Mit ihnen hatte Francis Scott Fitzgerald, kaum dass er die Zwanzig überschritten hatte, Furore gemacht: durch ihre Liebenswürdigkeit und Leichtigkeit, ihre strichfeine Zeichnung halb backfischnaiver, halb sinnlich-eleganter Gestalten, Mädchen namentlich, durch die schwebend-uneigentlichen Dialoge, ihren flirrend-flirtenden Humor. Aber noch 1939, im Jahr vor seinem Tod, schienen die Zeitungsredaktionen nur dergleichen von ihm zu erwarten. Dabei war es ihm längst um Ernsthafteres zu tun - wie er mit seinen Romanen "Der große Gatsby" und "Zärtlich ist die Nacht" bewegend bewiesen hatte.

Ein paar Jahre lang hatte Fitzgerald für eine seiner Geschichten das Vielfache eines Arbeiter-Jahresgehalts verlangen können. Spätestens mit der Krise der 1930er-Jahre war's damit vorbei. Über den Popularitätsverlust half sich der Dichter mit viel zu viel Alkohol hinweg, bis zum Zusammenbruch. Aber er schrieb feilend weiter. "Einen neuen Quell" wollte er erschließen. Nüchtern reflektierte er seine prekäre kreative und finanzielle Situation, die eigenen Pläne und die entgegengesetzten Wünsche der Magazine. Die sandten ihm, dem in Hollywood wenig gelittenen Drehbuch-Lohnschreiber, immer mehr Manuskripte zurück. Aus dem großen Autor war ein armer Hund geworden.

"Fitzgeralds Erzählungen aus dieser Zeit handeln von Ehescheidung und Verzweiflung; von Tagen voller Mühe und Nächten voller Einsamkeit; klugen jungen Leuten, die nicht studieren können oder während der großen Depression keine Arbeit finden; der amerikanischen Geschichte mit ihren Kriegen, Schrecken und Verheißungen; von Sex und der darauf folgenden Ehe - oder ihrem Ausbleiben; der wilden grellen Vitalität und bitteren Armut in New York, einer Stadt, die Fitzgerald liebte und deren Möglichkeiten, Eitelkeiten und Scheußlichkeiten er kannte", schreibt Anne Margaret Daniel im Nachwort zu "Für dich würde ich sterben". Umfassend und erhellend hat die Herausgeberin den Sammelband kommentiert, der siebzehn bislang auf Deutsch unveröffentlichte Erzählungen enthält; die älteste schrieb der 24-Jährige 1920, im Jahr, in dem sein Romandebüt "Diesseits vom Paradies" als Bestseller einschlug. Die übrigen schreiten gleichsam die Dreißiger ab bis in die Monate vor Fitzgeralds Herztod 1940.

Kenner werden staunen. Ihnen tritt noch immer derselbe und doch ein anderer Fitzgerald entgegen. Nicht alle, aber etliche Geschichten hat er grandios erdacht, überraschend ausgeführt, zwielichtig pointiert; hier und da lässt er sie unerwartet satirisch, auch parodierend, freilich nicht selten "trist und düster" klingen. So wie seine Resignationen in Briefen, aus denen die Herausgeberin zitiert: "So völlig und ungerechtfertigt unterzugehen, nachdem man so viel gegeben hat!" Und: "Bei Gott, man hat mich vergessen."

Im kollektiven Gedächtnis der USA bleibt Walt Whitman als Dichter der "Grashalme", eines Kernstücks der Nationalpoesie. Wenig indes ist bekannt, dass er auch Romane schrieb. Geradezu einen Sensationsfund nennt der Manesse-Verlag "Jack Engles Leben und Abenteuer", die im Vorjahr aufgespürt wurden und heuer im amerikanischen Original erschienen. "Ein literarischer Glücksfall"? Oder Produkt eines armen Hundes, der zum großen Autor ausersehen war?

Nicht mehr als eine sympathische Geschichte um einen Waisenknaben, der in die Fänge eines dubiosen Anwalts gerät und dessen Mündel entführt, um dem Mädel zu seinem Erbe zu verhelfen. In einem elendsviertelgrauen New York spielt sich dies ab, zwei Generationen bevor Fitzgerald die Metropole feiernd und färbend beleuchtete. Kaum dass das Buch erschienen war, wurde der Vergleich mit Charles Dickens versucht. Allerdings müsste er das aus dem Handgelenk geschüttelte Werkchen des 32-Jährigen erdrücken, das eine Regionalzeitung 1852 in Fortsetzungen abdruckte - anonym. Unterhalten sieht man sich mit einer erbaulichen Heldensaga aus dem großstädtischen Milieu der Unterklasse, flüssig und gestaltenreich ausgebreitet, von tiefer empfundenen Stimmungsmomenten durchsetzt, optimistisch, patriotisch, demokratisch: Brave kleine Leute siegen über einen niederträchtigen Gentleman durch die Kraft proletarischer Solidarität. Was auch der Romanschluss bekräftigt: Da geht's allen gut.