Eigener Inhalt Auf Wohnungsschau: Camper oder lieber Villa?

Das Sommersemester hat gerade wieder begonnen und damit die große Zimmersuche. So! hat sich umgesehen, wo und wie Frankens Studenten leben.

 
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Jedes Halbjahr zu Semesterbeginn erreicht sie wieder ihren Höhepunkt: die Suche nach einer erschwinglichen Unterkunft. Angesichts eines oft eher knappen Budgets hat sich für viele Studenten der Traum von der schicken eigenen Bude schnell ausgeträumt. Allein in Bayern studieren derzeit knapp eine halbe Million junge Leute an Hochschulen, rund drei Prozent mehr als im Vorjahr. In jedem Semester steigen zudem die Zahlen der Studienanfänger. Mangelware hingegen sind mittlerweile in vielen Universitäts- und Hochschulstädten WG-Zimmer und kleine Wohnungen.

Und die Mieten für sie wurden in den vergangenen Jahren deutlich teurer, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft in Köln zeigt. Spitzenreiter sind die großen Universitätsstädte. So kostete in München eine 30 Quadratmeter große Wohnung mit normaler Ausstattung und 1,5 Kilometer von der Universität entfernt inklusive Nebenkosten rund 634 Euro. Vor sieben Jahren waren es noch gut 100 Euro weniger. Am günstigsten wohnen Studenten derzeit in Bochum und Leipzig; dort kostet eine vergleichbare Unterkunft 344 beziehungsweise 322 Euro im Monat.

Angesichts der Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt hoffen nicht wenige Studenten auf die Studentenwerke. Doch die Wartelisten für deren Unterkünfte sind lang – auch in Coburg, wo wir uns für diesen Beitrag umgesehen haben. Die 622 Zimmer und Apartments, die das Studentenwerk Oberfranken in mehreren Häusern anbietet, sind meist belegt. Oberfrankenweit sieht es nicht besser aus, selten ist eines der mehr als 22 000 Zimmer frei. Das Studierendenwerk Thüringen hält über 75 00 Wohneinheiten bereit, die Nachfrage ist jedoch auch dort deutlich höher.

Viele Studenten weichen daher auf privat vermietete Zimmer zurück. Hauseigentümer haben die jungen Leute als Mietklientel entdeckt und bieten ihnen Räume in teils arg sanierungsbedürftigen Häusern günstig an. Familien wiederum treten ein Zimmer zur Untermiete ab oder teilen gleich ganz die Wohnung. Manchmal werden sogar ganze Häuser zu großen Wohngemeinschaften umfunktioniert.

Als ganz neue Wohnform hat sich das Wohnen für Hilfe etabliert: Meist sind es Senioren, die Studenten kostenlos ein Zimmer anbieten. Die Mieter oder besser gesagt Mitbewohner zahlen nur die Betriebskosten wie Gas, Wasser und Strom. Dafür helfen sie dann den Senioren, etwa beim Einkauf, der Gartenarbeit oder beim Hausputz. Häufig kommt folgende simple Regel zur Anwendung: Pro kostenlos überlassenem Quadratmeter Wohnfläche helfen die Mieter monatlich eine Stunde.

Bei dieser Wohnform stehen soziales Engagement, Aufgeschlossenheit und Solidarität im Mittelpunkt. Vermittelt werden die besonderen Wohngemeinschaften über die deutschlandweite Arbeitsgemeinschaft Wohnen für Hilfe. Ansprechpartner gibt es in vielen Universitätsstädten, darunter auch Würzburg, Bamberg oder Erlangen.

Das Leben in einem Mehrgenerationen-Haushalt ist aber nur eine von vielen besonderen Varianten, wie es sich als Student wohnen lässt. Mancher Student macht einen Glücksgriff und residiert während des Studiums in einer Villa. Andere stören sich nicht weiter daran, wenn die Dusche in eine Kammer gequetscht ist und der Flur im Winter kalt bleibt. Und manch einer klappt einfach das Bett im Camper herunter und fährt bei der nächsten Gelegenheit auf und davon. Aber schauen – und lesen! – Sie selbst.

Die Studentenvilla: Wohnen mit herrschaftlichem Flair

Eine geschwungene Auffahrt, weitläufiges Gelände und gut gepflegte Außenanlagen: Die Studentenvilla in Coburg sieht schon auf den ersten Blick einladend aus. Das Backsteingebäude wurde im späten 19. Jahrhundert errichtet, inklusive eines Fachwerkbaus als Kutscherhaus. Man sagt, dass Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha die Villa für seine verschiedenen Techtelmechtel mit den Damen der Coburger Gesellschaft nutze. Auch Gäste aus dem europäischen Hochadel sollen hier ein- und ausgegangen sein. Das Haus wechselte in den vergangenen Jahrhunderten mehrfach den Eigentümer und wurde zuletzt 2004 gründlich saniert. Seither sind die Zimmer an Studenten und Berufstätige vermietet, jede Etage teilt sich ein Bad und eine Küche.
Katharina Kloth studiert Innenarchitektur an der Hochschule Coburg und wohnt seit vier Jahren in der Villa. Ihre acht Mitbewohner haben verschiedenste Studienfächer, von Bioanalytik über Physik bis hin zur Sozialen Arbeit. Seit Neuestem gehören auch zwei junge Katzen zur Wohngemeinschaft. "Wir sitzen oft beisammen und reden oder machen zusammen Musik", sagt die 25-Jährige, die auch als Sängerin in einer Band mitwirkt. Im Sommer machen die Studenten gemeinsam im Garten Lagerfeuer, dann gesellen sich mitunter auch die Mieter des benachbarten Kutscherhauses dazu – ebenfalls Studenten.
"Ich bin als Einzelkind aufgewachsen und wollte unbedingt in eine Wohngemeinschaft ziehen", erzählt die 25-Jährige. Über eine Internetplattform hat sie ein Zimmer in der Villa gefunden, als sie von Nürnberg für das Studium nach Coburg ziehen wollte. Zunächst jedoch nur zur Zwischenmiete. Doch dann wurde im Untergeschoss ein Raum frei, mit 45 Quadratmetern sogar der größte im Haus, und Katharina Kloth konnte bleiben. "Ich hatte vorher schon gehört, dass es in Coburg schöne, alte Villen gibt, ich finde Altbauten toll", sagt sie. Und kommt fast etwas ins Schwärmen: "Diese WG war ein glücklicher Zufall." Noch dazu ist der Campus am Hofbrauhaus in wenigen Minuten zu Fuß erreichbar.
Der Wintergarten in der alten Villa ist ihr Lieblingsplatz. Dort haben sich die Bewohner mit vielen Polstern, Kissen und Decken eine eigene Shisha-Bar eingerichtet zum Chillen. Im Wohnzimmer lockt ein Ohrensessel neben dem Kamin, gegenüber stehen ein altes Klavier und ein Kicker. Einmal in der Woche kommt eine Putzfrau und kümmert sich um die Gemeinschaftsräume, ein Gärtner pflegt die Außenanlagen. Katharina Kloth ist demnächst mit ihrem Bachelorstudium fertig, doch ausziehen will sie dann trotzdem nicht aus ihrer Traum-WG.

Der Camper: Wohnen auf vier Rädern

Frank Wunderatsch studiert Kommunikationsdesign in Würzburg. Und weil der 27-Jährige eigentlich in Coburg wohnt, lebt er am Studienort in einem Camper. Zur Verfügung stehen ihm etwa vier Quadratmeter auf der Grundfläche eines Geländewagens, den er teils selbst umgebaut hat. Miniküche, Waschbecken, Frisch- und Abwassertank, ein ausklappbares Bett, Fotovoltaikanlage, Tisch und zwei Sitzbänke hat das kleine Raumwunder zu bieten. Dazu noch eine Akkudusche. "Eigentlich fehlt nur eine Toilette", meint Frank Wunderatsch, der neben dem Studium als freier Fotograf jobbt. Derzeit ist er dabei, seine Bachelorarbeit zu schreiben und muss nur zwei Tage pro Woche an der Universität sein. "Der Camper spart mir eine zweite Wohnung, und ich finde es draußen in der Natur sehr entspannend."
In Würzburg parkt er immer bei Bekannten im Garten, an den Wochenenden ist er oft in der Hofer Gegend unterwegs, wo er aufgewachsen ist und wo seine Eltern leben. Den 18 Jahre alten Landrover Defender hat er sich eigentlich für die Jagd gekauft, dann kam ihm die Idee mit der aufsetzbaren Campingkabine für die große Ladefläche. Sie wird mit Spanngurten verzurrt und kann auch abgenommen werden, wenn größere Dinge transportiert werden sollen. "Ich plane eine längere Tour durch Osteuropa, daher war es mir wichtig, dass alles robust ist und ich es selbst reparieren kann", sagt er über sein Fahrzeug mit dem praktischen Aufstelldach. Vieles ist Eigenkonstruktion, die ständig erweitert wird. Und es lässt sich gut darin wohnen, wie der Student bestätigt: "Man kriegt viel von der Umwelt mit und im Sommer ist es kein Problem mit der Kälte."

Das Stadthaus: Es muss nicht alles perfekt sein

Javkhlanbileg Enkhbat, Jack genannt, lebt erst seit wenigen Monaten wieder in Coburg. Der 29-Jährige ist gerade aus Hof hierher gezogen, um in der Nähe seiner Kinder zu sein, die bei der Mutter im Landkreis Coburg leben. Jack stammt aus der Mongolei und kam 2008 zur Offiziersausbildung bei der Bundeswehr nach Deutschland. Als Gebirgsjäger war er nach Ende der dreijährigen Ausbildung für zwei Jahre beim mongolischen Militär, ehe er zum Studieren wieder nach Deutschland zurückkehrte. Um dafür zugelassen zu werden, musste er seine Deutschkenntnisse unter Beweis stellen und absolvierte 2013 in Coburg das zwei Semester dauernde Berufskolleg.
"Ich hatte ein kleines, sehr günstiges Zimmer am Markt", erinnert er sich. Für das BWL-Studium ging er dann nach Hof, inzwischen ist er im vierten Semester. Als im vorigen Oktober der Umzug nach Coburg anstand, rief er seinen alten Vermieter in der Stadt an. "Er bot mir diese Wohnung an, genauso günstig wie das Zimmer am Markt, aber viel größer", freut er sich. Ohne Besichtigung sagte er am Telefon sofort zu und unterschrieb kurz darauf den Mietvertrag. "So was ist in Coburg sofort weg", weiß er.
Auf etwa 30 Quadratmetern erstrecken sich WC, Flur, Küche, Wohn- und Schlafzimmer, dazu eine Kammer mit einer Dusche. Im Vergleich zu seiner letzten Coburger Unterkunft ist diese Wohnung geradezu großzügig.
Dafür nimmt Jack auch in Kauf, dass der Flur nicht zu heizen ist und dass das Haus deutlichen Renovierungsbedarf hat. Sein Blick geht weit über die Coburger Dächer, zum Marktplatz ist es ein Katzensprung. "Ich freue mich auf die vielen Feste im Sommer", sagt Jack, der sich in der Vestestadt schon richtig wohl fühlt. "Die Leute hier sind sehr nett, Coburg ist eine internationale Stadt mit vielen Ausländern durch die Hochschule und die großen Firmen."

Die Mehrgenerationen-WG: Lernen von den Älteren

Yelena Potupalova nennt zwölf Quadratmeter ihr Eigen. In dem kleinen, günstigen Zimmer in einem Wohnblock am Rande von Coburg hat es sich die Studentin aus Kasachstan gemütlich gemacht. Es gibt einen schmalen Tisch, an dem sie arbeitet und isst, und eine Fotogirlande am alten Hochbett. Die Vierzimmerwohnung teilen sich zwei Studenten mit der eigentlichen Mieterin, einer älteren Dame, Küche und Bad werden gemeinsam benutzt.
"Wir gehen manchmal zusammen in ein Konzert oder unterhalten uns, ich habe auch schon einen Tanzkurs mit älteren Leuten mitgemacht", sagt Yelena Potupalova, die gerne neue Dinge ausprobiert. "Wir tauschen Erfahrungen aus, es ist für mich sehr interessant, zu hören, was sie alles erlebt hat", sagt die 28-Jährige über ihre Vermieterin. Schon seit vier Jahren lebt sie in diesem Zimmer und genießt die Ruhe hier am Stadtrand. "Das ist viel schöner als im Wohnheim, der Wald ist ganz nah", schwärmt sie.
Nach Deutschland gekommen ist sie zunächst als Au pair, hat dann ein soziales Praktikum in Bad Staffelstein absolviert und schließlich mit dem Studium der Sozialen Arbeit an der Coburger Hochschule begonnen. Inzwischen ist sie im achten Semester und steht kurz vor dem Abschluss. "Ich mache langsam, die Sprache ist nicht leicht", sagt sie. Über eine Bekannte hatte sie von dem kleinen Zimmer erfahren und ist froh, hier gleich freundlichen Anschluss gefunden zu haben.

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