Schwarzenbach an der Saale - Das haben sie Ralf König, dem erfolgreichsten deutschen Comic-Künstler, zu verdanken: Im Erika-Fuchs-Haus, dem unlängst eröffneten Museum für Comic und Sprachkunst, feiern Helden aus den unübertroffenen Bildergeschichten Wilhelm Buschs ein "Wiedersehn" - die gar nicht so fromme Helene, der "verhinderte Dichter" Balduin Bählamm ..., und "es ist sogar aus Padua / Antonius samt Versuchung da". Denn nicht nur wunderbar unverblümt zeichnen kann Ralf König, auch spitzfindig reimen.

Für eine Hommage an den deutschen Urvater der gezeichneten Erzählung hat er Buschs Personal in Schwarzenbach versammelt. Auch eine unzweideutig frivole Travestie der Abenteuer von Max und Moritz ist zu sehen. Auf einem Blatt hebt König den Altmeister sogar als Denkmal auf einen Sockel. Mit Busch hat sich das brave Volk der Dichter und Denker abgefunden; ansonsten rümpfte es arg lang die Nase über grafische Literatur leichten oder gewichtigen Inhalts. "Der Comic steht im Rufe / des tiefsten Schunds auf höchster Stufe." Allerdings: "Stand im Rufe" muss es heute heißen; zum Glück hat man auch hierzulande umzudenken gelernt. Ralf König sagt's, wenngleich mit einem Augenzwinkern, so: "Das deutsche Volk hat auch Humor."

Auf höchster Stufe

Einheimische Produktionen "auf höchster Stufe" ehrt zweijährlich der Internationale Comic-Salon in Erlangen mit einer Auszeichnung. Wilhelm Busch zu Ehren heißt sie Max-und-Moritz-Preis. Die Empfänger von 2014 stellt das Schwarzenbacher Museum in seiner ersten Sonderausstellung vor, die zugleich die erste Preisträger-Präsentation außerhalb Erlangens ist. Zur Eröffnung reiste, wie berichtet, Ralf König höchstselbst an; er, der den Preis schon drei Mal errang, wurde 2014 für sein "herausragendes Lebenswerk" geadelt, in dem es die spektakulären Schwulen-Comics "Der bewegte Mann" und "Kondom des Grauens" zu Bestsellern brachten. Ralf König: ein König des Comics. Seine Knollnasen-Macker, stets mehr oder weniger notgeil, erkennt inzwischen auch, wer nur wenig Erfahrung mit dieser Literaturgattung sammelte.

Hingegen Ulli Lust: Obwohl in Erlangen zur "besten deutschsprachigen Comic-Künstlerin" ausgerufen, wissen mit ihrem Namen eher die eingefleischten Fans der Gattung etwas anzufangen. Dabei brachte sie 2009 die umfangreichste deutsche Graphic Novel heraus: "Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens", 460 Seiten, von denen Schwarzenbach einige sowohl als Skizzen wie als Reinzeichnungen zeigt. In dem Werk erzählt die in Berlin lebende Österreicherin von der Reise zweier liebeshungriger und -bereiter Mädchen von Wien nach Sizilien. Einen fremden Stoff, Marcel Beyers "Flughunde", adaptierte sie in ihrer jüngsten Arbeit. Aber sie illustrierte den Roman - über einen Geräuschesammler zur Zeit des "Dritten Reichs" - nicht einfach, sondern verwandelte ihn ihrer eigenen Art an, indem sie eine visuelle "Tonspur" in ihre Grafiken einzog. Nebenbei offenbart eine Tafel mit grandiosen Bewegungsstudien einer Frau mit Schleppe und Schirm ("Wie man ein Kleid rafft"), über welch umwerfende Technik die Zeichnerin verfügt.

"Eine Sensation" nannte FAZ-Feuilletonist Andreas Platthaus die Arbeiten Lusts. Aber auch für Barbara Yelin sparte der führende Comic-Experte im Lande nicht mit Lob: "Klatsch klatsch", jubelt er auf einer Texttafel auf gut Donaldistisch über "Irmina", eine deutsch-englische Liebesgeschichte gleichfalls aus der Nazizeit. An Wilhelm Busch erinnert sich die Autorin, indem sie an ihren Vater denkt: Der kleinen Barbara las er Buschs Geschichten vor, und sie fand "die Bilder toll, aber auch immer ziemlich zum Fürchten".

Ein alter Kumpel

Für Mawil alias Markus Witzel ist Busch "ein alter Kumpel". Zwischen Furcht und Aufbruchslust schwanken die Kids in seinem "Kinderland, dem "besten deutschsprachigen Comic" 2014. Darin lässt der gebürtige Ostberliner das Endstadium der DDR 1989 aufleben, in Gestalt einer Horde Siebtklässler zwischen Schule und regimekritischem Elternhaus, FDJ und Kirche - eine autobiografische Coming of age-Geschichte. Faszinierend Mawils minimalistische Entwürfe eines Tischtennis spielenden Jungen; in einer Vitrine geben seine charakteristischen Stricheleien auch echten Tischtennisbällen buchstäblich ein Gesicht.

Lieblingswerkzeuge

Den Bleistift oder den Radiergummi nennen manche der ausgestellten Comic-Künstler als ihr Lieblingswerkzeug. Am Computerzeichentisch dagegen lässt Publikumspreisträger Marvin Clifford die wortkargen, aber grafisch faszinierenden Abenteuer seines Alter Egos Marv entstehen: "Schisslaweng". Ins Schwarzenbacher Entenhausen passt Marv: Sein Hang zum Totalversagen im Alltag, etwa beim Versuch, den Müll rauszutragen, ähnelt den Komplett-Missgeschicken Donald Ducks.

Leiser, lapidarer, aber nicht weniger lustig knallen die Pointen von Olaf Korth, der sich als Satiriker 18Metzger nennt. "Totes Meer": So rätselhaft wie sein Pseudonym klingt der Titel seiner Mini-Bildstrecken, die gelegentlich nur eine einzige Zeichnung umfassen. Durch verwunderliche Texte schweben sie kurios zwischen dem Nonsens des englischen Humors à la "Monty Python" und den absurden Spöttereien Loriots. Für den "besten deutschen Comicstrip" erhielt 18Metzger den Wilhelm-Busch-Preis. Allerdings: Busch? Unübertroffen? Für den im Punk wurzelnden Künstler ist der Alte Meister nur "irgendein lange toter Antisemit".

Lang und gründlich muss sich ein Bildgeschichten-Erfinder ausprobieren, bis der eigene Strich unverwechselbar sitzt und der Stoff stimmt. Das tut die Klasse Illustration/Comic der Kasseler Kunsthochschule gerade. Die sechste Ausgabe ihres Magazins Triebwerk, für die sie den Förderpreis erhielt, erweist Vielgesichtigkeit und Reife der jungen Talente. "Werden wir jetzt alle Comiczeichner?", fragen sie schriftlich in Schwarzenbach und liefern die selbstbewusste Antwort gleich mit: "Wir sind es ja schon."

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Bis zum 29. Mai, dienstags bis sonntags, 10 bis 18 Uhr.