Ganz zum Schluss blickt sie einem netten Architekten ins Gesicht, fragt ihn, ob er die Wahrheit wissen wolle, und als er nickt, erzählt sie ihm "alles Mögliche". Möglich ist also, dass es Heike-Melba Fendel auch in dem Buch, in dem sie "ein Leben in 99 Geschichten" erzählt - ein Leben, das mit dem ihren mindestens große Ähnlichkeit hat -, mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Aber egal. Wer will und muss schon wissen, was die 48-jährige Inhaberin einer Kölner Entertainment- und Künstleragentur wirklich erlebte. Interessant ist ihr Buch als unterhaltsames, originell gezeichnetes Generationenporträt, als vielleicht nicht wahre, aber doch als mögliche, den Zeitgeist widerspiegelnde Geschichte.

Sie wird nicht chronologisch erzählt. Fendel, die sich bei einer Frau vom Film, der Cutterin Bettina Böhler, für die "Montage" bedankt, springt munter hin und her. Ihre 99 Miniaturen fügen sich wie Teile eines Mosaiks oder eines Puzzles zusammen. Das passt zu einem Leben, in dem, da es sichtlich ohne Plan verläuft, eher zufällig eines zum anderen führt. Früh verlässt die Autorin, die eben noch mit Freundin Annette im Keller gebetet hat, ihr Elternhaus - der Vater ist Nazi -, um einem "Ghettoschreck" in eine besetzte Wohnung zu folgen. Mit neunzehn lebt sie in New York und ist ein Gogo-Girl, das "eigentlich mit jedem mitging", mit zweiundzwanzig hat sie "die ersten zwanzig, vielleicht dreißig Männer gehabt, oder sie mich", und da, schau an, entdeckt sie, dass Sex auch Genuss und Freude bereiten kann: "Ich konnte es kaum fassen, so ein Glück." Die Überschrift der Geschichte, es ist die zweiundvierzigste, lautet "Selbst gemacht".

Der Buchtitel "nur die" taucht in einer etwas früheren Geschichte auf und leitet sich von einer dünnen Strumpfhose her ("Sie war von nur die"). Spannender sind die Kapitel, in denen Fendel ("Ich heiße gar nicht Melba") von ihren vielen Männern erzählt, unter ihnen Schriftsteller, Regisseure und ein Künstler, der "Vaginas in Öl" zu malen pflegte. Auch eine "große Liebe" ist dabei. Aus der Verbindung entsteht ein Kind, aber sonst nichts Gutes: Der Mann bricht Fendel mit zu vielen Schlägen das Herz. Überhaupt gerät sie oft an falsche - und prügelnde - Männer, ist darum häufig "am Boden zerstört. Man wirft sich immer auf den Boden. Man bin immer ich."

Dass ihr wenige Dinge peinlich seien, bekennt die Autorin gleich zu Beginn. In der Tat nimmt sie kein Blatt vor den Mund. Gleichwohl erzählt sie mit ironischer Distanz und so, dass sie dem Leser mehr und mehr ans Herz wächst. Man legt das Buch in der beruhigenden Gewissheit aus der Hand, dass sich dies Frauenleben, das so oft "außer sich vor Murks" gewesen ist, dann doch noch zum Guten gewendet hat.

Ralf Sziegoleit

Heike-Melba Fendel: nur die. Hoffmann und Campe, 154 Seiten, Broschur, 14,99 Euro.