Als erster und bislang einziger Zeichner erhielt er den begehrten Pulitzer-Preis, der in den USA seit 1917 an die Besten der Literatur und des Journalismus verliehen wird. Dem jetzt 60-jährigen Art Spiegelman wurde die Auszeichnung 1992 für einen in „Mauschwitz“ spielenden Holocaust-Comic zuteil, in dem Mäuse die inhaftierten Juden und Katzen ihre Bewacher und Peiniger sind. Eine Vorstudie zu diesem Comic hatte der Künstler schon in den 70er Jahren gezeichnet. Die „Maus“ von damals wurde 1978, zusammen mit anderen Arbeiten, in dem Band „Breakdowns“ (Zusammenbrüche) veröffentlicht, auf den, wie der Autor sagt, „niemand außer mir gewartet hatte“. Jetzt gibt’s das Buch in einer Neuausgabe. Seinem „Porträt des Künstlers als junger %@*!“ hat Spiegelman, der als Sohn polnischer Holocaust-Überlebender in Schweden geboren wurde und 1951 nach Amerika kam, eine Einleitung und ein Nachwort hinzugefügt.

„Alles, was ich mache, ist autobiografisch“, bekannte Spiegelman in einem Interview. Er erzählt in Wort und Bild, wie die Mutter auf dem Spielplatz von einem Jungen angespuckt wird, und lässt nicht unerwähnt, dass sie Selbstmord beging, als er 20 Jahre alt war. Über die Beziehung zum Vater teilt er mit, sie habe sich „enorm verbessert, nach seinem Tod“. Mit Dankbarkeit indessen erinnert er sich, dass ihn der sparsame Vater – ohne zu wissen, was er tat – mit zerlesenen Underground-Comics versorgte, die dem Kind zum Wegweiser fürs weitere Leben wurden: „Hals über Kopf verliebte ich mich in diese gefährliche, abgründige Erwachsenenwelt mit ihren brutalen, sexuell aufgeladenen Bildern!“

Die Satire-Zeitschrift MAD hatte es dem werdenden Künstler besonders angetan. Erst recht durch die Bekanntschaft mit Comic-Genie Robert Crumb reifte der Wunsch, die „abstoßendsten Bilder zu erschaffen, die einem nur einfallen konnten“. Zugleich aber wollte Spiegelman, vom deutschen Expressionismus beeindruckt, die Grenzen der Comic-Ästhetik erweitern und die Mauern zwischen hoher Kunst und Massenkultur sprengen. Er war, wie die „Breakdowns“ zeigen, ein experimentierfreudiger Avantgardist. Dass er ein solcher geblieben ist, wurde zuletzt vor sechs Jahren deutlich: Der Zeitschrift The New Yorker, für die er viele Titelbilder schuf, war sein 9/11-Comic „Im Schatten keiner Türme“ zu brisant, um abgedruckt zu werden; Premiere hatte die Bildergeschichte darum in der deutschen Wochenzeitung Die Zeit.

In den USA beobachtet Spiegelman einen permanenten Niedergang. Über das moralische Zentrum des Landes sagt er im Nachwort zu den „Breakdowns“, er wisse, dass es sich „irgendwo zwischen dem Nippel von Janet Jackson und der Klitoris von Paris Hilton befindet“. Ralf Sziegoleit

Art Spiegelman: Breakdowns. S. Fischer, 84 Seiten, gebunden, 29,90 Euro.