Mr. Rossi, welche Beziehung haben Sie zu Musik im Allgemeinen?
Es klingt ein bisschen schwülstig, aber Musik ist tatsächlich das wichtigste in meinem Leben. Ob Country, Blues oder Pop – Musik berührt mich tiefgreifender als alles andere. Deshalb habe ich wahrscheinlich diesen Beruf gewählt, man kann ihn wirklich bis zum Ende seines Lebens ausüben. Musik ist die stärkste Droge, die ich kenne. Von Alkohol, Kokain oder Haschisch kann ich wieder loskommen, von Musik jedoch nicht. Seit ich 13 bin, denke ich praktisch an nichts anderes. Man kann das zwanghaft nennen, aber ich spiele halt in dieser Band. Jeden Morgen nach dem Aufstehen unterhalte ich mich sechs Minuten lang mit meinem Manager. Früher rief ich ihn sogar zweimal am Tag an.

Momentan scheinen Sie an akustischen Klängen mehr Spaß zu haben als an elektrifizierten. Ein Zeichen, dass Sie älter werden?
Ich weiß gar nicht, ob unplugged mir wirklich mehr Spaß macht. Ich muss gestehen, dass ich sogar ein bisschen Angst vor der Akustiktour habe. Man muss dafür sehr viel üben. Aber wenn ich dann auf meiner Gitarre herumklimpere und ihr Klang den Raum füllt, bin ich glücklich. Viele unserer Songs wurden auf einer Klampfe geschrieben. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass unsere Unplugged-Platten so erfolgreich werden würden.

Sind Sie sicher, dass Sie Ihre elektrische Gitarre Ende des Jahres an den Nagel hängen wollen?
In den letzten Monaten hat man mich das so oft gefragt, dass ich auf einmal nicht mehr so sicher bin. Eigentlich hatte ich das vor, zudem bin ich gerade 68 geworden. Keine Ahnung, wie ich mit 70 drauf sein werde. Wir haben dieses Jahr schon ein paar „elektrische“ Konzerte gespielt, aber der Plan ist eigentlich, damit irgendwann aufzuhören und nur noch akustisch aufzutreten. Wenn die Leute uns dann aber keine Tickets mehr abkaufen, müssen wir das Ganze noch einmal überdenken. Am besten, Sie fragen mich das noch einmal Ende des Jahres. Im Musikgeschäft macht es eigentlich keinen Sinn, etwas groß anzukündigen, weil es oft anders kommt als man denkt.

Diesen Sommer spielen Sie beim legendären Wacken Festival. Wäre das ein würdiger Abschluss Ihrer Karriere als E-Gitarrist?
Legendär ist gut, ich hatte bis vor Kurzem noch nie von diesem Festival gehört. Aber als ich unserem Schlagzeuger davon erzählte, war er ganz aufgeregt. Für mich persönlich ist jeder Auftritt gleich wichtig. Gig ist Gig. Von so genannten legendären Auftrittsorten lasse ich mich nicht stressen, ich gebe immer mein Bestes. Ja, wir werden in Wacken spielen und ich finde es ein bisschen bizarr, zwischen all den düsteren Thrash-Metal-Bands Zeilen wie „And I like it, I like it, I Like it, I like it“ zu singen.

In dieser Hinsicht können Sie beruhigt sein, sogar Heino ist in Wacken schon aufgetreten.
Wirklich? Schlagermusik finde ich persönlich eher peinlich. Aber der Musik selbst ist es egal, was wir mit ihr verbinden. Es sind immer dieselben Noten, nur die Genres sind verschieden. Snobismus gibt es nur unter Menschen. Wenn Schlagermusik nicht populär wäre, würde es sie nicht mehr geben.

Haben die fünf Jahrzehnte im Musikgeschäft Sie ein bisschen weise gemacht?
Ich denke, ein bisschen schon. Aber sobald ich in den Spiegel schaue, ziehe ich das gerade Gesagte wieder in Zweifel. Mit 27 habe ich das erste Mal den Satz gehört, ich sei zu alt. Und jetzt bin ich 68. Fuck! Etwas in mir sagt, dass ich mit der Musik langsam aufhören sollte, aber dann steige ich auf die Bühne und spüre, wir sehr mir das ganze noch Spaß macht. Das verwirrt mich. Aus irgendeinem Grund gilt es als gut, jung zu sein. Aber wenn ich auf meine eigene Jugend zurückblicke, sehe ich da einen verdammten Idioten. Ich finde, Männer sollten eine Zeitlang ihre Hoden abgeben. Dann kann man sich mit ihnen wenigstens vernünftig unterhalten. Im Musikbusiness geht es immer mehr um schneller höher weiter. Man ist nie zufrieden. Aber der Umstand, dass mein langjähriger Partner Rick Parfitt gestorben ist, erinnert mich an meine eigene Sterblichkeit. Der Tod gehört ja zum Leben dazu.

Der 31-jährige Ire Richie Malone ist für Rick Parfitt eingesprungen. Was ist das für ein Gefühl, mit einem deutlich jüngeren Rhythmusgitarristen zu spielen?
Tatsächlich wurde Richie uns noch von Rick persönlich empfohlen. Wir kannten ihn schon länger, sein Vater ist ein großer Quo-Fan. Er ist der einzige, der Rick Parfitts Spielweise wirklich nahe kommt. Wir konzentrieren uns jetzt wieder mehr auf die Arrangements, denn Richie spielt jeden einzelnen Song sehr originalgetreu. Das stimuliert uns anderen.

Fühlen Sie sich jünger, wenn Sie mit Richie spielen?
Auf der Bühne fühlt sich für mich im Moment alles frisch und neu an. Ich mache immer Witze über unseren Altersunterschied, aber auch mein anderer Bandkollege Leon ist deutlich jünger als ich.

„Ich werde alles anders machen als meine Eltern“. So lautet ein häufiger Vorsatz junger Menschen. Haben Sie sich persönlich daran gehalten?
Natürlich habe ich mir das auch geschworen, aber irgendetwas in uns bewirkt, dass wir trotzdem so werden wie unsere Eltern. Sie haben uns schließlich ihre Werte gelehrt. Manchmal bin ich richtig stolz, dass ich ein bisschen wie mein Vater und meine Muter bin, und gleichzeitig verfluche ich es. Ich bin in der Nachkriegszeit aufgewachsen. Damals dachte ich, die Zukunft wird fantastisch. Nun ist diese Zukunft da. Ist sie wirklich fantastisch? Ich habe da so meine Zweifel. Ich finde es zum Beispiel frustrierend, dass es heute so viele Quellen gibt, aus denen man sich informieren kann. Man weiß nie, ob man sich für die richtige entschieden hat. Das war in den 80er Jahren noch einfacher. Jetzt rede ich schon wie mein Vater. Aber ich bilde mir ein, dass wir trotzdem einen Schritt weitergekommen sind. Es wäre traurig, wenn heute alle sagen würden, ihre Eltern hätten Recht gehabt.

Hat Ihr Vater am Zweiten Weltkrieg teilgenommen?
Er war bei der Marine, Dominic Rossi. Ich erinnere eine seiner Kriegserzählungen. Mein Vater hatte einen Wehrmachtssoldaten vor seiner Flinte, aber er erschoss ihn nicht, sondern stach ihn stattdessen ins Bein. Der Deutsche sagte „Danke!“ und machte sich davon. Danach verspürte mein Vater große Erleichterung. Es ist schon merkwürdig, was im Lauf der Zeit zwischen den Deutschen und Engländern so passiert ist. Ich glaube, wir sind uns sehr ähnlich. Aber sowas darf man nicht laut sagen.

Wird der Brexit sich auf Ihre Arbeit auswirken?
Ich glaube nicht. Viele Leute, darunter auch meine ältesten Söhne, konnten sich nicht vorstellen, dass es jemals soweit kommen würde, deshalb sind sie erst gar nicht zur Wahl gegangen. Das war ein Fehler. Ich mag die Idee der EU. Sie steht für Fortschritt. Zwischen Patriotismus und Nationalismus liegt nur ein schmaler Grat. Kein Land ist besser als das andere. Wo man geboren wird, ist reiner Zufall.

Wie viele Länder haben Sie in Ihrem Leben gesehen?
Ich habe sie nicht gezählt. Das erste Land außerhalb unserer Heimat, in dem wir spielten, war Irland. Und mit 15 war ich das erste Mal in Frankreich. Nach Deutschland kamen wir um 1969/70. Es begann in Bielefeld. Ich verliebte mich sofort in alles Deutsche. Ich konnte überhaupt nicht begreifen, was zuvor zwischen Deutschland und England passiert war. Es hatte ganz viel mit Männern und ihren Hoden zu tun. Auch heute noch drehen sich viele Gespräche um Fußball und den Zweiten Weltkrieg. Ich kann es langsam nicht mehr hören.

Themenwechsel: Status Quo feiert in diesem Jahr 55. Bandjubiläum. Werden Sie den 60. Geburtstag noch mitnehmen?
Ich weiß es nicht. Ich mag eigentlich keine Jubiläen. 1965 ist solch eine magische Zahl, als wir Rick das erste Mal trafen. 1967 ist er dann fest in die Band eingestiegen. 1968 hatten wir unseren ersten Hit. Sollen wir das jetzt alles feiern? Natürlich sind Jubiläen werbewirksam, aber von Marketing habe ich die Faxen dicke. Man muss nur einmal die Zeitung aufschlagen und schon liest man, wo man diesen Sommer unbedingt hinfahren sollte. Fuck it! Die wollen einem doch nur etwas verkaufen. Der Kapitalismus ist echt ermüdend. Ich kann nur sagen, unsere neue Platte ist fantastisch! Die beste, die wir jemals gemacht haben.

Gibt es überhaupt den perfekten Moment, um mit etwas aufzuhören?
Nun, ich bin selbständig, seit ich 15 bin. Da ist es schwer, einfach aufzuhören. Jedes Jahr stelle ich mir diese Frage aufs neue. Die Vorstellung, nicht mehr zu arbeiten und kein Einkommen mehr zu haben, fällt mir schwer.

Sie könnten es sich aber leisten, oder?
Wirklich? Mit 35 wollte ich das erste Mal aufhören, dann hätte mein Erspartes bis zu meinem 50. Lebensjahr gereicht. Da ich meinen Lebensstil aber sehr mochte, machte ich weiter. Ich mag ihn immer noch und ich liebe meine Arbeit. Wenn ich jetzt aufhören würde, bin ich nach dem nächsten Finanzcrash möglicherweise pleite. Deswegen mache ich immer weiter.

Könnten Sie sich vorstellen, eines Tages Ihre Gitarrensammlung zu verkaufen?
Einige meiner Gitarren habe ich bereits vor Jahren verkauft. So viele Instrumente braucht man gar nicht, wie ich sie mal besaß. Meine 22-jährige Tochter fragte mich einmal, was ich nachts tun werde, wenn ich mal in den Ruhestand gehe. Denn ich spiele nachts immer stundenlang Gitarre. Ich glaube, auch wenn ich irgendwann nicht mehr auf Tour bin, werde ich weiterhin Gitarre üben und Songs schreiben.

Status Quo auf Tour
Die Band geht auf „Aquostic – It Rocks!“-Tour und macht am 21. Dezember um 20 Uhr in der Meistersingerhalle in Nürnberg Station. Karten gibt es bei uns.