Erlangen - Franken ist eine Region, die Menschen zu prägen vermag. Da sind sich alle auf dem Podium beim Poetenfest einig. Autoren, die von hier hinaus in die Welt gegangen sind, tragen ein Stück ihrer Heimat immer im Herzen. Schriftsteller, die von weit her nach Franken kamen, spüren den Einfluss dieses Landstrichs und seiner Menschen auf ihr Werk. Franken ist also "Eine deutsche Literaturlandschaft", es hat sich das 600 Seiten starke und rund zwei Kilo schwere Standardwerk von Hermann Glaser längst verdient, das eben erschienen ist. Schnell ist eine Liste bedeutender fränkischer Dichter zusammengetragen, die sich vom Mittelalter bis in die Gegenwart spannt. Walter von der Vogelweide, Hans Sachs, E.T.A. Hoffmann, Jean Paul, Fitzgerald Kusz, Nora Gomringer und viele mehr: Jede literarische Epoche hatte ihre Franken, die sie mitgestalteten.

Doch als Moderator Dirk Kruse die Frage nach dem typisch Fränkischen stellt, ist die Einigkeit auf dem Podium schnell dahin. Es ist eben, wie es schon im Programmheft heißt, "eine flatternde, flirrende, wimmelnde Vielfalt", was die Autoren hier erschaffen, ein Kosmos, dessen Grundstoff nur sehr schwer zu greifen ist. Die heute in Berlin lebende Erlangerin Christiane Neudecker fasst ihr Staunen darüber in einem prägnanten Satz zusammen: "Wir Franken sind so wortkarg, dass wir technisch gesehen überhaupt keine Schriftsteller hervorbringen dürften."

Und doch, es gab und gibt sie, die Sprachjongleure, die dem Land über 1000 Jahre ihre Stimmen liehen. Die mit ihren Betrachtungen aus der Provinz die Weltenlenker beeinflussten, die den Blick immer wieder fokussierten auf das Kleinräumige, das Verwinkelte, auch das Verwunschene und Skurrile. "Die Franken sind im Kleinen groß", resümiert Hermann Glaser, der Nürnberger Kulturhistoriker und Publizist, der am Freitag 87 wurde. So sei in einem kleinen Buch von Jean Paul, "Leben des vergnügten Schulmeisterlein Maria Wutz", der ganze Kosmos des menschlichen Lebens enthalten.

"So erzählen Franken", sagt auch Ursula März, in Herzogenaurach geborene Literaturkritikerin und ebenfalls bekennender Jean-Paul-Fan. Doch auch im Werk von Hans Magnus Enzensberger, der in Nürnberg aufgewachsen ist, entdeckt sie "Spuren der fränkischen Mentalität". "Heimat", ergänzt Hermann Glaser, "ist ein Territorium für Seins-Gewissheit." Dieses Gefühl beeinflusse und befruchte die Autoren, die von hier stammen oder lange hier gelebt haben. Wilhelm Heinrich Wackenroder und Ludwig Tieck, Studenten in Erlangen, hätten bei ihren Wanderungen durch die Fränkische Schweiz die deutsche Romantik mitbegründet. Doch wenn man darauf mit regionalpatriotischem Stolz blicke, dürfe man auch die abgründige Seite nicht übersehen. "Franken ist auch eine Quelle des Übels, des Rassismus, des Spießertums. Der Antisemitismus hat in Franken tiefe Wurzeln geschlagen, das sollten wir nicht vergessen."

Rolf-Bernhard Essig, ein Autor, der sich noch nicht als fränkisch bezeichnen mag, "weil ich erst seit 48 Jahren hier lebe", findet es wichtig, dass literarische Talente auch entdeckt und gefördert werden. Menschen wie Norbert Treuheit, der im mittelfränkischen Cadolzburg den Verlag "Ars vivendi" führt, wollen durch ihre Arbeit dazu beitragen, ein literarisches Selbstverständnis zu festigen.

"Jeder", sagt Ursula März, "der hier sozialisiert ist, hat die Region eingeatmet. Natürlich beeinflusst das in irgendeiner Weise die Fantasie." Sie denke bei Franken an holzgetäfelte Stuben, nicht an Paläste. Und so, voller Verhaltenheit, Understatement und prunkloser Trockenheit, präsentierten sich auch die Werke fränkischer Autoren. Es sei diese Topografie des Geistes, von der sich - wenn man danach suche - Spuren in vielen Werken der Schriftsteller fänden, die in einem Kontext zu Franken stehen.

Wir Franken sind so wortkarg, dass wir technisch gesehen überhaupt keine Schriftsteller hervorbringen dürften.

Christiane Neudecker