt es bei uns.