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Alle reden über die Digitalisierungsoffensive. Doch was steckt drin im Digitalpaket? Und vor allem: Wann wird es umgesetzt?

 
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Für die Bundeskanzlerin war 2013 das Internet noch Neuland. Dieser Satz, der in der gemeinsamen Pressekonferenz von Angela Merkel und dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama fiel, machte sie innerhalb von wenigen Stunden zur Lachnummer im Netz. Aber ganz unrecht hatte sie nicht. Damals nicht und auch nicht heute. Denn vielerorts ist die Digitalisierung bislang noch nicht angekommen. Zum Beispiel in Schulen.

WLAN im Klassenzimmer, iPads im Unterricht? Für die meisten deutschen Bildungseinrichtungen ist das derzeit noch absolute Zukunftsmusik. Vielmehr sind viele Schulen froh, wenn sie ihren Schülern überhaupt ausreichend Lehrbücher als Klassensätze zur Verfügung stellen können. An digitale Schultafeln oder mobile Endgeräte wollen da die meisten gar nicht denken.

Müssen sie aber eigentlich. Denn der europaweite Vergleich zeigt, dass Deutschland in Sachen Digitalisierung an Schulen meilenweit hinterherhinkt. In Estland zum Beispiel, das nun auch den Pisa-Primus Finnland vom Thron gestoßen hat, sind digitale Klassenzimmer längst Alltag. Kinder und Jugendliche lernen dort zwar nicht ausschließlich mit Technik, Pädagogen nutzen allerdings die Vorteile der Digitalisierung. So können sie zum Beispiel direkt im Unterricht die Leistungskurven der Klasse abrufen oder Hausaufgaben, Lernstoff, aber auch Fehlzeiten in einem digitalen Klassenbuch verzeichnen, auf das Schüler wie Eltern gleichermaßen Zugriff haben.

Ob es so etwas in Deutschland überhaupt jemals geben wird, ist fraglich. Fest steht derzeit nur so viel: Die Bundesregierung arbeitet fieberhaft an einem Digitalpaket, mit dem schon in den nächsten Jahren alles besser werden soll. Fünf Milliarden Euro sollen allein dafür investiert werden, schnelles Internet an alle Schulen zu bringen und diese technisch auf einen zeitgemäßen Stand zu hieven. Dabei muss nicht jede Einrichtung bei null anfangen. Schon jetzt gibt es auch hierzulande Vorzeige-Schulen, die mit eigenen Digitalprojekten begonnen haben. Die benötigte Technik wird oft aber aus eigener Tasche bezahlt.

Solch eine digitale Schule stößt indes nicht überall auf breite Zustimmung. Vor allem unter den Lehrern selbst ist die Verunsicherung groß. Für den Schulleitungsmonitor der Universität Essen-Duisburg wurden im Frühjahr insgesamt 1471 Schulleiter befragt. Knapp die Hälfte von ihnen (49 Prozent) gab an, dass der Nutzen digitaler Medien überbewertet wird. In ihren Kollegien gebe es zu 50 Prozent Vorbehalte
gegen die Nutzung digitaler Medien, erklärten sie.

Und auch in der Politik ist die Digitalisierungsoffensive noch gar nicht beschlossene Sache. Denn damit nicht die Länder mit den Kosten alleine gelassen werden, sondern auch der Bund kräftig Geld zuschießen kann, braucht es eine Änderung des Grundgesetzes. Und die ist zweieinhalb Monate vor dem geplanten Start der Digitalisierungsoffensive noch immer nicht sicher.

Zum Thema: Die Medienprojekte Ihrer Heimatzeitung

Worum handelt es sich beim Digitalpaket?
Mit dem DigitalPaktSchule wollen Bund und Länder die Digitalisierung an Schulen entscheidend voranbringen. Dabei geht es nicht nur darum, die Einrichtungen mit Internet und Technik auszustatten, sondern auch Medienkompetenz zu vermitteln. Kinder und Jugendliche sollen lernen, digitale Medien selbstbestimmt und verantwortungsvoll zu nutzen. So sollen sie später gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, aber auch in Zeiten von Fake News und Hetze im Netz die Demokratie wahren können.
Wird dann nur noch mobil gelernt?
Weil Bildung nicht durch ein Medium alleine vermittelt werden kann, soll auch weiterhin die Pädagogik im Mittelpunkt stehen. Und auch das Lernen als sozialer Prozess soll beibehalten werden. Gleichwohl soll die Digitalisierung Lehrern die Möglichkeit geben, individueller auf Schüler einzugehen, deren Lernfortschritte einfacher festzuhalten und sie durch gezielte Auswahl von Material und Angeboten besser zu fördern. Online-Plattformen sollen es ermöglichen, sich auch nach Schulschluss auszutauschen. Außerdem kann beispielsweise Lehrstoff mit komplexen Zusammenhängen und Abläufen mit digitalen Simulationen besser vermittelt und anschaulicher gestaltet werden.
Was kostet das alles?
Der Bund stellt über einen Zeitraum von fünf Jahren fünf Milliarden Euro zur Verfügung, davon in dieser Legislaturperiode 3,5 Milliarden Euro. Die Länder entwickeln pädagogische Konzepte, kümmern sich um die Qualifizierung von Lehrkräften – vom Studium über das Referendariat bis hin zur Weiterbildung – und stellen gemeinsam mit den Kommunen Betrieb und Wartung sicher. Außerdem können die Länder mobile Endgeräte in ihren Lernmittelregelungen berücksichtigen.
Und wann geht es endlich los?
Zunächst muss noch das Grundgesetz so geändert werden, dass der Bund allen Ländern und Kommunen Finanzhilfen für die Bildungsinfrastruktur gewähren kann. Das kann er bislang nur für finanzschwache Kommunen tun. Bereits im Mai hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes beschlossen. Nun müssen der Bundesrat und der Deutsche Bundestag zustimmen. Hierfür ist jeweils eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Die Bundesregierung strebt einen Abschluss des Verfahrens zum Jahresende an. Danach kann eine gemeinsame Vereinbarung von Bund und Ländern geschlossen werden, sodass ab 2019 die Mittel fließen können.

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