Bayreuth - Mit dem Knaben Hanno kommt das Ende. Ein Buddenbrook ist er nur mehr dem Namen nach - kein lebenskräftiger Handelsmann wie die Vorfahren kann je aus ihm werden. Nicht für Geld und Besitz, fürs Klavier sind seine Hände geschaffen. Wehmütig blickt der kleine Musiker drein: ein weiches Wesen, eine ätherische Künstlergestalt.

Mit Thomas Manns Vater kam das Ende. Als der angesehene Lübecker Kaufmann starb, wusste er, dass seine Kinder zu Ökonomen nicht taugten. Schriftsteller wurden die Söhne Heinrich und Thomas. Namentlich Letzterer sog den Nektar seiner Sprachkunst aus der Musik. Doppelgesichtig bringt er sie in seinem Nobelpreis-Roman "Buddenbrooks" von 1901 ins Spiel: als Zauber und Verderben. Mit dem Dichter-Komponisten Richard Wagner setzte sich der hochmusikalische Dichter lebenslänglich auseinander - und wechselhaft. Eine "Liebe ohne Glauben": Seinen Weg vom Enthusiasten zum Zweifler vollzieht im Bayreuther Rathaus eine Ausstellung nach, die Holger Pils und Christina Ulrich für das Richard-Wagner-Museum, das Lübecker Buddenbrookhaus und das Thomas-Mann-Archiv in Zürich konzipierten.

Als "künstlerisches Kapitalereignis" erlebte Thomas Mann die Musik Wagners, in Lübeck und dessen Stadttheater zunächst. In München - und in Friedrich Nietzsches Schriften - erlag er ihr wie einem "Rausch". Später stellte Skepsis sich ein, auch wenn Mann das "Deutschtum" Wagners noch hochhielt. Freilich distanzierte er sich von jener Haltung mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus, der Wagners Mythen-Musik und Antisemitismus in seine Ideologie einband; nun suchte Mann das Wesen des missbrauchten Idols in dessen Kosmopolitismus zu fassen. Den grandiosen Spätroman "Doktor Faustus" verglich er schließlich selbst mit Wagners Abschiedswerk, dem "Parsifal".

Mithin in fünf Stationen ordnet die Schau das musikalische Lebensthema Thomas Manns und breitet es in Bildern und Porträts, kleinen Inszenierungen und vielen Texten und Dokumenten aus. Sogar Original-Schallplatten aus der mannschen Sammlung stehen in einem Regal. Denn der Schriftsteller kannte "seinen" Wagner. Wie in einer heiligen Schrift blätterte er in einem - in Bayreuth gezeigten - Faksimile der Partitur-Handschrift von "Tristan und Isolde". Indes stand er nicht an, in seiner eigenen "Tristan"-Novelle die ausartende Wagner-Schwärmerei aufs Satirischste zu verspotten.

Eine Deutungshoheit zum Schaffen des Meisters sprach Mann sich zu. Mit dem Essay "Leiden und Größe Richard Wagners" trachtete er 1933 Unumstößliches zu sagen: Das verehrte Genie zeichnete er auch als verschwendungssüchtigen Bour-
geois, als "Hanswursten, Lichtgott und anarchistischen Sozialrevolutionär auf einmal". Der prompte, in der Ausstellung dokumentierte "Protest der Richard-Wagner-Stadt München" veranlasste ihn, von einer Auslandsreise nicht mehr nach Nazi-Deutschland zurückzukehren. "Es ist viel 'Hitler' in Wagner", sollte er später einräumen: Den Diktator fand er "wagnerisch auf der Stufe der Verhunzung", nannte aber auch den einst vergötterten Komponisten schon mal den "Gnom aus Sachsen mit dem Bombentalent und dem schäbigen Charakter".

Der Katalog, erschöpfend auskunftfreudig durch Beiträge erstrangiger Experten, enthält alle Einträge in Manns Tagebuch zum Thema Wagner. "25. Juni 1946. Hörten Tristan-Platten, III. Akt. Nicht mehr recht zu ertragen. Wahrscheinlich doch wird es zusammen mit der bürgerlich-kapitalistischen Welt untergehen." Was abzuwarten bleibt.

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Bis zum 28. August, täglich von 10 bis 17 Uhr. Katalog: Wallstein-Verlag, 254 Seiten, broschiert, 24,90 Euro.

Berichte über zwei weitere Wagner-Ausstellungen in Bayreuth folgen.

Auch Bamberg

... wo der Komponist 1833 und 1873 logierte, beteiligt sich mit einer Ausstellung am Wagner-Jahr. Bis zum 31. Oktober ist in der Staatsbibliothek die Schau "Richard Wagner - Dichtungen, Kompositionen, Schriften" zu sehen. (Montag bis Freitag 9 bis 17 Uhr.)