Der Lyriker und Novellist wäre vielleicht einer der größten Dichter Deutschlands geworden, jedenfalls des zwanzigsten Jahrhunderts. Seine Poesie [...] zeichnet sich durch eine unvergleichliche, ekstatisch-dämonische Aura aus und hat in hohem Maße die Vorstellung vom deutschen Expressionismus geprägt, zumal vom Früh-Expressionismus." Der, der hier von Kritiker-Papst Marcel Reich-Ranicki derart gerühmt wird, hat nicht einmal seinen 25. Geburtstag erlebt: Georg Heym ertrank heute vor 100 Jahren bei einem Schlittschuh-Unfall auf der Havel in Berlin. In der Tat bereitete der am 30. Oktober 1887 als Sohn eines Militär-Staatsanwalts in Hirschberg/Schlesien geborene junge Mann dem Expressionismus den Weg. In seinen Gedichten und Texten schlug einen völlig neuen Ton an; schon als 16-Jähriger griff er verstärkt die negativen Seiten des Lebens auf und machte die für den Expressionismus typischen Themen wie die Stadt als Ballungs- und Lebensraum oder das Verblassen des Individuums zum Inhalt seiner Werke. Später wurde er deutlicher - er schockierte seine Leser und führte ihnen die Schattenseiten ihrer Welt vor Augen. Solch düstere Gedanken hatten ihren Ursprung auch darin, dass er zu Hause keinerlei Verständnis für seine Kunst fand. Im Gegenteil: Der Vater drängte ihn, ebenfalls Jurist zu werden. Nach dem Abitur begann Heym also 1907 ein Jurastudium in Würzburg, Berlin und Jena. Der junge Dichter hasste die Rechtswissenschaften. "Wenn ich bloß etwas, etwas Geld hätte, ich hätte schon lange was anderes angefangen", schrieb er ins Tagebuch. Besser wurde es für ihn, als er 1910 im literarischen "Neuen Club" Aufnahme fand. Ermutigt von den Freunden, die es ihm ermöglichten, einen eigenen Stil zu entwickeln, schuf er nun bildgewaltige lyrische Kunstwerke wie "Der Krieg", stellte seine Gedichte in Lesungen vor und veröffentlichte sie erstmals 1911 bei Rowohlt. Trotz seines kurzen Lebens umfasst sein Nachlass rund 500 Gedichte und Entwürfe; darunter durchaus auch leichte Lyrik und Liebesgedichte. Zu Franken hatte Georg Heym außer zu Würzburg noch eine weitere Verbindung: Seine Kurznovelle "Der fünfte Oktober" aus der postum herausgegebenen Sammlung "Der Dieb" ist eine Adaption von Jean Pauls "Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei".