Hof - Seit sie von Premysl Pitter und seiner "Aktion Schlösser" gehört hat, ließ Sabine Dittrich dieses Thema nicht mehr los. Unbedingt wollte sie über den tschechischen Humanisten schreiben, damit er und sein selbstloses Werk nicht in Vergessenheit geraten. "Ich wusste nur nicht, wie ich an ihn erinnern sollte", sagt die Hofer Autorin. Nun hält sie gleich mit zwei Büchern das Andenken an den Pädagogen und evangelischen Prediger wach.

Ihr neuer Roman "Tage der Wahrheit" spielt zwar in der Gegenwart, doch ein Handlungsstrang führt zurück in das Prag kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein Treffen ehemaliger "Pitter-Kinder" rückt deren Lebensgeschichte in den Fokus. "Ich denke, dass ich mit dem Buch eine Verbindung zwischen einer interessanten historischen Figur und der heutigen Zeit geschaffen habe", sagt sie.

Das zweite Buch ist die Autobiographie von Premysl Pitter von 1970, die Dittrich überarbeitet hat. "Unter dem Rad der Geschichte" wird Ende März ebenfalls im Neufeld-Verlag im oberpfälzischen Schwarzenfeld erscheinen. "Was Pitter uns zu sagen hat, passt genau in die heutige Zeit", sagt die Autorin, die lange und intensiv über das Leben des Pädagogen recherchiert hat. Der Humanist habe stets Tagebuch geführt und daraus Texte zusammengestellt, die sein Leben von den Schützengräben des Zweiten Weltkriegs bis zum Prager Frühling skizzieren.

Trotz der zwei Publikationen, die sie gerade fertiggestellt hat - so richtig Zeit zum Ausruhen hat die Schriftstellerin nicht. Im Moment ist Sabine Dittrich dabei, zweisprachige Vorträge über Pitter vorzubereiten, denn mit dem Buch und einer Filmdokumentation, in der "Pitter-Kinder" ihre Erlebnisse erzählen, ist sie von verschiedenen Organisationen eingeladen worden - in Deutschland und in Tschechien. So wird sie im Juni auf dem Sudetendeutschen Tag in Augsburg das Werk vorstellen. "Mich führt es jetzt ganz oft in unser Nachbarland", erzählt die Autorin, die inzwischen hervorragend Tschechisch spricht. Daher freut es sie auch sehr, dass ihr erster Roman "Erben des Schweigens" im Herbst beim renommierten Prager Verlag Mladá Fronta auf Tschechisch erscheint.

Doch das ist nicht die einzige Übersetzung: Ihr Erstling, der deutsche, tschechische und jüdische Geschichte aus dem vorigen Jahrhundert zusammenbringt, wurde bereits in die Plansprache Esperanto übersetzt und im tschechischen Verlag Kava-Pech veröffentlicht. "Mein erstes Buch macht jetzt seinen Weg um die Welt" sagt Sabine Dittrich und ihr ist die Freude darüber anzusehen, als sie das Coverfoto herzeigt. Es ist in türkisblau gehalten, im Hintergrund ist die Silhouette von Prag zu sehen, vorne ein jüdischer Grabstein. "Heredantoj de Silentado" lautet der neue Titel.

"Ich freue mich, dass ich den Menschen mit meinen Büchern etwas geben, sie berühren kann", sagt Dittrich. Sie wertet die positiven Kritiken und die zahlreichen Briefe, die sie besonders zu ihrem ersten Buch bekommen hat, als "Lohn des Autors". Denn reich werde man vom Schreiben nicht gerade. Sie möchte auch in Zukunft Tiefgründiges in ihren Büchern festhalten. Trotzdem überlegt sie, für ihren vierten Roman zu einer Literaturagentin zu wechseln, um ihn vielleicht in einem größeren Verlag herauszubringen. "Was mir für das nächste Buch vorschwebt, ist wieder etwas ganz anderes", sagt die Autorin, die gerne experimentiert. "Zwei der neuen Figuren hüpfen schon in meinem Kopf herum." Sie hofft, dass auch dieser Plot wieder Menschen bewegen wird.

Nun geht die Autorin erst einmal mit "Tage der Wahrheit" auf Lesereise, stellt ihre Hauptfigur Anne Lischka vor: Eine junge Frau, die parallel zum Geschehen ihren eigenen Weg findet. Die aus der Vergangenheit lernt, unbeirrt Menschlichkeit in das Zentrum ihres Handelns zu stellen, selbst wenn das Anfeindungen nach sich zieht.

Anne Lischka traut sich, ihre Träume zu leben und sich auf eine neue Liebe einzulassen. Aktuell ist der Roman überdies, weil er das Flüchtlingsproblem thematisiert. In Annes Stadt sollen alleinstehende Asylbewerberinnen mit ihren Kindern eine Unterkunft bekommen. Das ist nicht jedem recht. Doch dass die Gegner so weit gehen, hätte niemand vermutet. "Tage der Wahrheit" ist ein Buch, das Mut machen will.

Die ersten 60 Seiten sind wieder im Kloster der Benediktinerinnen in Tutzing entstanden, wo Sabine Dittrich binnen Kurzem in den Rhythmus - schreiben, essen, schlafen, spazierengehen - gekommen ist. Der Rest entstand in ihrem "Oberstübchen", wohin sie sich zum Schreiben über den Dächern von Hof zurückzieht. "Bücher zu schreiben, ist meine Art, mit der Welt zu reden", sagt die Autorin, die sicher ist, den schönsten Beruf der Welt zu haben.

Premysl Pitter

Während der Zeit der deutschen Besetzung der Tschechoslowakei ab 1939 nahm der Pädagoge Premysl Pitter unter Lebensgefahr jüdische Kinder in sein Kinderheim auf. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg begann er, für zahlreiche elternlose jüdische Kinder aus Konzentrationslagern Heime aufzubauen. Dazu stellte ihm der tschechoslowakische Staat vier Schlösser südöstlich von Prag zur Verfügung. Pitter nahm jedoch ebenso deutsche Waisenkinder in seine Heime auf und rettete ungefähr 400 von ihnen vor dem Tod in tschechoslowakischen Internierungslagern. Er sorgte dafür, dass sich die Kinder erst einmal erholen konnten. Danach plante er mit ihnen ihre Zukunft. Durch seine mutige Aktion wurden mehr als 800 Kinder gerettet.


Die neuen Bücher

"Tage der Wahrheit", Roman, gebunden, 246 Seiten, 13,90 Euro.

"Unter dem Rad der Geschichte", Autobiografie, Taschenbuch, 173 Seiten, 12,90 Euro.

Beide Bücher sind im Neufeld Verlag erschienen.