Mit Ihrem neuen Album „Good Times“ vollziehen Sie einen radikalen Stilwechsel. Zurück zu Ihren Rock’n‚Roll-Wurzeln?
Patrik Heikinpieti: Ich würde eher sagen, zurück in die Zukunft. Wir schreiben und produzieren unsere Songs jetzt gemeinsam. Wir versuchen immer, einen Schritt vorwärts zu machen. Nicht nur die Songs in unserem Album sind neu, auch der Sound. Wir klingen nicht wie früher. Man könnte eher meinen, es handele sich um eine neue Band.

Wie schwer hat Sie der Weggang von Co-Frontmann Gustaf Norén getroffen?
Carl-Johan Fogelklou: Das war natürlich schwierig. Aber es war seine Entscheidung, nicht mehr mit uns arbeiten zu wollen. Gustaf wollte am Ende etwas ganz anderes machen. Da haben wir ihn halt gehen lassen. Wir mussten uns entscheiden, ob diese Band Geschichte sein soll oder ob wir ohne ihn weitermachen. Diese Überlegung dauerte genau einen Tag. Uns wurde bewusst, wie sehr wir uns mögen und dass wir weiter zusammenarbeiten wollen. Deshalb gibt es jetzt diese Platte.

Wie hat sich die Chemie der Band verändert nach Gustafs Ausstieg?
Björn Dixgård: Sie hat sich in Teilen verändert, aber unsere Liebe zur Musik ist unverändert geblieben. Seit diese Band existiert, hat sie Höhen und Tiefen erlebt. Schauen Sie sich nur mal eine Band wie AC/DC an. Was die schon alles durchgemacht hat! Im Laufe ihrer Karriere hatte sie gefühlt 19 verschiedene Leadsänger. Oder die Red Hot Chili Peppers, die schon zehn Mal ihren Gitarristen gewechselt haben. So was ist ganz natürlich, wenn man schon eine Weile dabei ist.

Wie haben Sie den Sound für das Album gefunden?
Jens Siverstedt: Björn hatte die Idee zu einer Nummer, der wir den Arbeitstitel „Deaf Disco“ gaben. Ein harter, aber tanzbarer Rocker mit eingängigem Refrain. Wir mögen Songs mit überraschenden Wendungen. Uns interessiert alles, was nicht langweilt. So kam eines zum anderen.

Haben Sie nach einem unverkennbaren Sound gesucht?
Heikinpieti: Uns ging es eher darum, wie eine Einheit zu klingen. Fünf Leute rocken in einem Raum. Schlagzeug, Bass und Gitarre haben wir zumeist live aufgenommen, manchmal sogar den Gesang. Nicht jeder Part ist perfekt gespielt, aber darum geht es auch gar nicht. Wir wollten diesen speziellen Vibe, der entsteht, wenn eine Band als Einheit zusammenarbeitet.
Siverstedt: Etwas Vergleichbares wie den Titelsong „Good Times“ findet man heute nicht im Radio. Eine abgefuckte, total versponnene Nummer, die ein wenig an James Bond erinnert. Sie klingt im guten wie im schlechten Sinne einzigartig.

Wie kann man von guten Zeiten singen, wenn es gerade in vielen Ecken der Welt brennt?
Heikinpieti: Gerade darum geht es ja bei dieser Platte. Vieles, über das wir singen, sehen wir durch die ironische Brille. Wir versuchen, gute Zeiten in eine beschissene Welt zu bringen. Unser Album dreht sich um den Kontrast zwischen Gut und Böse.

Sollten Künstler die Probleme in dieser Welt thematisieren?
Heikinpieti: Nun, wir singen nicht über Politik. Unsere Songs handeln eher von Beziehungen zwischen Menschen. Sie rufen dazu auf, eine gute Zeit zu haben in einer Welt, die gerade wackelt. Es geht darum, das Positive zu umarmen.
Siverstedt: Wir können keine politischen Statements abgeben, wir sind Künstler. Aber wir leben in dieser Welt. Als wir von dem Anschlag in Berlin hörten, waren wir entsetzt. Wir kennen den Ort, wo es passierte. Alles, was in der Welt geschieht, betrifft uns auf gewisse Weise. Wir reagieren darauf, indem wir darüber reden – und singen.

Wie kam es zu dem Song „Hit Me With A Bottle“?
Dixgård: Er ist das Ergebnis meines ersten Treffens mit unserem neuen Gitarristen Jens. Unser Manager brachte uns zusammen. Wir wurden gebeten, einen Song für den amerikanischen R&B-Sänger Robin Thicke zu schreiben. Also setzten wir uns zusammen und jammten ein wenig auf der Gitarre und am Piano. Nach einer Minute wussten wir, wir werden keinen Song für Robin Thicke schreiben. Stattdessen machten wir ein Country-Trinklied. „Hit Me With A Bottle“ ist eine Metapher dafür, was Musik wirklich ist. Denn ich traf Jens eine Woche, bevor Gustaf die Band verließ. Er dauerte nicht lange, bis ich die anderen davon überzeugt hatte, dass Jens der perfekte Nachfolger ist.

Jens, waren Sie immer ein Fan von Mando Diao?
Siverstedt: Nicht unbedingt ein Fan. Aber wer in Schweden aufgewachsen ist, kommt an Mando Diao nicht vorbei. Sie haben wirklich tolle Songs geschrieben. Und plötzlich brachten sie ein schwedisches Album mit Texten des Dichters Gustaf Fröding heraus. Sowas hätte niemand von ihnen erwartet. Vor solchen Schritten habe ich großen Respekt. Deshalb fiel es mir auch sehr leicht, mich diesen verrückten Typen anzuschließen.

War das erste gemeinsame Album eine große Herausforderung für Sie?
Siverstedt: Wir setzten uns ziemlich unter Druck, aber freiwillig. Wir wollten ein klassisches Mando-Diao-Album machen.

Was ist der Unterschied zwischen einem Musiker und einem Künstler?
Dixgård: Ich neige nicht dazu, Dinge zu analysieren. Für mich sind wir Künstler und Musiker, Songschreiber und menschliche Wesen. Als wir jung waren, dachten wir, die Band wird auseinandergehen, bevor wir 30 sind. Mittlerweile sind wir weit über 30 und machen immer noch zusammen Musik. Dabei stellen wir fest, dass diese Band unser Leben ist. Wir müssen einfach weitermachen, wenn wir glücklich sein wollen. Mando Diao ist für uns gleichzeitig Therapie und Lifestyle. Wir lieben es, wie Gypsies um die Welt zu reisen.

Eine Solokarriere wäre keine Option für Sie?
Dixgård: Nicht im Moment. Ich habe ja bereits eine Solotournee gemacht. Es war sehr langweilig, ohne die anderen in der Garderobe zu sitzen. Absolut schrecklich! Ich brauche diese Band.

Bei der Arbeit im Studio geht es ja darum, den magischen Moment einzufangen. Aber was ist eigentlich ein magischer Moment?
Heikinpieti: Das ist ähnlich schwierige Frage wie die nach dem Glauben an Gott. Der magische Moment ist auf jeden Fall etwas Göttliches. Man kann ihn nicht wirklich erklären, er fühlt sich an, als sei man aufgepumpt mit absurder Freude. Solche Momente passieren immer wieder im Studio. Wenn deine Nackenhaare sich aufstellen und du eine Gänsehaut bekommst, dann ist Magie mit im Spiel.
Dixgård: Wenn man wie wir im Studio mit Computern arbeitet, dann ist es sehr wichtig, den Bildschirm irgendwann auszuschalten. Sonst spielst du plötzlich Games, statt Musik zu machen.

Ist Kreativität erlernbar?
Siverstedt: Ich kenne viele talentierte Sänger und Songschreiber. Ich glaube, diejenigen, die bereit sind, hart zu arbeiten, sind immer am Kreativsten. Jeder Mensch hat kreatives Potenzial, aber manche müssen länger in sich suchen als andere. Als ich jung war, wurde mir gesagt, ich könne nicht singen. Also ließ ich es sein. Und heute lebe ich von der Singerei!

Auf dem Cover sieht man Mando Diao nackt im Paradies. Was wollen Sie damit sagen?
Fogelklou: Dass die Aufnahmen nackt sind. Mando Diao pur. Wir sind auf dem Cover aber nicht gänzlich nackt zu sehen, kleine Blätter verbergen unsere empfindlichsten Körperteile. Auf der Deluxe-Version werden wir diese Blätter möglicherweise entfernen – aber nur für den japanischen Markt. Wir hoffen dann auf eine Million Facebook-Likes!

Wird man Sie demnächst auch nackt auf der Bühne erleben?
Dixgård: Was das betrifft, hatte ich bereits meinen Höhepunkt. Bei der Aelita-Tour bin ich so gut wie jeden Abend ausschließlich in weißer Unterwäsche aufgetreten. Diesmal würde ich gern ein bisschen mehr anziehen. Es kann aber durchaus passieren, dass wir am Ende einer Show unsere T-Shirts ausziehen.

Mando Diao auf Tour
Die schwedische Rockband mit dem neuen Album „Good Times“ auf große Tour. Am 29. November um 20 Uhr tritt sie im Zenith in München auf. Karten gibt es in unserem Ticketshop.