Aus Monteur, Märchenprinz und Superheld des Marvel-Universums mischt sich dieser Gralsgesandte und gibt dabei energetische Impulse ritterlicher Tugend und Untugend frei. Sogar eine Prise warmherziger "Italianita" bringt Beczala durch leichte Schluchzer ein, und rund ums Hochzeitsbett - vor einem stramm aufragenden Überspannungsableiter - wirbt er zunächst berückend um Elsa; bis er ihr, indem er sie festbindet, Gewalt antut. Da hat Anja Harteros - die Eintagsfliege als Eintagesbraut - aus der Blässe ihrer ersten Szenen längst herausgefunden: Vielfältig facettiert sie die Aufwallungen ihres Herzens, selbstbewusst Charakter zeigt die Stimme und kann vor Schmerz ersterben.
Zur "Verzauberung" findet selbst Christian Thielemann nicht gleich. Das erste Vorspiel dachte sich der Komponist wohl schwebender und mysteriöser. Grundsätzlich aber bewährt sich der Musikchef im Orchestergraben bei seinem Bayreuther "Lohengrin"-Debüt neuerlich als Mischer feiner Farb-Valeurs und als versierter Spannungsdramaturg. In kalkulierte Bewegung hüllt er auch das Verräter-Paar Ortrud und Telramund ein: den ätzend scharfen Tomasz Konieczny und die - auch im Wortsinn - fesselnde Waltraud Meier. Dass die fünf Protagonisten in ihrer Ensemble-Passage des ersten Aufzugs, den tonalen Halt verlierend, sich schräg ins harmonisch Unbestimmbare verirren, vermag auch Thielemann nicht abzuwenden.
Das "nicht mehr Bestimmbare", wie Neo Rauch und Rosa Loy es in der Kunst verlangen, stiefelt zum fragwürdigen Schluss als leibhaftiges Rätsel herein: der angeblich ermordete Gottfried als spezifisch ostdeutsche Lichtgestalt - knallgrün als Ampelmännchen. Welches Etikett Bayreuths neuer "Lohengrin" auch verdient, Retro-Aktion oder Energiewende: Jetzt ist's eine Persiflage.