Es war einmal, da hatten wir noch alles. Uns." Jäh ist Maulinas glückliche Welt aus den Fugen geraten. Sie und ihre Mutter sind aus dem geliebten "Mauldawien" ausgezogen, ihrem gemütlichen Zuhause mit dem gruseligen Dachboden, gefräßigen Holzdielen, speckigen Lichtschaltern und 84 Topfpflanzen. Das Mädchen versteht nicht, warum es nach "Plastikhausen" am anderen Ende der Stadt ziehen musste. In der sterilen Siedlung gibt es keine Kinder, und die Nachbarn sind sogar zu alt, "um einem noch schwungvoll den Buckel runterzurutschen".

Als sich die Eltern trennen und Maulina dann auch noch erfährt, dass die Mutter sehr krank ist und bald im Rollstuhl sitzen wird, ändert sich alles für die Zehnjährige. Ihr Königreich liegt in Scherben, alles ist kaputt. Mit infernalischen Wutausbrüchen reagiert das Mädchen. Ihnen verdankt Paulina, wie sie eigentlich heißt, ihren
Spitznamen: Maulina kommt von Maulen.

Es ist keine Heile-Welt-Geschichte, die Finn-Ole Heinrich in "Die
erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt" erzählt, aber trotz-
dem eine mit viel Humor. Wie immer meint es das Schicksal nicht gut mit den Helden des preisgekrönten Autors. Es gibt auch kein versöhn-
liches Ende. "Warum soll man Kinder in Büchern nicht mit all jenem konfrontieren, mit dem das Leben sie konfrontiert?", fragt der 31-Jährige und stellt fest: "Das Leben
ist nun mal nicht heitschi beitschi."

Heinrich hat seine Ich-Erzählerin mit viel Fantasie ausgestattet, sie ist direkt - und oft sehr wütend. Das ist zwar häufig komisch, doch gleitet es nie ins Lächerliche ab, der Schmerz des Mädchens ist stets fassbar. Obwohl "Maulina" ein heftiges Thema behandelt, ist das Buch mit großer Leichtigkeit geschrieben. Liebevoll entwirft Finn-Ole Heinrich seine Geschöpfe, man spürt, wie sehr er sie mag. Erneut hat der Autor mit "Maulina" zwischen Kinder- und Erwachsenenliteratur eine Brücke gebaut.

Leichtigkeit bekommt das Buch auch, weil Heinrichs Texte eng verwoben sind mit den Zeichnungen der isländischen Illustratorin Rán Flygenring. Mit wenigen Strichen lässt die 25-Jährige Maulinas Königreich wieder auferstehen, zeigt "die Kunst des Maulens" und schafft Abhilfe dagegen: mit einem lecker skizzierten Kakao-Rezept.

Maulinas wilde Welt wird übrigens fortgesetzt. Das wunderbare Buch ist der Auftakt zu einer Trilogie. "Maulina 2" ist für das Frühjahr 2014 angekündigt, der dritte Teil folgt im Herbst. Finn-Ole Heinrich schreibt gerade am Finale: "Es wird unfassbar traurig und schmerzhaft."

Andrea Herdegen

-----

Finn-Ole Heinrich (Autor), Rán Flygenring (Illustration): "Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt -

Mein kaputtes Königreich", ab zehn

Jahre, Carl-Hanser-Verlag, 176 Seiten, 12,90 Euro.

Lese-Empfehlung