So!: Frau Potente, haben Sie schon neue Visitenkarten drucken lassen mit "Franka Potente, Schriftstellerin" statt "Franka Potente, Schauspielerin"?

Franka Potente: Ach was, ich habe überhaupt keine Visitenkarten (lacht). Aber ich ahne, worauf Ihre Frage abzielt: Habe ich das Gefühl einer neuen, einer anderen Identität? In Japan, zum Beispiel, ist es tatsächlich absolut üblich, dass man sich mit einer Visitenkarte vorstellt. Japaner wissen gern, bevor ein Gespräch beginnt, mit wem sie es zu tun haben. Auf meiner Karte hätte wohl dort tatsächlich bisher stehen müssen: Schauspielerin. Das ist natürlich extrem japanisch, aber man kann es ruhig mal weiterspinnen: Mit wem hat man es denn nun bei mir zu tun? Man kennt mich ja zuerst als Schauspielerin...

So!: ... und nun kommt schon das vierte Buch von Ihnen.

Potente: Genau. Erst ein Kurzgeschichten-Band in Briefform. Dann habe ich ein Fitness-Buch gemacht. Zuletzt die Geschichten aus Japan in "Zehn". Also eigentlich betreibe ich die Schriftstellerei schon eine Weile. Und jetzt kommt mein erster Roman "Allmählich wird es Tag". Ich habe natürlich Verständnis für den Wunsch, dass man jemanden gerne ganz exakt einordnen möchte. Aber gerade künstlerische Dinge sind eben schwer fassbar. Und deswegen kann man sie auch nicht so klar auf eine Visitenkarte drucken.

So!: Dann machen Sie doch Kärtchen mit "Franka Potente, Universalkünstlerin".

Potente: Sehen Sie (lacht). Dann ist die Message ja schon angekommen.

So!: Als ihr Kurzgeschichtenband "Zehn" aus dem Jahr 2012 unisono von Kritikern und Lesern gelobt wurde, da zog manch ein Neider die Augenbraue hoch und sagte: Ach, schreiben kann sie also auch noch. Jetzt der erste Roman. Spüren Sie Erfolgsdruck?

Potente: Ach, ja und nein. "Zehn" ist super angenommen worden. Aber es gibt immer Leute, die gerne meckern oder einfach etwas doof finden wollen. Das kenne ich schon von der Schauspielerei. Und das ist auch völlig legitim. Ich muss mich mit meiner Arbeit der Diskussion stellen. Mir gefällt schließlich auch nicht jedes Buch. Aber als künstlerisch tätiger Mensch würde ich mir zumindest Respekt dafür erwarten, dass ich etwas gemacht habe. Denn das unterscheidet mich ja von den Leuten, die immer meckern, aber selbst gar nichts machen. Also: Es ist völlig in Ordnung, wenn jemand sagt, das Buch ist total scheiße. Aber: Er muss zumindest anerkennen, dass ich einen 300-Seiten-Roman geschrieben habe, der bei einem guten Verlag erschienen ist - und zwar in einer Zeit, in der ich intensiv als Schauspielerin gearbeitet habe und noch schwanger war. Das muss nicht jeder wissen. Aber für mich weiß ich, welch große Herausforderung ich mit diesem Roman angenommen habe. Es hat mich zwei Jahre beschäftigt, ich habe es sehr gerne gemacht. Und jetzt, wenn ich das Buch in der Hand halte, bin ich natürlich stolz wie Bolle.

So!: Sie sind also glücklich mit Ihrem Werk?

Potente: Aber klar. Und wenn es anderen vielleicht nicht gefällt, ist das dann auch nicht schlimm. Natürlich hofft man, dass es nicht total verrissen wird. Und man würde sich freuen, wenn die Leute es kaufen wollen. Aber daran kann ich ja sowieso nichts ändern.

So!: Ihre Sprache ist spartanisch, kein Wort zu viel, aber auch keines zu wenig. Schnelle, kurze Sätze, schnörkellos, präzise. Wie haben Sie zu diesem Stil gefunden?

Potente: Der hat wohl eher mich gefunden. Das war schon bei dem Japan-Buch so. Da dachte ich noch, das habe vielleicht mit dem Japanisch-Spartanischen zu tun. Deshalb hatte ich diesmal anfangs versucht, eine etwas andere Form zu finden. Aber es ging immer wieder dahin zurück. Wenn ich spreche, wie jetzt hier im Interview, dann bin ich eher eine Art Sprech-Denker. Ich fange was an, elend lange Sätze, dann wird hier und da noch eingefügt, was mir gerade beim Reden noch einfällt. In der geschriebenen Sprache ist es bei mir anscheinend das totale Gegenteil. Keine Ahnung, warum. Grundsätzlich bin ich ein sehr strukturierter, klarer Mensch. Wenn ich also so vorm Computer sitze und mich konzentriere und die Ideen aus meinem Kopf herausfließen und sich zu Worten fügen, dann findet sich offenbar diese klare Struktur darin wieder.

So!: Spricht aus diesem Stakkato von Ein-Wort-Sätzen auch eine gewisse Unrast der Autorin?

Potente: Ich persönlich würde das nicht so sehen. Aber wenn der Leser das so empfindet, steht ihm das natürlich frei. Wenn Sie da eine Rastlosigkeit spüren, dann hat das wohl vor allem auch mit meiner Hauptfigur zu tun. Es ist also weniger rhetorisches Kalkül, sondern vielmehr das Zeichnen dieser rastlosen Figur, Tim Wilkins, ein Typ, der sich, zum Beispiel, mit Drogen total zuhaut. Im letzten Drittel des Romans erzähle ich die Geschichte aber breiter, die Sätze werden länger. Es gibt ja immer diese Verquickung von Sprache und Inhalt - idealerweise. Ich hoffe, dass das bei mir auch so ist. Die Kürze am Anfang hat viel mit dem Inhalt zu tun. Die spätere Länge dann auch.

So!: Fühlen Sie sich beim Schreiben kreativer als beim Arbeiten vor der Kamera? An der Tastatur sind Sie ja gestalterisch völlig frei.

Potente: Sie sagen es schon: Beim Schreiben fühle ich mich freier. Aber beide Tätigkeiten sind gleichermaßen kreativ. Beim Schauspielen ist die Kreativität nur eben anders gelagert. Wichtig ist mir jedoch immer die Einfachheit der Dinge. Das ist etwas ganz Grundsätzliches. Ich bin, zum Beispiel, auch kein Skifahrer. Das ist mir zu viel Trara. Das dauert ja ewig, bis man endlich diesen Hügel mal runterfährt. Da muss man erst die verschiedenen Lagen warmer Sachen anziehen, sodass es dann fast unmöglich wird, noch ein Tempotaschentuch rauszukriegen, wenn die Nase läuft. Und dann stapft man mit diesen dicken Schuhen rum und muss sich anstellen und sich einen Skipass besorgen, dann am Lift warten. Bis man überhaupt mal da oben ist, um endlich runterzufahren, ist so viel Kraft nötig. Das ist mir too much.

So!: Sie sind dann eher der Raus-aus-der-Tür-und-losgejoggt-Typ.

Potente: Was ich sagen will ist: Ich mag gerne unmittelbare Dinge, die eine gewisse Klarheit und Einfachheit haben. Das gilt auch, wenn ich schreibe.

So!: Ihre Beobachtungsgabe ist verblüffend. Ist Ihnen diese filmische Exaktheit in den Details wichtig? Schlägt da die andere Profession, die Schauspielerei durch?

Potente: Ja, wahrscheinlich. Denn auch als Schauspielerin muss man ja zuerst Beobachterin sein. Und es ist eben auch so, dass Menschen immer dann glaubhafter sind, wenn sie detaillierter gezeichnet sind. Wenn jemand eine Lüge erzählt, dann ist man umso eher bereit, ihm zu glauben, je exakter die Details dieser Lüge sind. Und Fiktion, das Erfinden einer Romanhandlung, ist ja auch eine Art Lüge. Da gilt also genauso: Je genauer man beschreibt, umso plastischer tut sich diese Welt auf. Man möchte doch die Handlung vor dem inneren Auge möglichst genau sehen. Und ich als Autorin habe natürlich alles gesehen. Es liegt dann an mir, es so umzusetzen, dass die Leute es auch so exakt sehen können. Ich bin doch selbst auch Leserin, ich weiß doch, was man sich wünscht von einem Buch, welchen Anspruch man hat. Das will man dann, wenn man selbst Autorin ist, natürlich auch erfüllen.

So!: Hatten Sie beim Schreiben womöglich schon eine spätere Verfilmung im Auge?

Potente: Nein, es war genau andersrum. Vor ungefähr vier Jahren war es ursprünglich mal als Drehbuch gedacht - für Tim Robbins in der Hauptrolle, der ja - wie mein Tim im Buch - auch extrem groß ist. Aber irgendwie lag mir diese Drehbuchform dafür nicht, also habe ich irgendwann die Geschichte ad acta gelegt. Dann fragte der Piper-Verlag an, ob ich nicht eine Idee für einen Roman hätte. Und so kam diese Story wieder hoch. Ich wollte auch mit etwas Einfacherem anfangen, nicht gleich einen dicken historischen Roman mit fünfzig Figuren schreiben.

So!: Das hätte ja auch enorm zeitaufwendige Recherchen bedeutet.

Potente: Naja, Recherche steckt in diesem Buch auch jede Menge. Aber: Allein sich so ein Whiteboard vorzustellen, eine große Tafel, auf der man die Figuren und ihre Handlungen in einen historisch korrekten Ablauf einpassen muss... Damit wollte ich mich nicht verzetteln. Es sollte übersichtlich bleiben.

So!: Wie groovt man sich als Frau aus dem westfälischen Provinzstädtchen Dülmen in einen kalifornischen Mann aus Los Angeles hinein? Woraus schöpfen Sie die Authentiziät dieses Blickwinkels?

Potente: Ich glaube, ich habe die Figur zunächst gar nicht als amerikanischen Mann aus Los Angeles gesehen. Ich suchte wohl zuerst die universellen Andockpunkte. Die Geschichte hätte - so oder so ähnlich - natürlich auch woanders passieren können. Dass es in Los Angeles passiert, hat einfach damit zu tun, dass hier gerade meine Traum-Ebene ist, die mich umtreibt. Man schöpft ja immer aus einem kreativen, geradezu magischen Pool, wenn man aus Nichts heraus etwas erschafft beim Schreiben. Die Textur dieses magischen Pools hat für mich in diesem Zeitraum einfach hier in L.A. stattgefunden. Weil ich mich eben auch selber stark mit der Stadt auseinandergesetzt habe. Es war ja eine Zeit, in der ich relativ neu fest in Los Angeles war. Die Zeit, in der wir unser erstes Kind hatten, in der dann das zweite kam. Es ist also dieser Lebensabschnitt des Angekommen-Seins. Und der findet für mich hier in Los Angeles statt, wo meine Familie ist. Deshalb machte es Sinn, die Geschichte und die Figur hier anzusiedeln.

So!: Ihr Held ist schlagartig gezwungen, sich und sein Leben zu hinterfragen. Schon nach ein paar Seiten haben Sie ihn zerstört und verzweifelt am Boden. Reizt Sie dieses Ende eines Lebensentwurfs, der ja immer auch ein Anfang sein kann?

Potente: Anfänge und Enden sind immer Katalysatoren für eine Geschichte. Ich glaube, 99 Prozent aller Filme und Bücher haben mit dem Ende von etwas zu tun - und der Frage nach dem neuen Anfang, die sich daraus ergibt. Das ist einfach die dynamischste, interessanteste Ausgangssituation. Und: Das wollen doch alle. Alle Leute sehnen sich doch immer nach irgendeiner Veränderung. Das beginnt ja schon, auf einer unteren Ebene, wenn man sich nur nach dem nächsten Urlaub sehnt.

So!: Und mit diesem Wendepunkt steigen Sie ein?

Potente: Genau. Der Roman beginnt mit dem Anfang des letzten Drittels der Geschichte. Das ist bewusst dramatisch, eine Situation, die man sich als Leser anschaut und nur denkt: "Oh, Gott! Wie konnte das denn passieren?" Dann aber springe ich zurück in die Vergangenheit - und erzähle, wie der Mann an diesen Punkt gekommen ist.

So!: Wenn Sie in Hollywood völlig freie Hand hätten: Wer würde in der Verfilmung ihren Tim spielen? Immer noch Tim Robbins, für den ursprünglich das Drehbuch gedacht war?

Potente: Tim Robbins wäre schon super. Ich glaube, es ist schon wichtig, dass die Person, die meinen Tim spielt, ziemlich groß ist. Sonst müsste man beim Casten darauf achten, dass alle anderen, die mitspielen, ziemlich klein sind. Nur: Bis es vielleicht mal so weit ist, dass das Buch verfilmt wird, ist Tim Robbins eventuell schon ein bisschen zu alt. Aber: Für die Rolle wäre er super.

So!: Es wird kolportiert, sie hätten als Kind immer versucht, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie waren sowohl Klassenclown wie Klassensprecherin. Das ist ja nicht untypisch für Menschen, die später Schauspieler werden. Schriftsteller dagegen sind als Kind oft eher Leseratten, Eigenbrödler, zurückgezogene Sonderlinge. Waren Sie das auch, zwischendurch?

Potente: Ich war das auch - aber ohne den Sonderling (lacht). Ich konnte schon mit fünf lesen. Und von da ab habe ich so viel gelesen, dass meine Mutter irgendwann sagte, das Bücherkaufen wird ihr zu teuer. Also habe ich - als Fünfjährige - meine eigene Karte für die Bücherei bekommen. Ein Traum! Am liebsten hätte ich fünfzig Bücher mitgenommen. Aber der Deal war: Ich durfte nur so viele Bücher ausleihen, wie ich selber tragen konnte. Stellen Sie sich also Klein-Franka vor, wie sie mit einem Riesenstapel Bücher, den sie unterm Kinn balanciert, aus der Bücherei kommt. Ich war also auch ein stilles Kind, das sich gut stundenlang selbst beschäftigen konnte. Das schließt sich doch nicht gegenseitig aus. Es gibt doch auch viele Autoren, die gar nicht so zurückgezogen sind. Ich bin beides. Ein kreativer Zwitter. Ich denke, dass dieses stille Schreiben auch aus einem lauten, sehr hektischen Leben in meinem anderen Beruf entstanden ist. Ich hatte diese Sehnsucht nach der Arbeit im Stillen, nur für mich, um in Ruhe in meinem Kopf spazierenzugehen.

So!: Wie geht man damit um, wenn man Dutzende von Film- und Fernsehrollen gespielt hat, und es nach 16 Jahren immer noch heißt: Franka Potente, du weißt schon, die aus "Lola rennt"?

Potente: Das ist absolut okay. Ich mag den Film heute noch. Ich habe zu der Lola nicht so eine Verbindung wie die arme Romy Schneider zu Sissy, die das nun wirklich nicht mehr hören konnte. Nein, ich finde "Lola rennt" immer noch toll. Mir passiert es auch alle naselang hier in Amerika, dass Leute mich darauf ansprechen. Und ich finde es total cool, dass sie nicht als erstes von "Bourne Identity" anfangen, sondern mit unserem schönen kleinen Independent-Film aus West-Berlin.

So!: ... der dann 1999 auch den Publikumspreis bei Robert Redfords Sundance-Film-Festival gewonnen hat. Von da an fand Ihre Karriere auf zwei Kontinenten statt. Doch dann kehrten Sie nach einer ersten Hollywood-Zeit 2004 nach Berlin zurück und sagten, in Los Angeles sei es grauenhaft. Und: "Da werde ich mit Sicherheit nie ein Häuschen haben." Tja, typischer Fall von Never-say-never, oder?

Potente: Schon (schmunzelt), aber Amerika - und ich - waren vor zehn Jahren eben auch anders. Damals war George W. Bush Präsident. Ich fand Los Angeles total grauenhaft, die Stadt - und das ganze Land - hat es einem aber auch einfach gemacht, sie grauenhaft zu finden. Das ging ja selbst vielen Amerikanern so, wenn ich mich recht erinnere. Mittlerweile gibt es Obama. Das ist zwar auch nicht immer eine einfache Geschichte, aber das Land hat sich, wie ich finde, in vielerlei Hinsicht berappelt. Los Angeles selbst hat sich wirklich zu einer interessanteren Stadt verändert in diesen letzten zehn Jahren. Aber wie dem auch sei: Letztendlich ist es so, dass mein Mann und meine Kinder hier sind - und die sind nun mal Amerikaner. Das ist meine Familie, das allein ist relevant. Darin liegt wohl der große Unterschied. Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Vor zehn Jahren war ich jemand, der einen ziemlichen Druck hier verspürt hat. Ich war der Newcomer, durchaus schon ein bisschen gehypet in Amerika, alle möglichen Leute wollten was von mir. Das hat mein Bild von Amerika, von Los Angeles damals sehr geprägt - und sicher auch zu meiner damaligen Abneigung geführt. Los Angeles war für mich potenzielles Arbeitsumfeld, wo alle plötzlich was von mir wollten, wo mir Leute sagten, dass ich mir die Haare besser so oder so mache. Aber: Ich habe auch gelernt, damit umzugehen. Heute dagegen ist Los Angeles einfach Alltag für mich. Hier ist mein Mann, hier wachsen meine Kinder auf. Das ist etwas ganz anderes.

So!: Ihr Roman spielt in Atwater, einem gut situierten Stadtviertel etwas östlich vom Griffith Park mit dem Hollywood-Zeichen. Ist das auch Ihr Zuhause?

Potente: Nein, das ist nicht mein Zuhause, aber ich habe mal ganz in der Nähe, in Silver Lake, gewohnt und habe auch viel Zeit in Atwater und in Echo Park verbracht. Ich habe einen Bekannten, der dort wohnt. Es ist eben ein Stadtviertel, in dem viele Familien wohnen, die wie Tims Familie sind. Der hat einfach da hin gepasst.

So!: Haben Sie da schon Ihre Lieblings-"German Bakery" gefunden. Der frappierendste Kulturverlust beim Übersiedeln nach USA ist ja der Verzicht auf deutsches Brot.

Potente: Ja, nicht wahr (lacht). Aber auch da hat sich in den letzten zehn Jahren viel getan. Ich gehe zum Beispiel zu "Wholefood", das ist ein Bio-Supermarkt und kaufe dort "Pumpernickel". Der hat zwar mit dem deutschen, fast schwarzen Pumpernickel nichts zu tun, ist aber ein ziemlich gutes Brot. Dann habe ich auch immer diese langen rechteckigen eingepackten Vollkorn-Kastenbrote zuhause. Aber auch frisches Brot bekommt man im Supermarkt mittlerweile recht gutes. Also man muss nicht unbedingt zur "La Brea Bakery", zu der alle Deutschen immer hinlaufen. Ich bin mit "Wholefood" absolut zufrieden. Aber an die trostlosen Brot-Zeiten kann ich mich auch noch erinnern, so lange ist das gar nicht her.

So!: Sie haben mit Johnny Depp fürs Kino gedreht, dann zweimal mit Matt Damon. Jetzt haben Sie sich aber im amerikanischen Fernsehen eingenistet. Sie waren ja mittlerweile in einigen US-Serien vertreten, in diversen Gast-, aber auch in Hauptrollen. Ist amerikanisches Fernsehen für Sie interessanter als deutsches?

Potente: Das ist im Moment schon deswegen de facto interessanter, weil meine Familie hier lebt. Und ich bin nach dem Dreh schnell wieder daheim. Unlängst habe ich in New York einen Pilotfilm für eine neue Serie gedreht. Das ist zwar noch auf dem gleichen Kontinent, aber doch wahnsinnig weit weg von der Familie, denn die Kinder bleiben natürlich zuhause in Los Angeles, wo sie ihre tägliche Routine haben. Tatsächlich würde ich immer am liebsten in L.A. drehen, weil es einfach am nahesten ist.

So!: Viele Kinostars haben inzwischen eigene, sehr erfolgreiche Serien: Halle Berry, Kevin Spacey, Glenn Close, Claire Danes. Das Fernsehen, früher von den Stars der großen Leinwand ein wenig belächelt, ist als zweites Standbein offenbar nicht mehr nur zweite Wahl.

Potente: Es ist oft sogar oft erstes Standbein. Zum Beispiel die Mini-Serie "True Detectives" bei HBO. Ganz toll gemacht, echt super. Mit Matthew McConaughey und Woody Harrelson. Die Industrie hat nicht mehr das Riesengeld für aufwendige Kino-Filme. Es werden einfach nicht mehr so viele fette Sachen gemacht. Im Fernsehen aber finden ambitioniertere Projekte statt. Zum Beispiel "American Horror Story" mit Jessica Lange, da wird gerade schon die dritte Staffel gedreht.

So!: Die Orientierung zum Fernsehen hat also auch damit zu tun, dass im Kino die Rollen rarer werden?

Potente: Natürlich. Es ist doch schon lange nicht mehr so, dass man tausend Kino-Drehbücher auf den Tisch kriegt. Aber die Schauspieler und alle aus der Branche wollen arbeiten. Irgendwie muss ja auch die Butter aufs Brot. Man kann es sich nicht mehr leisten, sechs Monate zu warten, bis das richtige Drehbuch auftaucht. Also drängen alle ins Fernsehen.

So!: Sie fühlen sich in Fernseh-Produktionen offenbar sehr wohl?

Potente: Absolut. Und, wie gesagt, es passt auch wunderbar zu meiner momentanen Lebenssituation. Das ist gut planbar und man kann sich einfach fest danach richten.

So!: Sie haben als Hobby mal angegeben, einfach ziellos durch die Nacht zu fahren. Ist dafür noch Zeit - mit Ehemann und Töchtern?

Potente: Nein (lacht laut auf)! Ganz sicher nicht! Es gibt eben Zeiten im Leben, wo man das eine oder andere tut. Und dazu gehörte für mich auch mal das Ziellos-durch-die-Nacht-Fahren. Aber, ehrlich gesagt, ich wäre im Moment viel zu müde, um ziellos durch die Nacht zu fahren. Für mich zählen jetzt andere Dinge. Ich bin eben in einem Lebensabschnitt, in dem ich nicht die erste Geige spiele, sondern in dem die kleinen Menschlein, für die ich sorgen muss, die Nummer eins sind. Und das ist auch absolut okay so.

So!: Hatten Sie das damals gemacht, um den Kopf freizukriegen? Um die Gedanken zu strukturieren?

Potente: Ja. Und es ist jetzt auch noch wichtig, dass man Zeitabschnitte hat, in denen man was nur für sich macht. Mal einen Spaziergang. Oder Sport. Oder in aller Ruhe draußen einen Kaffee trinken. Hauptsächlich aber bemühe ich mich im Moment, mal vier Stunden hintereinander weg zu schlafen. Schon das ist manchmal ein harter Kampf (lacht).

So!: Sie scheinen das Konzept zeitgemäßer Kommunikation noch nicht so richtig drauf zu haben. Während andere schon das erste Pünktchen auf dem Ultraschall twittern und facebooken, erfuhr die Öffentlichkeit von Ihrer Tochter Polly erst zwei Monate nach deren Geburt. Ihre Eheschließung mit Derek Richardson hielten Sie gar fast ein Jahr unter der Decke. Von Ihrer zweiten Tochter haben Sie bislang auch noch fast nichts erzählt, dabei ist sie schon ein gutes halbes Jahr alt. Wie heißt sie denn überhaupt?

Potente: Georgie-Mae.

So!: Kein Anlass für einen Mutterstolz-Tweet?

Potente: Ach, irgendwann kommt man tollerweise in ein Alter, das einen sehr unaufgeregten Status mit sich bringt. Es gibt ja längst andere, die jetzt gehypet werden in Deutschland. Man interessiert sich doch gar nicht mehr so intensiv dafür, was ich jetzt ganz genau mache. Und das kommt mir natürlich super zupass. Gerade wenn Kinder involviert sind und ein Ehemann. Aber ich habe Derek nie versteckt, ich habe ihn nur nicht immer ins Rampenlicht geschubst.

So!: Vielleicht hatte er auch keine Visitenkarte, auf der stand: "Ehemann von Franka Potente".

Potente: Ha, ha, genau (lacht). Aber ehrlich: Es hieß, ich wollte meine Ehe geheim halten und all so was. Ich habe mich schlicht nur nicht darum gedrängelt, dass es rauskommt. Als ich schwanger war, hatte ich auch überhaupt keinen Bock, dass da jetzt drüber berichtet wird, dass mir Fotografen auflauern. Das ist privat und intim - und soll es auch bleiben. Ich habe doch auch eine Verantwortung, die Menschen um mich herum zu schützen. Im Internet bleiben solche Sachen ja ewig stehen. Vielleicht wollen meine Töchter das aber später gar nicht immerzu wieder sehen, vielleicht haben die da gar keine Lust drauf. Ich kann doch diese Entscheidung nicht für meine Töchter treffen. Nein, wir brauchen das nicht. Wir gehören nicht zu den Leuten, die dieses Feedback haben müssen, bei denen alles, was sie tun, öffentlich gemacht werden muss. Das ist bei uns überhaupt nicht so.

So!: Zwingen Sie sich doch bitte wenigstens ein Mal, jetzt und hier, einen top-aktuellen privaten Tweet zu formulieren.

Potente: Das vergessen Sie mal ganz schnell! Keine Chance. Twitter ist doch fürchterlich!

Interview: Andrea Herdegen

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Franka Potente, "Allmählich wird es Tag", Roman, gebunden, 304 Seiten, erschienen im Piper-Verlag, 19,99 Euro.

Kurz & knapp

Franka Potente, 1974 geboren, wuchs im westfälischen Dülmen aur. Seit ihrer Titelrolle in Tom Tykwers "Lola rennt" 1998 gehört sie zu den international gefragtesten deutschen Schauspielerinnen. Sie trat unter anderem auf in "Die Bourne Identität" mit Matt Damon und in der mit vielen deutschen Stars besetzten Literaturverfilmung von "Elementarteilchen". In den vergangenen Jahren ist Franka Potente vor allem in US-Fernsehserien zu sehen, etwa in "The Shield", "Dr. House", "Psych" oder zuletzt "Copper". Im August 2010 erschien ihr erster Erzählband "Zehn". Seit 2012 ist Potente mit dem amerikanischen Schauspieler Derek Richardson verheiratet, mit dem sie in Los Angeles lebt. 2011 kam Tochter Polly zur Welt, im Sommer 2013 folgte die zweite Tochter, Georgie-Mae.