Die Literatur, wie alle Kunst, verdankt sich dem Spieltrieb des Menschen. Das Leben dieses Literaten auch: Verschwenderisch tauschte der Autor, den man als B. oder Bruno Traven kennt, erfundene Rollen und Identitäten und inszenierte sich als tiefes Geheimnis. Gewaltig steigerte er so das Interesse an seinen Werken und hielt das an seiner Person bis heute wach. "Mein Lebenslauf", bekundete er 1926, "ist meine Privatangelegenheit, die ich für mich behalten möchte"; und er behielt sie für sich, derart konsequent, dass Gerüchte gar besagten, der Rätselmann sei zur Hälfte den allerhöchsten Lenden von Kaiser Wilhelm II. entsprossen. Unterm Namen Traven Torsvan erhielt er 1930 die Staatsbürgerschaft Mexikos; als er 1969, hochbetagt, dort in der Hauptstadt starb, stand immerhin fest, dass es sich bei ihm um einen deutschen Journalisten, Schauspieler und sozialistischen Aktivisten handelte, der unterm Pseudonym Ret Marut einige Jahre in München lebte, bevor er sich dort an der Räterepublik beteiligte, nach deren Sturz er 1919 aus Europa floh. Seine Abenteuergeschichten - allen voran "Das Totenschiff" und der (von John Huston mit Humphrey Bogart verfilmte) "Schatz der Sierra Madre" - fanden noch in den Siebzigern zahllose Leser und sind auch seither keineswegs vergessen. Traven zum Lesen gibt es jetzt wieder, und reichlich: Nach Jahren detektivischer Kleinarbeit fasst der Germanist Jan-Christoph Hauschild auf 700 Seiten das bisher Bekannte über den phantomgleichen Autor - der 1882 als Otto Feige zur Welt kam, Maschinenschlosser lernte und sich gewerkschaftlich engagierte - zusammen und schließt die biografischen Lücken vollends (Edition Voldemeer/Springer-Verlag, 38,85 Euro). Was in Travens Fall noch als Mysterium gegolten habe, sei längst, meint Hauschild, gang und gäbe: sich vor aller Welt mit einer zweiten, einer dritten Existenz zu versehen. "Im Internet und Second Life geschieht das immerzu."