Veranstaltungstipps Roland Kaiser: "Mein Glas ist immer halb voll"

Das Gespräch führte Olaf Neumann
 Foto: Steffen Schmid

Roland Kaiser geht im Sommer auf Tour. Wir sprachen mit ihm unter anderem über das Haifischbecken Musikbranche sowie das Älterwerden.

 
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Herr Kaiser, dem Schlager wurde oft vorgeworfen, er besinge nur die heile Welt. Wollen Sie zeigen, dass es auch anders geht?
Unterhaltungsmusik handelt in der Regel von Zweierbeziehungen. Die Weltliteratur übrigens auch. Ein Schlager ist nichts anderes als ein Lied, das Menschen auf der Straße pfeifen können. Wer in Deutschland einen Hit hat, hat automatisch einen Schlager geschrieben. Ich mache Musik, die mir Freude macht. Nennen Sie sie, wie Sie wollen. Ich versuche, mit meiner Musik Menschen zu berühren und sie irgendwann mal in einem meiner vielen Konzerte begrüßen zu können. Meine Aufgabe als Unterhalter ist, dass sie von dort mit einem guten Gefühl nach Hause gehen.

In „Liebe kann uns retten“ singen Sie: „Das Böse hat noch nicht gewonnen“. Was spricht dafür, dass am Ende des Gute siegen wird?
Der Song stammt von den Autoren Peter Plate und Ulf Leo Sommer. Er sagt ohne erhobenen Zeigefinger, dass es trotz der vielen negativen Nachrichten Werte gibt, die zu bewahren sind. Mehr Mitmenschlichkeit würde die Chance deutlich erhöhen, in Frieden miteinander leben zu können. Das Lied ist kein Mainstream und erinnert mich an Roy Orbison.

Sind Sie von Natur aus Optimist?
Mein Glas ist immer halb voll. Optimismus ist für mich eine bessere Lebenseinstellung als Pessimismus. Ein Pessimist kann nicht viel verändern. Man muss an das glauben, was man tut. Ein Pessimist kann niemanden motivieren.

Ganz naiv gefragt: Kann Liebe wirklich die Welt retten?
Das Miteinander mit größerer Nächstenliebe kann schlussendlich das zwischenmenschliche Klima auf der Welt verbessern.

Die Welt wird immer komplizierter. Verstehen Sie sie noch?
Jein. Man muss einerseits versuchen, die Vernunftbegabung der Menschen zu sehen. Andererseits zweifelt man oft an dieser Begabung. Ich will aber daran glauben, dass wir Menschen eine Umkehr hinbekommen.

Auf Ihrem Album sind etliche Liebeslieder, aber auch ein Trennungssong: „Kein Grund zu bleiben“. Warum passt das Lied zu Ihnen?
Ich bin ein Freund von Wortspielen: „Kein Grund zu bleiben ist der beste Grund zu gehen“. Das ist eine clevere Aussage, ich will ja keinen Nonsens singen. Ich möchte keine Songs singen, die ausschließlich auf einen Mitfeiereffekt abzielen.

Leben Sie wirklich ohne Drehbuch und ohne Plan, wie es in dem Song „Stark“ heißt?
Nein, überhaupt nicht. Ich plane viele Dinge in meinem Leben. Das stimmungsvolle Lied beschreibt ein Lebensgefühl, dass man vielleicht mit 20 hat. Aber in meinem Alter kann ich nicht mehr ohne Plan leben.

Wie waren Sie mit 20?
1973 war ich 21 und hatte längere Haare als heute, keine Frage. Aber ich bin einer geregelten Arbeit nachgegangen, auch wenn ich zum Teil in den Tag hineingelebt habe. Ich bin auf Reisen gegangen, ohne ein Hotel gebucht zu haben und habe im Auto geschlafen. So planlos kann ich heute nicht mehr leben.

1976 hatten Sie Ihren ersten Hit „Frei – das heißt allein“. War das damals Ihr Lebensmotto?
Damals stellte sich mir die Frage, ob ich weiter singen oder das Angebot eines großen Automobilkonzerns annehmen solle, ins gehobene Management zu gehen. Da war ich dann Abenteurer genug und habe mich für die Musik entschieden. Das bereue ich bis heute nicht. Ich konnte damals natürlich nicht ahnen, ob das wirklich lange hält, was da auf mich zukam.

Braucht es Stärke und Unbeugsamkeit, um im Musikgeschäft über 40 Jahre ganz oben zu bleiben?
Es ist ein Zusammenspiel verschiedener Umstände. Kriegt man das richtige Lied zum richtigen Zeitpunkt? Kriegt man die richtige Sendung? Kriegt man einen Anschlusstitel? Es ist eine große Ansammlung von Glücksumständen und von Fleiß.

Sie singen: „Ich hab mehr als einmal überlebt“. Nach einer Lungentransplantation im Frühjahr 2010 hat für Sie ein neues Leben begonnen. Arbeiten Sie seitdem mehr denn je?
Ich empfinde das nicht mehr als Arbeit, sondern als pure Freude. Es belastet mich nicht. Vor meiner Transplantation waren meine Auftritte begleitet von Sorgen, es könnte ja etwas schief gehen.

Und heute?
Wenn sich heute ein Musiker verspielt, passiert nichts. Wenn ich mich versinge, passiert nichts. Die Sorgen sind purer Vorfreude gewichen. Das ist in meinem Beruf ein großes Glück. Vor 30 Jahren hätte ich nicht zugestimmt, dass man ein Konzert von mir ohne Probe live im Fernsehen zeigt. Aber meine Musiker und ich, wir können unseren Job. Die TV-Übertragung der „Kaisermania“ läuft jetzt seit einigen Jahren mit viel Erfolg. Heute kann man sich mit mir bis zur letzten Sekunde vor einem Konzert unterhalten.

Ist das die Gelassenheit des Alters?
Das spielt bei mir eine Rolle. Ich muss nichts mehr erreichen, aber ich kann. Wenn man nichts unter Druck macht, kommt der Erfolg leichter zu einem. Man muss ihn nicht unbedingt suchen.

In dem melancholischen „Spätsommerwind“ singen Sie über das Älterwerden. Haben Sie mit 66 Jahren noch Ziele?
Dieses Lied erzählt von jemandem, der darüber reflektiert, dass er nicht mehr am Beginn seines Lebens steht, aber dennoch glaubt, dass noch vieles in seinem Leben möglich ist. Ich persönlich bin ein rundum glücklicher Mensch und habe keine unerfüllten Träume.

Hören Sie privat viel Popmusik?
Klar, das ist ja mein Beruf. Wenn meine Kinder mit im Auto sitzen, läuft Popmusik hoch und runter. Das inspiriert mich ja auch.

Testen Sie Ihre neuen Lieder an Ihren jüngsten Kindern, die heute 22 und 19 Jahre alt sind?
Nein. Sie hören sich das zwar an, wenn es fertig ist und meistens sind sie auch zufrieden damit.

Was ist das für ein Gefühl, in Dresden bei der „Kaisermania“ vor insgesamt 50 000 Menschen zu singen?
Es macht mich dankbar und demütig. Es verführt mich nicht dazu, zu glauben, ich sei wirklich so wichtig. In meinem Team arbeiten rund 70 Leute. Wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft. Ich bin vielleicht der Erste unter Gleichen, aber mehr auch nicht.

Sie sind Botschafter des Kinderhospizes Mitteldeutschland e.V. sowie der Albert-Schweitzer-Kinderdörfer und Familienwerke. Was hat Ihr soziales Bewusstsein geprägt?
Mein Leben. Ich bin von dieser Gesellschaft auf die Sonnenseite gesetzt worden. Ich finde, ich muss ihr etwas zurückgeben. Und zwar den Menschen, die wirklich Not leiden. Ich möchte nicht am Ende meines Lebens sagen müssen: „Ja, ich habe gelebt und nur Geld verdient“. Das wäre mir zu wenig.

Sagt Ihnen Ihr christlicher Glaube, sich zu engagieren?
Ich tue das, weil ich ein Mensch bin. Gregor Gysi sagte einmal den klugen Satz: „Ich glaube selbst nicht an Gott, möchte aber in keiner gottlosen Gesellschaft leben.“ Ich bin ein gläubiger Mensch, aber mich treibt vor allem eins an: Die Freude am Helfen.

Sie positionieren sich deutlich gegen die Pegida-Bewegung, wie es nur wenige Ihrer Kollegen tun. Gehört das zu Ihrem Auftrag als Sänger?
Als politisch denkender Mensch. Ich habe das gemacht, weil ich der Stadt Dresden extrem viel zu verdanken habe. Ich habe mitbekommen, dass Dresden in ein schiefes Licht geraten ist, weil eine schreiende Minderheit eine leise Mehrheit dominierte. Daraufhin bat mich Martin Dulig, der jetzige Wirtschaftsminister in Sachsen, ob ich bei einer großen Veranstaltung vor der Frauenkirche eine Rede halten könne. Ich habe aber nicht gegen, sondern für etwas gesprochen: für Toleranz, Weltoffenheit, Dialog. Ich habe gesagt, ich bin stolz, in einem Land zu leben, in dem Menschen Asyl bekommen, die an Leib und Leben bedroht sind. Mehr habe ich nicht gemacht. Das würde ich jederzeit wieder tun.

Hatten Sie mit Hassmails gerechnet?
Ich lese die nicht. Ich lese keine Facebook- Einträge über mich. Ich interessiere mich nicht für Heckenschützen. Das prallt an mir ab. Ich kann meine Entscheidung auch nicht von merkantilen Interessen oder von Heckenschützen abhängig machen. Ich muss mit mir selbst klarkommen. Es wäre mir wurscht gewesen, ob es mir schadet, aber es hat mir auch nicht geschadet.

Haben Sie schon mal daran gedacht, politische Lieder aufzunehmen?
Ich habe eine Vereinbarung mit meinem Publikum: Ich mache Unterhaltungsmusik. Ich glaube nicht, dass man ein konkretes Problem wie die Flüchtlingsfrage in Europa in dreieinhalb Minuten lösen kann. Das Lied „Liebe kann uns retten“, das Ulf Leo Sommer und Peter Plate für mich geschrieben haben, ist ein Denkanstoß. Nicht mehr und nicht weniger.

Ist Ihre Partei, die SPD, noch zu retten?
Ich finde, die Partei ist auf einem guten Weg. Es hat gefehlt, wieder mehr soziale Gerechtigkeit einzufordern. Es wäre traurig, wenn die älteste Partei Deutschland mit dieser Historie verschwände. Aber sie wird wiederkommen!

Was raten Sie der SPD?
Sie muss sich erneuern. Alle kritisieren Andrea Nahles unentwegt, aber niemand will diesen Job machen. Was jetzt gefordert wird, wie die Respekt-Rente für Geringverdiener, ist ja gemeinsam mit ihr entstanden. Das wird funktionieren.

Müssen wir lernen, die AfD zu akzeptieren?
Nein. Man muss sie überflüssig machen, indem sich die anderen Parteien um die Bedürfnisse der Menschen kümmern.

Haben Ihre Eltern Sie schon früh politisiert?
Nein.

Angeblich haben Sie als kleines Kind mal auf dem Schoß von Willy Brandt gesessen.
Das hat mir meine Pflegemutter erzählt. Es kann stimmen, muss aber nicht. Ich habe ihn einmal in meinem Leben getroffen, bei der Verleihung der Goldenen Europa in Saarbrücken. In dem Raum nach der Show waren alle: Joachim Witt, Peter Maffay, meine eigene Wenigkeit. Und dann kam Willy Brandt herein. In dem Moment war alles ruhig und der Raum war so voll wie nie zuvor. Der Mann hatte eine enorme Aura! Das bleibt in Erinnerung.

Braucht man das Rückgrat eines SPD-Vorsitzenden, wenn man auf Dauer im Haifischbecken Musikbranche überleben will?
Wieso ist die Musikbranche ein Haifischbecken? Das ist dummes Zeug! Man macht sein Produkt, man versucht, eine Sendung zu kriegen. Und dann tritt man auf oder nicht. Und es funktioniert oder nicht. Ich habe nie verstanden, weshalb Leute das als Haifischbecken bezeichnen. Man sieht die Kollegen immer wieder und begrüßt sich – wie Arbeitskollegen. Eigentlich ist es wie in jedem anderen Job auf der Welt.

Was ist das Schönste an Ihrem Beruf?
Die Gesichter der Menschen beim Konzert. Ein toller Beruf! Wobei ich gern Pilot geworden wäre, aber dafür ist es jetzt zu spät.

Roland Kaiser auf Tour

Der Schlagerstar gibt am 27. Juli um 20 Uhr ein Open-Air-Konzert auf der Arena am Hartmannplatz in Chemnitz sowie am 15. August um 20 Uhr auf dem Schlossplatz in Coburg. Karten dafür gibt es im Ticketshop unserer Zeitung.