Hof - Vor etlichen Jahren, erzählt der Autor gut gelaunt, sei er zu einer Lesung nach Heilsbronn gereist. Aber gerade, als er vor die Zuhörer treten wollte, stellte er fest, dass er das Buch daheim vergessen hatte. Zur Hofer Reihe "Fränkische Literaten" erschien Ewald Arenz gewappnet gegen solch ein Missgeschick: Den behaglichen Innenhof der Stadtbücherei betrat er am Mittwoch mit einem schmucken Köfferchen, gefüllt mit gesammelten Werken in beachtlicher Fülle. Dem fleißigen Schriftsteller - der 1965 in Nürnberg zur Welt kam, dort an einem Gymnasium unterrichtet, aber in Fürth lebt - fielen seit den frühen Neunzigern neun Romane, viele Erzählungen und mehrere Theatertexte ein.

Zwei Bände fördert er aus dem Behältnis zutage, um sie dem überschaubaren, aber glänzend unterhaltenen Publikum vorzustellen. Umstandslos erweist er sich dabei als versierter Meister der Kontaktaufnahme: Dank unaufdringlicher Entertainer-Qualitäten vermag er frisch von der Leber weg über seine Geschichten zu plaudern und darüber, dass er das eine wie das andere Buch ursprünglich ganz anders geplant hat.

Immerhin blieb es dabei, dass bei seinem Bestseller "Der Duft der Schokolade" von 2007 der katastrophale Brand des Wiener Ringtheaters am 8. Dezember 1881 im Zentrum stehen sollte. Allerdings lässt Arenz in Hof das Opernhaus nicht in Flammen aufgehen. Wohllautend, mit sacht modulierender und rhythmisierender - überdies makellos artikulierender - Stimme hält er sich in den ersten Kapiteln auf. Dort verliebt sich der junge Reserveleutnant August in eine kühle Spröde mit der Vorliebe für köstliches Konfekt. Jene Elena weiß von Süßigkeiten zu berichten, die in Nordafrika aus Spezereien, so kostbar wie Gold, gefertigt werden.

Aus der Sommerfrische schickt August ihr täglich "Souvenirs": Pralinés, die er stets anders, immer duftend in Heu, Kastanienschalen, Blumenblätter verpackt. Auch auf Augusts Knabenjahre schaut Arenz zurück: Früh für Vorahnungen begabt, begann der Junge, sowohl die Welt wie seine Visionen nicht so sehr durch Ohr und Auge wahrzunehmen als mit Nase, Gaumen, Zunge. Er kann riechen, was kommt, sogar den Tod.

Natürlich erinnert all das sogleich an Patrick Süskinds "Parfüm"; indes versichert der Autor glaubhaft, den Roman nicht gelesen zu haben. Und natürlich kann niemand mehr über den Duft der Kindheit schreiben, seit Marcel Prousts Romanheld, "auf der Suche nach der verlorenen Zeit" der Jugend, eine fein gebackene Madeleine in seinen Lindenblütentee stippte. Ewald Arenz aber findet seinen eigenen Stoff und Ton: Worte von atmosphärischer Leichtigkeit komponiert er für Wohlgerüche, "die sich nicht in Worte fassen lassen"; empfindlich erkundet er Stadt- und Naturlandschaften, klimatische und physiognomische Details. In der noblen, dabei unverschlüsselten Prosa dieses ungewöhnlich schönen Stücks deutscher Literatur geht jede Episode letztlich in Aromen, Würzen und Buketts auf: Düfte, im einen Moment "zu Farben" geworden, fallen im andern "klingend aneinander wie dünne Gläser".

Deftiger schallt es aus Arenz' jüngstem Roman heraus. Selbst sichtlich vergnügt, entwirft der Autor in "Herr Müller, die verrückte Katze und Gott" ein ganzes makaber-komödiantisches Universum, eines zudem, das sich gerade anschickt, zugrunde zu gehen. Denn als Kurt, ein Schauspieler, vom Hochhaus stürzt, kommt seine Seele irgendwo zwischen Himmel und Hölle abhanden. Für Gottes Jenseits-Mannschaft ein fataler Fauxpas: reicht doch schon der unwiederbringliche Verlust eines einzigen Atoms aus, dass die Schöpfung "in einem lauten theologischen Plop vergeht".

Mächtig schießt Arenz' Fantasie ins Kraut. Satirisch bis albernd, aber immer gescheit fährt er das Personal einer himmlisch-höllischen Groteske auf: sieben Erzengel, die "aussehen wie ein russischer Chor", einen Teufel in antarktischer Verbannung, Pinguine, die rückwärts fliegen, syrische Selbstmordattentäter, die sich, uneins über die Jungfräulichkeit paradiesischer Jungfrauen, verfrüht in die Luft sprengen ...

Ins flapsig Alltagsderbe hat Arenz die Leichtigkeit seiner Sprache jetzt übersetzt. Starker Tobak statt zarter Schokolade: Kein Duft schwebt mehr balsamisch durch die Lüfte. Hier weht der Wind von vorn.

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Am 11. Juli um 19.30 Uhr liest Bruno Preisendörfer aus "Cindy".