Sulzbach-Rosenberg - Auf der Liste der Literatur-Nobelpreisträger spielen die zwölf Frauen unverdient eine Nebenrolle. Unter ihnen allerdings stammen drei aus dem deutschen Sprachraum: 25 Prozent - keine üble Quote. Die nach Schweden emigrierte Jüdin Nelly Sachs, 1966 geehrt, suchte den Holocaust lyrisch zu bewältigen; die radikal kritische Elfriede Jelinek ließ sich 2004 den ersten Literatur-Nobelpreis Österreichs nach Hause schicken und rief überhaupt durch Geringschätzung Unmut hervor. Zuletzt Herta Müller: Die Autorin, der deutschen Minderheit im rumänischen Banat entstammend, leiste, wie die Jury 2009 befand, mit ihrer Prosa "kompromisslos Widerstand gegen Unterdrückung und politischen Terror in der kommunistischen Diktatur".

Um Informationen über Herta Müller erweiterte die Arbeitsgemeinschaft literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten nun ihre Wanderausstellung über die deutschsprachigen Empfänger der weltweit angesehensten literarischen Auszeichnung. "Ich natürlich, oder?!" lautet ihr reichlich kryptischer Titel. Er verdankt sich der Antwort des Kolumbianers Gabriel García Márquez, der 1981 gefragt wurde, wer wohl in diesem Jahr die Ehrung erhalten werde (Elias Canetti bekam sie, Marquéz im Jahr darauf). Im Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg ist die Schau noch bis zum 17. Oktober zu sehen, ergänzt durch Exponate aus dem eigenen Bestand der Einrichtung.

An 106 Schriftstellerinnen und, vor allem, Schriftsteller ging der Preis bislang. Dreizehn von ihnen schrieben oder schreiben auf Deutsch: auch keine üble Quote. Einer konservativ-hochkultivierten Sphäre ordnete die Nobel-Jury den Erzähler Thomas Mann zu, Vertreter einer Großschriftstellerei, zu der, als der Dichter die Ehrung 1929 erhielt, längst auch Gerhart Hauptmann gehörte; ihm wurde die Ehrung bereits 1912 für seine "fruchtbare, vielseitige" Dramenkunst zuteil. Anders Hermann Hesse (1946): Von Geburt Deutscher, dem Selbstverständnis nach übernational, lebte er in der neutralen Schweiz; im ersten Nachkriegsjahr schien er nicht nur durch "Höhe des Stils", auch mit seinem "klassischen Humanismus" zum Vorbild berufen.

Einen Internationalisten deutscher Zunge ehrte die Schwedische Akademie wiederum 1981 mit dem in Bulgarien geborenen, lange in London lebenden Elias Canetti. Politisches Engagement würdigte das Auswahlgremium, indem es Heinrich Böll (1972) und Günter Grass (1999) kürte.

Zugleich ist die Geschichte des Preises eine voller vergessener Gesichter: Theodor Mommsen (1902) und Rudolf Eucken (1908), Paul Heyse (1910) und Carl Spitteler (1919) - ihnen allen hat eine breitere Leserschaft längst den Rücken gekehrt. So zeigt sich: Noch nicht einmal der begehrteste Lorbeer vom Kampfplatz der Weltliteratur bürgt für ewiges Gedächtnis. Dass der Preis die Welt der Dichtung mit ungleichem Maß vermesse, indem er am häufigsten auf Europäer und Nordamerikaner falle, werfen ihm Kritiker vor.

Übrigens: Bei der jüngsten Übergabe der Preise, im Dezember 2009, war mit fünf Frauen deren Quote so hoch wie seit der ersten Verleihung 1901 nicht mehr.

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Begleitbuch mit Essays zu den deutschsprachigen Preisträgern (außer Herta Müller) sowie deren Bankettreden und Nobelvorlesungen erhältlich im Internet unter www.alg.de/publikationen/public.html (191 Seiten, kartoniert, 10 Euro einschließlich Versand).