Veranstaltungstipps Suzi Quatro: "Ich bin immer ich selbst geblieben"

Das Gespräch führte Olaf Neumann
 Foto: PR

Suzi Quatro hat mehr als 50 Millionen Platten verkauft. Wir sprachen mit ihr über ihr Comeback-Album „No Control“.

 
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Ihre Single „No Soul/No Control“ hat folgende Botschaft: „Gib dich niemals für jemand anderen auf“. Ist dies ist Ihr persönliches Mantra?
Ja, ich war schon immer sehr selbstbewusst. Ganz gleich, was in meinem Leben passiert: Ich werde mich niemals von jemandem kontrollieren lassen. Denn das wäre gefährlich. Es gab in meinem Leben auch kein Idol, dem ich blind nacheiferte. Ich bin immer ich selbst geblieben. Das ist eine wichtige Botschaft.

Wurden Sie mit diesem Selbstbewusstsein geboren?
Ich musste meinen Platz unter fünf Geschwistern finden. Ich war die zweitjüngste. Das hat mir dabei geholfen, mich selbst zu finden. Ich habe Suzi gefunden, obwohl ich in dieser Gruppe auch leicht hätte übersehen werden können. Dass es mich als Künstlerin heute noch gibt, hat etwas mit meiner Kindheit zu tun.

An wen ist der Song „Macho Man“ adressiert?
Mir sind in meinem Leben eine Menge Machos über den Weg gelaufen. Ich habe mit ihnen vielleicht drei Minuten meiner Zeit verbracht. Der Song ist aber nicht böse gemeint, weil ich glaube, dass Machos Opfer des Männlichkeitswahns sind. Sie haben sich selbst in etwas eingeklemmt. Das finde ich unheimlich schade.

Elvis Presley war Ihr größtes Idol. War er nicht auch ein großer Macho?
Der Philosoph Khalil Gibran hat „The Prophet“ geschrieben, eines der besten psychologischen Bücher überhaupt. Es hat mit Männlichkeitswahn nichts zu tun. Elvis las darin immer vor dem Einschlafen. Er hatte zwar ein Macho-Image, aber in Wirklichkeit war er sehr gläubig und hatte ein inniges Verhältnis zu seiner Mutter. Elvis hat „Love Me Tender“ gesungen! Ist das etwa ein Macho-Song? Ein Mann kann sich wie ein Macho benehmen und gleichzeitig die Fähigkeit haben, zu weinen. Mein Ehemann zum Beispiel kann das.

Was haben Sie sich von Elvis Presley abgeschaut?
Seine Qualitäten als Entertainer. Ich wollte immer Menschen unterhalten. Mit sechs Jahren sah ich Elvis im Fernsehen in der Ed Sullivan Show. Meine neunjährige Schwester fing an zu kreischen, was ich im ersten Moment gar nicht verstand. Aber dann hat mich der Bildschirm magisch angezogen und ich hatte eine Eingebung: „Ich will das machen, was dieser Elvis macht!“ Das war 1956.

1977 haben Sie seinen Song „All Shook Up“ aufgenommen. Elvis war begeistert und lud Sie nach Graceland ein. Wie kam es dazu?
Zu dem Zeitpunkt war ich mit meiner englischen Bands erstmals in Amerika auf Tour. „All Shook Up“ stand auf einem hinteren Platz in den Charts. Wir hatten einen Auftritt in Memphis, als ich einen Anruf von Elvis‘ Leuten bekam. Bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte, hatte ich ihn persönlich am Telefon. Mir fiel die Kinnlade herunter.

Was sagte Elvis zu Ihnen?
Er sagte: „Ich habe deine Version von „All Shook Up“ gehört. Es ist die beste Aufnahme, die ich neben meinem Original je gehört habe. Ich möchte dich gern nach Graceland einladen“.

Was haben Sie ihm geantwortet?
Dass ich momentan sehr beschäftigt sei. (lacht) Ich war einfach noch nicht bereit für solch ein Treffen. Ich war zu schüchtern. Aber ich habe darüber einen Song geschrieben, er heißt „Singing With Angels“. Aufgenommen habe ich ihn mit James Burton und den Jordanaires in Nashville in Elvis‘ Studio. Ein sehr wichtiger Song, der oft bei Beerdigungen gespielt wird.

In den frühen 1960er Jahren agierten Sie mit Ihren Schwestern in der Band Pleasure Seekers. Haben Sie damals schon harten Rock gespielt?
Natürlich. Wir wurden zu einer Showband und mussten fünf Sets pro Nacht spielen. Dabei habe ich sehr viel gelernt. Wir waren Allrounder und hatten ein Motown-Programm, ein Beatles-Programm, ein Top-40-Programm. Ich sang und spielte 99 Prozent der Stücke, später übernahm meine kleine Schwester den Gesang, so dass ich mich auf den Bass konzentrieren konnte. 1968 fing ich an, eigene Songs zu schreiben und wurde von Mickie Most nach England geholt. Der Rest ist Geschichte.

Wann fing es an, dass man Sie als Musikern ernst nahm?
Von Anfang an. Weil es sich vom ersten Moment an natürlich angefühlt und ich mich selbst ernst genommen habe. Das ist der Unterschied. Ich spiele nicht nur Bass, sondern auch Percussion und klassisches Klavier. Ich kann Noten lesen.

Wann fingen Sie an, härtere Stücke zu schreiben?
Um 1968, als wir aufhörten, eine Showband zu sein. Seitdem schreibe ich meine eigenen Songs. Natürlich hat mein Stil sich seitdem immer weiterentwickelt.

Beim Großteil der Stücke auf dem neuen Album kooperierten Sie mit Richard Tuckey, Ihrem Sohn aus der Ehe mit Len Tuckey. Auf welche Weise ergänzen Sie sich?
Mein Sohn war schon immer begeistert von der Energie und der Stimmung der frühen Suzi-Quatro-Songs, aber nicht vom Sound der 1970er Jahre. Er wollte mich daran erinnern, wer ich eigentlich bin und schlug vor, dass wir gemeinsam Songs schreiben. Los ging es mit „Don’t Do Me Wrong“. Wir hauten ohne groß nachzudenken einen Titel nach dem anderen raus. Ich hatte ganz vergessen, wie viel Spaß es macht, völlig frei zu arbeiten. Ich hatte das Gefühl, wieder nach Hause gekommen zu sein.

Hat Ihr Sohn irgendwelche Bedingungen gestellt?
Er sagte, wenn das Album ein Erfolg werden sollte, möchte er gern mit mir auf Tour gehen.

Von Richards Vater, dem Gitarristen Len Tuckey, trennten Sie sich auf ungewöhnliche Weise...
Ich wusste nicht, wie ich es ihm sagen sollte, weshalb ich für ihn den Song „Free The Butterfly“ schrieb – in der Hoffnung, er würde die Botschaft verstehen.

Wie reagierte er?
Er sagte: „Schöner Song!“ Ich glaube, er hatte die Botschaft verstanden, wollte es in dem Moment aber nicht zugeben. Heute sind wir gute Freude. Wir waren 20 Jahre zusammen und haben zwei gemeinsame Kinder. Bereits ein Jahr später habe ich erneut geheiratet, und zwar einen Hamburger. Ich pendele seit 25 Jahren zwischen den USA und Deutschland hin und her.

Wie denken Sie über den #MeToo-Hashtag, der betroffene Frauen dazu ermutigt, über sexuelle Belästigung und Übergriffe aufmerksam zu machen?
Ich denke, es ist sehr wichtig für betroffene Frauen, sich zu äußern. #MeToo hat zugleich etwas Gutes und Schlechtes. Manche meinen, sie könnten die ganze Zeit den Mund aufmachen. Mal abwarten, wie sich das Ganze weiterentwickelt. Diese Sache erinnert mich an die frühen 1970er Jahre. Damals wurde ich oft gefragt, ob ich die Frauenbewegung unterstützen würde. Darauf habe ich immer mit Nein geantwortet: Ich bin meine eigene Bewegung. Ich brauche keine Gruppe, um stark zu sein. Ich schaffe das allein.

Wie bringen Sie sich beim Schreiben in eine kreative Stimmung?
Ich war schon immer sehr kreativ, ich schreibe Songs und Bücher und male. Ich mag alles Künstlerische. In der Regel fängt es bei mir mit dem Titel an, aber „Love Isn’t Fair“ startete mit der Basslinie. Ich erfinde keine Geschichten, ich bin sehr sensibel und schreibe über das, was mir persönlich passiert. Das ist manchmal schmerzhaft, aber es geht nicht anders.

Was hat Sie zu „Love Isn’t Fair“ inspiriert?
Die Tatsache, dass Liebe einfach unfair ist. Ein Herz wird gebrochen, damit ein anderes leben kann. Die eine Person wird geliebt und die andere liebt. Bei der Liebe gibt es immer ein Ungleichgewicht. Deswegen ist es auch so wichtig, sich selbst zu kennen.

Ist in der Rockmusik nicht schon alles gesagt worden?
Das sehe ich anders. Nehmen Sie zum Beispiel „Going Down Blues“. Zuerst hatte ich den Titel und das Textgerüst. Es war ein Blues, aber es sollte mehr als das sein. Und dann fiel mir ein wirklich tolles Riff ein. (singt) Man darf beim Schreiben nicht zu viel nachdenken, man muss die Ideen einfach kommen lassen. Meine Gitarristin in Australien rief kürzlich an, weil sie mit meinem Sohn sprechen wollte. Sie sagte, der Gitarrenpart von „No Soul/No Control“ sei sehr kompliziert. Das hat Richard natürlich gefreut. Ich habe in meinem ganzen Leben nicht einen einzigen Musiker kopiert, weder weiblich noch männlich.

Sie sind seit über einem halben Jahrhundert im Musikgeschäft. Wie konnten Sie diese lange Zeit ohne Blessuren überstehen?
Ich bin genau seit 55 Jahren im Geschäft. Muss ich mich jetzt alt fühlen? (lacht) Es sind übrigens nicht nur Männer, die sich selbst zerstören. Janis Joplin zum Beispiel starb an einer Überdosis Heroin. Das Musikgeschäft ist bis heute sehr männlich, weil der Job so hart ist. Das wollen viele Frauen nicht. Mein Vater hat mir aber eingebläut, dass ich meinen Job ja professionell machen solle. Ich bin ein Vollprofi-Entertainer! Das bedeutet: keine Drogen, keine Drinks! Ich hatte nie das Bedürfnis, mein Bewusstsein zu erweitern. Die Performance selbst macht mich high.

Und wie kommen Sie wieder runter?
Mit einem Glas Champagner nach der Show. Das Gefühl beim Verlassen der Bühne ist schrecklich, weil es von einem Moment auf den anderen ruhig wird. Ich kann echt nicht verstehen, weshalb jemand betrunken auf eine Bühne geht. Wer dafür einen Drink braucht, sollte sich lieber einen anderen Job suchen. Warum sich selbst zerstören? Man hat ja nur ein Leben.

Wie taff sind Sie wirklich?
Ich bin extrem sensibel. Mein Vater meinte einmal zu mir, ich müsse härter werden. Aber wie? Das würde bedeuten, dass ich meine künstlerischen Kanäle schließe. Das will ich aber nicht. Ich kann mit Schmerzen leben.

Sie sind in Detroit aufgewachsen. Dort gab es bereits in den späten 1960er Jahren eine große Hardrockszene mit Iggy Pop, Alice Cooper, Bob Seeger, The MC5.
Ich habe mit all diesen Rockmusikern Gigs gespielt, aber in den 1960ern hat mich Motown am stärksten beinflusst. Mein Bruder war damals Konzertagent und brachte mich mit allen möglichen Bands auf eine Bühne. Ich habe Gigs mit Ted Nugent, The MC5, Iggy Pop und Bob Seeger gespielt. Alice Cooper ist ein guter Freund von mir.

Wie war Iggy Pop in den 1960ern?
Ich erinnere mich an die Zeit, als er noch Schlagzeuger war. Sehr ungewöhnlich, wie er sich auf der Bühne austobte. 1974 kam er sogar zu einer meiner Shows in Los Angeles. Er sprang einfach auf die Bühne! Er durfte das, weil wir uns kannten. Aber ich musste ihn wieder runterschmeißen, weil er so stoned war, dass er nicht mal singen konnte. Aber Iggy ist extrem gut in dem, was er tut. Er gibt immer alles. Und in einem Cartoon wurde Keith Richards mal mit einer Kakerlake verglichen, weil er nicht totzukriegen ist. Wie hat er es bloß geschafft, alle Drogen zu überleben?

Was werden Sie bei Ihrer Tour spielen?
Mein zweistündiges Soloprogramm, was ich am liebsten tue. Ich nehme die Zuschauer mit auf eine Reise durch mein Leben. Ich spiele Piano, Schlagzeug und Bass. Die Leute bekommen von mir eine unterhaltsame Rock’n‚Roll-Show serviert.

Suzi Quatro auf Tour

Die Sängerin gibt am 30. August um 20.30 Uhr ein Konzert im Parktheater in Plauen sowie am 15. Dezember um 20 Uhr im Löwensaal in Nürnberg. Karten gibt es bei uns.